Der Kapitalismus funktioniert nicht mehr.
Das Wachstumsproblem. Warum muss Wirtschaft überhaupt wachsen ? Dass Menschen damit ihre Bedürfnisse besser befriedigen können, kann der Grund nicht sein. Zwischen dem einen und dem andern ist bekanntlich eine Schranke: der Kontostand. Wenn der bei den meisten Menschen eher abnimmt, weil die Löhne bestenfalls stagnieren, für viele sogar sinken, muss die Wirtschaft überhaupt nicht wachsen. Wozu ? Um die Erzeugnisse nachher ins Meer zu schütten ? (Auch das kommt vor. In den 1930er Jahren wurden in Amerika Lokomotiven mit Weizen beheizt und in der aktuellen Weltwirtschaftskrise hat die deutsche Regierung per Abwrackprämie das Wegwerfen funktionsfähiger Autos bezahlt, damit sie neue kaufen.)
Um die Bedürfnisse geht es nicht. In dem Fall müssten ja die Löhne erhöht werden, damit überhaupt mehr Waren nachgefragt werden können. Das Gegenteil passiert. Paradoxerweise hat das den selben Grund wie der Wachstumswahn. Es geht um die Profite. Kapital kann sich nicht nur einfach kreislaufförmig reproduzieren - Kapitalvorschuss - Produktion - Verkauf und damit wieder Verwandlung des vorgeschossenen Kapitals in neues Geldkapital. Kein Kapitalist würde dafür sein Geld investieren, dass er es nach nach Produktion und Absatz in der selben Summe wiederkriegt. Er investiert nur, wenn es hinterher mehr geworden ist. Also muss Wachstum sein.
Wenn das lahmt, gibt es noch eine andere Methode, Profit zu machen: die Verbilligung der Produktion und Verteilung, so dass beim selben Warenausstoss wegen der reduzierten Kosten doch etwas übrigbleibt. Dabei ist die Verbilligung der Löhne ein zentraler Faktor.
Genau hier beisst sich die Katze in den Schwanz. Niedigere Löhne bedeuten weniger Massennachfrage. Die Kosten sind niedriger geworden, aber eben deshalb können die Leute weniger kaufen. Wenn das passiert, sinkt auf Dauer auch die Nachfrage in allen anderen Bereichen - nach Maschinen, Anlagen, Gebäuden etc. .
Findig, wie die Kapitalisten sind, haben sie auch aus diesem Dilemma einen Ausweg gefunden. Das Verleihen von Kapital, das nicht profitbringend in Produktion und Handel investiert werden kann, kommt in Schwung. Heraus kommen Berge von sogenannten Wertpapieren, Papieren, mit denen auf die Kursentwicklung anderer Papiere gewettet wird etc.pp. . Dabei entstehen sagenhafte Geldgewinne über Zinsen und Preissteigerungen dieser Papiere. Das Problem ist nur: Diesen sagenhaften Papierbergen stehen keine entsprechenden realen Reichtumszuwächse gegenüber. Die Papierberge sind real nichts wert. Sie stellen bloss eine Art Sonderinflation in der Sphäre des "Finanzkapitals" dar.
Der scheinbare Ausweg, Kapital, das nicht in Produktion und Verteilung re-investiert werden kann, weil die entsprechende zahlungsfähige Nachfrage fehlt, dann eben durch den Handel mit Zetteln zu ersetzen und aus diesem Handel Gewinn zu schlagen, endet regelmässig im Platzen der "Blasen" an in Wirklichkeit überschüssigem Geldkapital. Man nennt das auch fiktives Kapital. Die Fiktivität erweist sich beim Platzen der Blase. Das ist in diesem neuen Jahrhundert jetzt schon zweimal passiert - in der Krise von 2000 - 2003 und in der gegenwärtigen.
Der scheinbar so wild vorwärts stürmende Kapitalismus ist in Stagnation übergegangen - und zwar dort, wo er am weistesten entwickelt ist, in den imperialistischen Zentren. In Japan dauert diese Stagnation jetzt schon zwanzig Jahre. In Europa und den USA scheint diese Phase eben jetzt zu beginnen. Unvorstellbare Zettelberge sind über die Volkswirtschaften getürmt. Jedes Papier in diesen Bergen will Zins. Wenn Ackermann 25 % Rendite im Jahr für angemessen hält, müsste auch die Realwirtschaft um 25 % wachsen. Sie wächst aber gar nicht oder mit Raten von einem, zwei, drei Prozent. Die letzte Reserve, die Zinsen doch noch irgendwie herauszupressen, ist die Verringerung der Löhne, das Anheben der Massensteuern, die Erfindung immer neuer Abgaben, die Beraubung der Rentenkassen, die Verschleuderung des Staatseigentums, die Privatisierung staatlichen Diensten, das Hinabstürzen ganzer Staaten ins Elend. Das "System" wird quasi kannibalisch. Das Profitmachen untergräbt die Basis des Profitmachens.
Immer mehr Leute kriegen das irgendwie mit. Die Einverstandenheit mit der "Marktwirtschaft" wird deutlich schwächer. Der Zukunftsoptimismus ist so ziemlich weg. In Deutschland, wo die Disfunktionalitäten noch weniger spürbar sind, weil sie auf andere Länder abgewälzt werden, wird viel gemurrt. In anderen Ländern beginnen die Menschen aufzustehen. Dort, wo das Elend auch in den reichsten Staaten schon länger eingezogen ist und sich in den Suburbs grosse Elendsinseln gebildet haben, wie in Grossbritannien und Frankreich, kommt es schon zu blindwütigen Erhebungen derer, die buchstäblich nichts mehr zu verlieren haben.
"Eine andere Welt ist möglich", heisst es. Aber welche ? Und wie wird sie geschaffen ? Von wem ? Gegen wen ? Das herauszufinden, wird dringlicher.