Briefe aus Frankreich, Nr. 3, dritter Teil

Veröffentlicht auf 17. Oktober 2011 von Sepp Aigner

Briefe aus Frankreich, Nr 3

erster Teil : http://kritische-massen.over-blog.de/article-briefe-aus-frankreich-nr-3-erster-teil-86724190.html

zweiter Teil: http://kritische-massen.over-blog.de/article-briefe-aus-frankreich-nr-3-zweiter-teil-86724408.html

Teil 3: Die Front de Gauche und die Marxisten-Leninisten

Sie hat in den 2010 stattgefundenen Regionalwahlen teils beachtliche Erfolge verzeichnet. Bestehende kommunistische Gruppen (innerhalb und außerhalb der PCF) unterstützten die FdG und stellten in ihr selbst mit Erfolg eigene Kandidaten auf.

Ich habe lange überlegen müssen und gezögert, ja zu dieser Bewegung zu sagen. Nun sind die Wahlen in Frankreich nicht meine Angelegenheit. Ich habe hier keine Stimme abzugeben. Vielleicht erleichtert das eine Beurteilung. Die Meinung vieler Kommunisten richtet sich gegen Mélenchon, diesen gewiss eitlen, gewiss ausgewählt und teuer gekleideten und sicher auftretenden Mann, ein Berufspolitiker. Er hat sich im April 2008 gegen das theokratische System eines Dalai Lama ausgesprochen, das im Namen der Menschenrechte verteidigt werde. Das fällt mir spontan positiv zu ihm ein. Und er soll aus der Arbeiterklasse kommen. Aber da hatten wir schon viele ….

Knappe 60% der PCF-Mitglieder haben sich für seine Kandidatur ausgesprochen. Das sind 28251 Stimmen. Ich bin letztlich zu der Schlussfolgerung gekommen, dass es unwichtig ist, wer an der Spitze einer solchen Bewegung steht, solange er sich im Rahmen der bürgerlichen Demokratie an deren linken Rand bewegt. Entscheidend ist die Bewegung an sich, die Mobilisierung der Massen. Deren Wut und Entschlossenheit habe ich erlebt. Es reicht aber nicht aus, seinen Protest nur herauszuschreien. Auch eine kanalisierte, organisierte Volksbewegung kann und muss nur ein erster Schritt sein auf dem langen Wege der Änderung einer Gesellschaftsordnung.

Ich kenne die Meinung des PCF-Generalsekretärs zur Konterrevolution. Das macht ihn absolut nicht zu meinem Genossen. Aber die Entscheidung über die PCF müssen und werden die französischen Genossen treffen. Die mir nahe stehenden haben sich entschieden.

Ich fasse nachfolgend einen Aufruf des Rassemblement des Cercles Communistes (RCC), der Vereinigung der Kommunistischen Zirkel Frankreichs zum Wiederaufbau einer revolutionären kommunistischen Partei zusammen. Er erschien in ihrer Zeitung „Chantiers" und auf ihrer Webseite (rassemblementcommuniste.org):

Der Kampf für ein NEIN des Europäischen Verfassungsvertrages hat eine politische Trennungslinie zwischen Angehörigen des großen Finanz- und Industriekapitals sowie ihren politischen Auftragnehmern, dem nationalen Bürgertum und in ihm den Idealen der französischen Republik verhafteten Kräften sowie den breiten Schichten der Intelligenz und der Arbeiterklasse und ihnen nahe stehenden Kräften gezogen. „Diese Linie ist wie eine Kanonenkugel, die die Sozialdemokraten der PCF-Führung und der Parti de Gauche in ihr reformistisches Lager à la „"Vereinigung der Linken" [Union de la Gauche]ziehen."

In Abwesenheit der Kräfte zum kommunistischen Wiederaufbau läuft die FdG und mit ihr die PCF Gefahr, in ein einfaches Bündnis von Organisationen zu zerfallen. Doch es geht heute um die Vereinigung aller antiliberalen Kräfte für die Entwicklung einer wahren Volksfront, mittels derer die Arbeiter und das ganze Volk in die Offensive gegen Regierungs- und Unternehmensangriffe gehen können. Gleichzeitig aber müssen die marxistisch-leninistischen Kräfte sich innerhalb dieser Front formieren und ideologisch von anderen Kräften absetzen.

Ziel der zu führenden Wahl- Kampagne ist die Zerschlagung der hemmungslosen sarkozystischen harten Rechten. Das Schlimmste bleibt die FN der Marine Le PEN. Es geht auch um eine Abgrenzung zu den Führern der PS.

Ziel ist eindeutig eine „nützliche Wahl", sowohl bei der Wahl für die Front de Gauche zur Präsidentenwahl als auch zur Wahl der Legislativen 2012. Die Forderungen der Kommunisten sind:

Bruch mit der V. Republik und seinem quasi monarchistischen Präsidententum; Verweigerung jeglicher Teilnahme an einer Regierung der PS;

Austritt aus der Euro-Währung, einer Etappe in Richtung Austritt aus der Europäischen Union des Kapitals und der Krise;

[Bem. A.: Mit diesem Punkt habe ich mich sehr schwer getan. Sollten nicht nur realistische Forderungen aufgestellt werden? Aber ich sehe mich im Unrecht. Der Angriff auf die reaktionärste Bastion des europäischen Kapitals gehört unweigerlich zu den programmatischen, den strategischen Forderungen einer kommunistischen Partei. Sonst wird sie unglaubwürdig.]

Nationalisierung von Unternehmen, die ins Ausland verlagern;

Laïzität ohne Diskriminierung, insbesondere der Religion der Werktätigen und der neuen Bürger Frankreichs ; effektive Bestrafung von Rassismus; Regularisierung aller Asylanten [Sans-Papiers] mit Aufenthalt für 10 Jahre; Einstellung der Kolonialkriege in Libyen, Afghanistan, Elfenbeinküste; Schleifung der französischen Militärbasen in Afrika und Austritt aus der NATO.

Es gibt keine „chinesische Mauer" zwischen der Aufrichtigkeit gegenüber der antiliberalen Front und der politischen und ideologischen Unabhängigkeit der Kommunisten. Sie werden vor allem dafür sorgen, dass diese Allianz nicht nur eine Gipfel-Angelegenheit ist, sondern Angelegenheit der Werktätigen in Ihrer Gesamtheit und damit des Volkes.

Zu dieser Politik rufen wir die Gesamtheit der Gruppen für den kommunistischen Wiederaufbau auf, die innerhalb und außerhalb der PCF verstreut sind. Diese strategische Aktionseinheit in der Front muss uns erlauben, das nachfolgende Verschwinden der PCF in Auflösung, die Teilung und auch die mitunter nutzlosen Querelen zu verhindern, die nur dem Klassenfeind dienen. Unsere imperialistische Bourgeoisie unternimmt alles, um sich als Klasse zu revanchieren für die Siege unserer Vorfahren zur Zeit der UdSSR, dem Vaterland der Arbeiter, Bauern und unterdrückter Völker, das der Kommune gefolgt ist, der ersten proletarischen Demokratie!