Ein Praesident fuer die Freiheit
Freiheit ist das politische Schlagwort, das Joachim Gauck am meisten benutzt. Es gibt selbst im buergerlichen Lager schon Stimmen, die dezent darauf hinweisen, dass diese Floskel gemaess der bundesdeutschen Staatsraeson doch stets mit einer anderen kombiniert werden muss - der von der sozialen Verantwortung. Das wird man ihm schon noch beibringen. "Soziale Kaelte" ist zwar in der Praxis angesagt, zu reden ist aber vom Mitnehmen der Schwachen und sozialer Partnerschaft, und so ein Bundespraesident ist schliesslich zum Reden da. Die handfesten Sachen machen die Manager der grossen Eigentuemer schon selbst.
Gauck wird verstehen. Er hat immer verstanden. In der DDR hat er den Sozialismus verstanden. Im neuen Grossdeutschland hat er das mit der Freiheit schon lang verstanden, und da noch irgendwie was Soziales hintendran zu flicken, wird eine seiner leichteren Uebungen sein. Worauf es ankommt, hat er ohnehin schon deutlich genug gesagt: Freiheit ist auch und vor allem wirtschaftliche Freiheit, also die Freiheit derer, denen die Wirtschaft gehoert. Darein haben sich die anderen zu schicken, denen die Wirtschaft nicht gehoert. Alle paar Jahre eine Konjunkturkrise, das Chaos des Marktes, die Freiheit des privaten Profitmachens und des Bezahlens der Risiken der systemrelevanten Privaten mit Steuergeldern, die Freiheit zur Zerstoerung des Planeten, die allgemeine Krise des Kapitalismus ? Klar. Wo bliebe sie denn sonst, die Freiheit ?! Zweifel am Kapitalismus sind laecherlich.
So ganz trifft Gauck den Zeitgeist damit nicht. Diese Zweifel reichen ja bis tief ins Buergertum hinein. Es ist ja mit Haenden zu greifen, dass es eine eigenartige Anschauung von Freiheit ist, wenn der Kapitalismus ganze Voelker neu ins Elend bringt und andere seit Menschengedenken darin haelt. Was sollen die zehn Millionen Leute ueber diese Freiheit denken, die im reichen Deutschland auf Hartz IV-Niveau leben muessen ? Die Leiharbeiter, die die selbe Arbeit machen wie die Kollegen von der Stammbelegschaft, aber bloss die Haelfte dafuer kriegen ? Die Arbeitslosen, die mit einem Federstrich irgendeines in voller Freiheit handelnden Mangaments zu solchen gemacht worden sind ?
Nun sagt man Gauck Opportunismus nach. Waere es, wenn dieser Vorwurf zutrifft, nicht folgerichtig, wenn er sich dem Zeitgeist des Zweifels anpassen wuerde ? Nein, waere es nicht. Der Opportunismus des Herrn Gauck ist naemlich genordet wie eine Kompassnadel. Der Pol, nach dem er sich richtet, ist die Macht. Ob die Maechtigen Kommunisten sind oder freiheitlich-demokratische Kapitalisten - ihm doch egal. Jeder muss halt sehen, wo er bleibt und sich sein Nestchen nach den Umstaenden richten. Ein gesunder Freiheitstrieb bringt es auch in einer DDR zur Reisefreiheit, fuer sich selbst, und wenn in einer BRD Kommunistenfressen einen geilen Job und karriereversprechenden Ruf bringt, muss man halt sehen, dass man knapp noch die Kurve vom SED-Guenstling zum Buergerrechtler kratzt. Schliesslich hat schon Kohl gesagt, dass das Fenster der Gelegenheit nur fuer einen geschichtlich kurzen Augenblick offenstand. Da heisst es schluepfen, von der einen Seite auf die andere. In die Freiheit.
Da ist er jetzt. Da haben wir in. Ein Fels in der Brandung. Hoffentlich kommen diese Kommunisten nicht wieder ans Ruder. Der beantragt glatt wieder einen VW-Bus.