Löhne in Deutschland: Tendenz fallend
Die Krise ist überwunden ? Die Wirtschaft brummt ? - Das stimmt nicht einmal für die Kapitalisten. Kein einziges der "Finanzprobleme" ist gelöst. Die Privatschulden der Spekulanten, allen voran der "systemrelevanten" Grossbanken, wurden auf den Staat überwälzt. Die deutsche "Exportoffensive" drückt die Konkurrenz in den anderen EU-Staaten an die Wand. Die Funktion des Staates als letzter Instanz der Kreditsicherheit ist in einem Mass in Anspruch genommen, dass nicht mehr viel passieren darf. Die Staatsgarantien gleichen einer Deichmauer, die die Massen uneinbringlicher Forderungen gerade noch hält. Das Reissen der Kreditketten im Weltmassstab und der Zusammenbruch des Währungssystems ist nicht unwahrscheinlicher geworden, sondern wahrscheinlicher.
Noch weniger kann für die Lohnabhängigen von einem Ende der Krise die Rede sein. Trotz nominaler Lohnsteigerungen in einigen Sektoren, in denen die Tarifverträge noch halten, sinken die Löhne weiter. Die Lohnerhöhungen - die es im "Sektor Billiglöhne" gar nicht gibt -werden von steigenden Preisen und höheren Massensteuern und Sozialabgaben mehr als aufgefressen.
Hier einige Zahlen zur Lohnentwicklung in Deutschland im letzten Jahrzehnt:
Deutschland ist neben Japan das einzige Industrieland, bei dem im vergangenen Jahrzehnt die Reallöhne sanken. Wie die Internationale Arbeitsorganisation ILO in ihrem "Global Wage Report 2010/11" feststellt sind die preisbereinigten globalen Durchschnittslöhne von 2000 bis 2009 um knapp ein Viertel gestiegen. In Japan dagegen sind sie um 1,8 % gesunken, in Deutschland gar um 4,5 %. Spitze!
Und die ILO schreibt dazu: "Neben den moderaten Tarifabschlüssen der vergangenen Jahre sind die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Zunahme atypischer Beschäftigungsformen - wie Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs - wesentliche Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands" (Global Wage Report, Datenblatt Deutschland, S.2/4). Unter atypischer Beschäftigung werden nach der Definition des Statistischen Bundesamtes alle abhängigen Beschäftigten verstanden, die eines oder mehrere der folgenden Kriterien aufweisen: Befristung, Teilzeitbeschäftigung mit 20 oder weniger Stunden, Zeitarbeitsverhältnis, geringfügige Beschäftigung. Die Zahl der Menschen in atypischer Beschäftigung ist in Deutschland von 5,29 Millionen im Jahr 1998 auf 7,72 Millionen im Jahr 2008 angestiegen - + 46 % - während gleichzeitig die Zahl der Normalarbeitnehmer von 23,71 Millionen (1998) auf 22,93 Millionen gesunken ist (destatis, Pressegespräch, 19.8.09). Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liegen die Stundenverdienste atypisch Beschäftigter rund ein Drittel unter denen von Normalarbeitnehmern.
Wie die ILO weiter feststellt, gehört Deutschland neben Argentinien, Spanien, Polen und Südkorea zu den Ländern, in denen der Niedriglohnbereich am schnellsten gewachsen ist. Nach Untersuchungen des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ), waren 2008 18,4 % aller Beschäftigten oder 6,55 Millionen Personen im Niedriglohnsektor angesiedelt: knapp 13 % aller Vollzeitbeschäftigten, 25 % der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten, fast 40 % der befristet Beschäftigten und 86 % der Minijobber (nach WSI, 12/2010, S. 638). "Bemerkenswert ist dabei nicht die gestiegene Zahl der Niedriglohnempfänger; mindestens ebenso problematisch ist nach IAQ ihr gleichzeitig gesunkenes Durchschnittseinkommen. Es findet eine Armutsintensivierung in der sich ausbreitenden Armut trotz Arbeit statt" (ebenda).
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