Griechenland: Politische Entwicklungen, Kräfteverhältnisse im politischen System, Umgestaltungsprozesse

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Die griechische KP hat inVorbereitung ihres 19. Parteitags die Verhältnisse in Griechenland und ihren Zusammenhang mit dem weltweiten Imperialismus gründlich untersucht. Entwicklungstendenzen des Imperialismus und Charakteristika der Krise in Griechenland: link . Zahlenund Fakten zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung: link . Im Folgenden werden die politische Lage in Griechenland und die agierenden politischen Kräfte dargestellt (Quelle: http://de.kke.gr/news/news2013/2013-03-05-thesis/ ):

 

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Politische Entwicklungen, Kräfteverhältnis im politischen System, Umgestaltungsprozesse

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Die größte Schwäche bei der Ausübung der kapitalistischen Herrschaft zeigte sich bei der irregulären Beteiligung des Staates am internationalen Kapitalmarkt, aufgrund des rapiden Anwachsens der öffentlichen Verschuldung und der steilen Erhöhung der Marktzinssätze. Dadurch kam eine Unfähigkeit zur Schuldentilgung oder zur Schulderneuerung über den Markt zum Vorschein, was zur Kreditgewährung durch den Mechanismus des IWF und der EU führte.

Diese Funktionsschwierigkeiten haben jedoch die wichtigen Institutionen des kapitalistischen Systems in Griechenland nicht ins wirkliche Wanken gebracht. Sie spiegelten sich nicht einmal als Unfähigkeit des bürgerlichen Parlaments wieder, Regierungen zu unterstützen, die barbarische Abkommen und Memoranden sowie arbeiterfeindliche Gesetze zur Abstimmung einbrachten. Es sind noch keine Bedingungen einer offensichtlichen Unfähigkeit der staatlichen Apparate entstanden, es gab noch keine Abschwächung und keinen Wechsel bei den internationalen Bündnissen der kapitalistischen Herrschaft in Griechenland. Es besteht weiterhin ein Kräfteverhältnis zugunsten der Kräfte des Kapitalismus und zum Nachteil der Arbeiterklasse.

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Das bürgerliche politische System rüstet sich unter den herausfordernden Bedingungen der Krisenfolgen, aber auch als allgemeine Tendenz unabhängig davon, mit neuen repressiven staatlichen und parastaatlichen Apparaten und mit der Aufnahme noch reaktionärer und autoritärer Gesetze zur Zerschlagung der Arbeiter- und Volksbewegung.

Im Dienst der staatlichen Repression und Gewalt stehen die europäischen Repressionsmechanismen und die institutionelle Konsolidierung der imperialistischen Interventionen. In dieser Richtung werden die Funktion und die Rolle der Repressionsmechanismen der Europäischen Polizeibehörde (Europol), der Europäischen Einheit für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) und der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen (Frontex) benutzt. Es gibt eine stärkere Verbindung zwischen dem „Zivilschutz-Apparat“ und der „Klausel zur gegenseitigen Verteidigungshilfe und Solidarität“. Gestärkt werden die reaktionären Merkmale und die Aggressivität der EU für militärische Interventionen in ihren Mitgliedsländern unter den Vorwänden des „Terrorismus“, „der Zerstörung natürlicher und menschlicher Ressourcen“, von „Cyber-Angriffen“ u.a. Ziel ist die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der Schutz des bürgerlichen politischen Systems. Der volksfeindliche Angriff eskaliert mit der Verabschiedung von Aktionen gegen„Radikalismus“ und „extremistische Ideologien“ unter dem Vorwand des„Terrorismus“. Die Ideologie und die politische Aktivität, die die Grenzen des kapitalistischen Systems überschreiten, werden kriminalisiert, der Antikommunismus wird intensiviert und durch diverse Manipulationskanäle verbreitet. Es gibt vermehrt Abhör- und Datensammlungsmechanismen durch Anwendung neuer Technologien gegen radikale Kämpfer, so dass herkömmliche Überwachungsmittel an Bedeutung verlieren.

Die Entwicklung der gegenwärtigen Krise brachte Risse im bestehenden bürgerlichen politischen System und führte zu Funktionseinschränkungen bestimmter Mechanismen und Behörden des kapitalistischen Staates, wie z.B. Finanzämter, öffentlicher Krankenhäuser, Versicherungsanstalten und des öffentlichen Bildungswesens. In der Praxis heißt das, dass Institutionen geschwächt wurden, mittels derer der kapitalistische Staat die Kontrolle der Arbeiter- und Volksmassen durch seine direkte Beteiligung an der Reproduktion der Arbeitskraft sicherte.

Die bürgerliche Regierungsführung passte sich neuer Formen an. Trotz Gegensätze entstanden Koalitionen bürgerlicher Parteien, die sich jahrelang bei der Regierung abwechselten (Regierung unter L. Papadimos, unterstützt von PASOK [Panhellenische Sozialistische Bewegung], Nea Dimokratia und anfangs auch LAOS [Orthodoxer Volksalarm], danach die Regierung unter A. Samaras nach den Wahlen am 17.6.2012, unterstützt von Nea Dimokratia, PASOK und DIMAR [Demokratische Linke]). Eingeleitet wurde die Umgestaltung des bürgerlichen politischen Systems, deren Merkmal die Restaurierung der heutigen Sozialdemokratie ist. Das kam mit dem plötzlichen Stimmenanstieg von SYRIZA [Koalition der Radikalen Linke]zum Ausdruck, der von einer großen Anzahl von PASOK-Funktionären unterstützt wird und den größten Teil der PASOK-Stimmenverluste auffängt.

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Die politischen Gegensätze zwischen den Parteien, die eine promonopolistische Politik der Krisenverwaltung vertreten, zeigen sich als Auseinandersetzungen um verschiedene Formeln der Verwaltung, geld- und fiskalpolitisch einerseits und expansiv andererseits. Dieses findet unter dem Deckmantel der Auseinandersetzung zwischen einer liberalen und einer reformistisch-opportunistischen Verwaltungsform statt. Beide Formeln haben als gemeinsames Merkmal die Bedienung der Monopole und die Erholung der kapitalistischen Profitabilität, die objektiv zu einem neuen Krisenzyklus führen werden. Die Abwechslung des liberalen und des keynesianischen Verwaltungsmodells brachte während des gesamten 20. Jahrhunderts neue Zyklen von Wirtschaftskrisen, die die innerbürgerlichen und innerimperialistischen Gegensätze verschärften und zu zwei Weltkriegen führten. Auf der Basis der Abwechslung der Verwaltungsformeln wird die Umgestaltung des bürgerlichen politischen Systems vorangetrieben, so dass es mehr Möglichkeiten zu Regierungswechseln von koalierenden Parteien gibt.

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Weitere Merkmale der Umgestaltung des bürgerlichen politischen Systems sind die Intensivierung des staatlichen Antikommunismus, der Aufbau und die parlamentarische Vertretung des Nationalsozialismus/Faschismus, die Verschärfung des Autoritarismus und der staatlichen und parastaatlichen Repression. Zeitgleich wurde auch eine Umgestaltung der Funktionsweise des bürgerlichen Parlamentes eingeleitet, und Vorschläge zur Stärkung der Kompetenzen des Staatspräsidenten werden unterbreitet.

Die letzten Jahre und insbesondere die zwei letzten Wahlen brachten neue Parteien auf die politische Szene hervor, die sich im Spektrum des Nationalismus, des Rassismus und des Antikommunismus bewegen. Nationalistische Positionen vertritt auch die „Partei der Unabhängigen Griechen“.

Die Chrysi Avgi ist eine nationalsozialistische faschistische Organisation. Der Nationalsozialismus ist auf der Ebene der Ideologie die Fusion des Nationalismus mit kleinbürgerlichen „sozialistischen“Ansichten, die nichts mit der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus zu tun haben. Sie nutzt bestehende Probleme aus dem Anstieg der Zuwanderungsbewegung aus, deren größter Teil mit der Absicht nach Griechenland kommt, ins Europa-Innere weiter zu reisen. Die Chrysi Avgi stützt sich auf wichtige staatliche und parastaatliche Zellen mit dem Ziel, die KKE und die Arbeiterbewegung zu zerschlagen.

Die Chrysi Avgi ist Teil und eine Partei des bürgerlichen politischen Systems, sie ist eine Organisation der Bourgeoisie, des Kapitals. Sie ist das Vehikel, um mit Parolen angeblich gegen die Plutokratie und mit Demagogie unter Krisenbedingungen verschleierte reaktionäre Ideen in Arbeiter- und Volksschichten einzubringen. Sie nutzt die faschistische Demagogie und erinnert an Thesen und Praktiken der „Sturmabteilungen“ (SA), besonders in der Zeit vor dem Aufstieg Hitlers an die Macht. Sie propagiert die Überlegenheit der griechischen Nation über allen anderen, eine charakteristische These ist „Das griechische Blut über Alles“. Sie betrachtet die Migranten als Feind der „griechischen Rasse“, besonders die„Dunkelhäutigen“, „die Schwarzen“, die Zigeuner, so wie Hitler die Juden und andere.

Es entstehen weitere nationalistische Formationen, die untereinander ihre Kräfte wechseln.

Die Arbeiterklasse und ihre gesellschaftlichen Bündnispartner, die Selbstständigen, die Bauern, die radikalen Frauen und Jugendorganisationen müssen und können der Chrysi Avgi an den Arbeitsplätzen, den Stadtteilen und in ländlichen Gebieten entgegentreten.

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Weiteres Merkmal der Anpassung des bürgerlichen Staates und des bürgerlichen politischen Systems an die Bedürfnisse des Kapitals nach billigerer Arbeitskraft und Stärkung der Liberalisierung der Märkte waren auch die Verwaltungsreformen des „Kallikratis“-Gesetzes, das dem vorhergegangenen „Kapodistrias“-Gesetz und anderen institutionellen Reformen folgte.

„Kallikratis“ bestätigte zwei Jahre nach seiner Umsetzung die Position der KKE, dass es sich um eine notwendige Anpassung des griechischen kapitalistischen Staates an die aktuellen Bedingungen der kapitalistischen Entwicklung handelt. Es entsteht eine relative Dezentralisierung, eine Übergabe von Funktionen und Zuständigkeiten des Zentralstaates an die lokale Verwaltung, um die direktere Umsetzung und Ausweitung der promonopolistischen Politik extensiver und intensiver zu gestalten. Die lokale Verwaltung ist unabdingbarer Teil des kapitalistischen Staates, um folgende Ziele zu erreichen: Stärkung der unternehmerischen Aktivität und Konkurrenzfähigkeit, Kürzung der staatlichen Sozialausgaben im Gesundheits- und Bildungswesen, in der Landwirtschaft und im Personenverkehrswesen bei gleichzeitiger Steigerung der lokalen Steuern zulasten des werktätigen Volkes. Durch „Kallikratis“ erweitern sich die Möglichkeiten für billige flexible Arbeitskräfte und für die Abschaffung von Arbeitsrechten. Die Bildung wird an die Bedürfnisse der lokalen Unternehmen durch die Einführung „Flexibler Zonen“ und den Einstieg von Unternehmern als Sponsoren in die Schule mit Hilfe der Kommunen angepasst. Gefördert wird das „lebenslange Lernen“, dessen Ziel ist es, dass die Arbeitskräfte jeweils das lernen, was die Unternehmen brauchen.

In jeder Kommune, in jedem Wohnort, in jedem Dorf und in jeder Stadt ist eine Vielzahl politischer Kräfte aktiv. Es handelt sich dabei um alte und neue bürgerliche Parteifunktionäre, die Beziehungen zu Bürgermeistern, Regionalgouverneuren, Unternehmensleitern, Schulleitern, Krankenhausleitern, Kirchen, Industrie- und Handwerkskammern aber auch Nichtregierungsorganisationen (NGO) unterhalten. Die NGOˈs bilden ein engmaschiges Netz von Manipulation und Ausbeutung, das vom Staat, von Unternehmensgruppen und der EU als eine angeblich zeitgemäße Form der sozialen Organisation und der Solidarität unterstützt und gefördert wird. Das nährt Hoffnungen auf einen Arbeitsplatz und befindet sich in Gegensatz zur organisierten Arbeiter- und Volksbewegung.

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