Lukas Zeise: Währungsgeplänkel

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Währungsgeplänkel

 

Ökonomie. Die offen zutage tretenden Konflikte der Regierenden zeigen deren Ratlosigkeit, mit der Krise umzugehen

 

Von Lucas Zeise

 

Ein Krieg der Währungen oder mit Hilfe der Währungen ist das noch nicht. Eher Geplänkel. Zwar lassen die Regierungen der großen kapitalistischen Staaten zunehmend diplomatische Umgangsformen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Währungspolitik sein. Die Kompromißformeln auf den Gipfeltreffen werden noch vager als ohnehin. Es wird verschnörkelt darum herumgeredet, wenn die Führungsmacht USA ihre Interessen durchzusetzen wünscht oder die Zweit- und Drittländer dagegen aufbegehren. Aber das hat noch keine neue Qualität. Vielmehr kennzeichnet zunehmende Ratlosigkeit die Lage. Das politische Personal weiß wirtschaftspolitisch nicht mehr weiter. Volk und herrschende Klasse sind mit den Ergebnissen der bisherigen Politik nicht zufrieden. Das gilt für alle Metropolregionen des Kapitalismus. Da wächst die Versuchung, es mit anderen Mitteln als bisher zu probieren. Radikalere, rechte Auswege aus der sich vertiefenden Wirtschaftskrise schließen die Option des realen Krieges immer mit ein.

Der Finanzminister Brasiliens, Guido Mantega, war es, der vor einem internationalen »Währungskrieg« gewarnt hat. Der Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, schlägt allen Ernstes vor, die Währungen an das Gold zu koppeln. Die US-Regierung machte vor dem Treffen der G-20-Regierungen in Seoul Anfang November den Vorschlag, alle Länder sollten bestimmte Grenzen in ihren Zahlungsbilanzsalden anstreben und einhalten. Der Vorschlag wurde in Seoul abgeschmettert. Es ist eher ungewöhnlich, daß die anderen kapitalistischen Staaten den Wünschen der Führungsmacht nicht folgen. Typisch für die aufmüpfige Haltung ist die Bemerkung des deutschen Wirtschaftsministers, der amerikanische Vorschlag sei »Rückfall in planwirtschaftliches Denken«.

Dem Betrachter drängt sich der Eindruck auf, die Zahlungs- und Handelsbilanzungleichgewichte stünden im Zentrum der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Regierungen versuchten nun, durch Manipulation der Währungsrelationen Vorteile auf Kosten anderer Länder herauszuschlagen. Man verweist dabei gern auch auf die große Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Damals hätten die Länder ihre Währungen abgewertet, um die Importe zu drosseln, was einen Abwertungswettlauf in Gang gesetzt habe, in dessen Verlauf alle die Verlierer waren. Nach einer Phase fester Wechselkurse gemäß dem Abkommen von Bretton Woods (1944 bis 1971) folgte eine Periode sehr starker Wechselkursschwankungen. Von einem Währungskrieg konnte allerdings keine Rede sein. Vielmehr manipulierte die US-Regierung den Dollar-Kurs gemäß ihren eigenen Bedürfnissen. Berühmt ist der Satz des Finanzministers John Connally in der Regierung Nixon, »der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem«, der die Situation treffend beschrieb. Die Schwankungen des Dollar machten den Europäern große Kopfzerbrechen. Vor allem in Phasen der Dollar-Schwäche wurde die D-Mark nicht nur gegenüber dem Dollar teurer, sondern auch gegenüber vielen anderen europäischen Währungen. Damit litt auch der innereuropäische Handel unter den erratischen Schwankungen des Dollars. Die Reaktion darauf war die Schaffung eines Systems fester Wechselkurse in Europa unter Führung der D-Mark und schließlich die einer gemeinsamen Währung.

1985 kam es zur sogenannten Plaza-Übereinkunft. Im New Yorker Hotel Plaza trafen sich die Finanzminister der damals fünf wichtigsten kapitalistischen Staaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Es ging vor allem um das Verhältnis Dollar/Yen. Die US-amerikanische Regierung wollte eine Yen-Aufwertung, um das immer größer werdende Handels- und Leistungsbilanzdefizit mit Japan zu begrenzen. Im Alleingang ließ sich das nicht bewerkstelligen. Mit politischem Druck kam es zu einer Übereinkunft, die von den beteiligten Notenbanken koordiniert auf den Devisenmärkten durchgesetzt wurde. Zwei Jahre später war die japanische Währung im Vergleich zum Dollar um 50 Prozent teurer. Es folgte die Periode des japanischen Wahnsinns. Alle Spekulanten der Welt glaubten, Japan werde immer so stark wachsen wie in jener Zeit. Das Kapital strömte ins Land. Die Preise am japanischen Immobilien- und Aktienmarkt vervielfachten sich. Das Grundstück, auf dem in Tokio der Kaiserpalast steht, war so teuer wie ganz Kalifornien. Bekanntlich platzte diese Blase zum Jahreswechsel 1989/90. Seitdem befindet sich die Volkswirtschaft Japans in einer Dauerstagnation.

Es wird behauptet, das Plaza-Abkommen und die damals verabredete Aufwertung des Yen habe die Blase der Vermögenspreise in Japan verursacht. Daran sollte man zweifeln. Man kann aber schwächer formulieren: Ohne die Yen-Aufwertung wäre es nicht zu einer derartig verheerenden Aufblähung der Vermögenspreise gekommen.

 

China in der Rolle Japans

 

Die Parallelen zur heutigen Situation sind offensichtlich. Die USA sind heute in einer ähnlichen Lage wie anno 1985. Das Leistungsbilanzdefizit des Landes übertraf damals allerdings gerade die Marke von drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Heute hält sich diese Kennziffer hartnäckig bei sechs Prozent. Die frühere Rolle Japans wird heute von China übernommen. Wie einst Japan weist heute China ein rasantes Wirtschaftswachstum auf und gilt als das gelobte Land aller Investoren. Wie Japan damals ist die Wirtschaftsentwicklung vor allem exportgetrieben. Die Leistungsüberschüsse sind gigantisch. Wie damals beim Yen will die US-Regierung heute eine Aufwertung der chinesischen Währung Renminbi erreichen. Sie bezichtigt die chinesische Regierung schon seit Jahren der Währungsmanipulation. Sie wirft ihr vor, daß sie den Kurs der eigenen Währung zu Dollar, Euro, Yen usw. nicht dem freien Spiel des Devisenhandels überläßt, sondern sie von der Zentralbank steuern läßt. Der Vorwurf an sich ist albern. Schließlich gibt es keine Übereinkunft, die Regierungen verpflichtet, den Wechselkurs dem Devisenhandel zu überlassen. Er ist auch deshalb albern, weil, wie gezeigt, die US-Regierung schon gehörig am Devisenmarkt interveniert hat.

Ein wesentlicher Unterschied zur Situation der 80er Jahre fällt allerdings auf. Die chinesische Regierung kann nicht so leicht unter Druck gesetzt werden wie damals – und natürlich unverändert auch heute – die japanische. Daher der schrille Tonfall in Washington. Daher auch der durchaus berechtigte Eindruck der politischen Kommentatoren, daß man in Seoul einer Niederlage Washingtons beiwohnen durfte. Der Vorschlag Washingtons, bestimmte Zielvorgaben für die Höhe der Zahlungsbilanzsalden vorzugeben, wurde, wie gesagt, abgeschmettert. Rainer Brüderle und das Zentralkomittee der KP Chinas in trauter Harmonie sozusagen, vereint gegen die imperialistische Hauptmacht.

Wenn man die Auseinandersetzung danach beurteilt, wie die Weltwirtschaft aus ihrer tiefen Krise am besten zu lotsen ist, haben allerdings die Vorschläge Washingtons ein deutliches Plus. Da es sich um eine für den Kapitalismus typische Überakkumulationskrise handelt, es also relativ zum Warenangebot zu wenig effektive, das heißt zahlungskräftige Nachfrage gibt, scheint es durchaus vernünftig, von jenen Ländern, die hohe Exportüberschüsse erzielen, die Entwicklung ihres inneren Marktes zu verlangen. Genau darauf zielen die Vorschläge Washingtons. China und Deutschland sollen mehr importieren. Beider Länder Leistungsbilanz ist satt im Überschuß. Damit häufen diese Länder Kapital- oder Geldreserven an. Wenn sie diese für produzierte Waren in aller Welt ausgeben würden, wäre der Ausweg aus der Überproduktions- und Überakkumulationskrise möglicherweise gefunden.

 

Ungleiche Exportweltmeister

 

Hier vielleicht zwei Anmerkungen über die beiden Exportweltmeister. Es gibt da viele Unterschiede. Besonders interessant ist aber im Zusammenhang mit der Wirkung auf die Weltwirtschaft, daß China die Überschüsse bei der Zentralbank aufhäuft, weil diese ja, um den Wechselkurs zu halten, alles reichlich ins Land strömende Geld in Renminbi umtauscht. Die (nutzlos herumliegenden) Reserven dieser Zentralbank haben sich nun auf sagenhafte 2,6 Billionen (nicht amerikanische billions, sondern »richtige« deutsche, also 2600 Milliarden) Dollar aufgehäuft, die etwa der Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes entsprechen. In Deutschland ist das alles besser. Da wird der laufend hereinfließende Überschuß der Leistungsbilanz nicht bei der Zentralbank nutzlos angehäuft, sondern über den effizienten, vorwiegend privat organisierten Finanzsektor wieder ins Ausland geschleust in Form von amerikanischen Subprime-Hypotheken, Collateralized Debt Obligations, Anleihen des griechischen Staates oder irischer Banken. Während also die Chinesen niedrig verzinste Dollar-Staatsanleihen sammeln, die ihnen in dem Maße Verluste bescheren, wie der Dollar abwertet, investieren die deutschen Finanzinstitutionen in höher verzinsliche Titel. Die Verluste darauf dürften allerdings seit der Finanzkrise auch höher gewesen sein als die chinesischen. Gemeinsam ist beiden Nationen, daß sie nicht in der Lage sind, die hohe Sparleistung im Inland komplett zum Wohle der eigenen Volkswirtschaft einzusetzen, sondern es Ausländern ermöglichen, sich zu verschulden.

Der zweite Unterschied besteht darin, daß die deutsche Wirtschaft seit 1999 Teil der Euro-Zone ist und als solche statistisch-real erfaßt wird. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuß wird also, bevor er auf dem Weltmarkt statistisch erscheint, mit den Leistungsbilanzdefiziten anderer Länder der Euro-Zone, beispielweise Spaniens, Griechenlands und Italiens saldiert. Die Euro-Zone als Ganzes kommt gegenüber dem Rest der Welt ziemlich ausgeglichen daher. In der Auseinandersetzung mit den USA mag das Verschwinden des deutschen Überschusses in Euro-Land ein taktischer Vorteil sein. Real bedeutet es, daß die deutschen Überschüsse im relativ zur Weltwirtschaft ziemlich kleinen Gebiet des Geltungsbereichs des Euro verheerende Auswirkungen haben.

 

Rückfall in die Rezession

 

 

 

Für die US-amerikanische Volkswirtschaft wird die Lage schwieriger. Dank massiver schuldenfinanzierter, staatlicher Konjunkturprogramme in aller Welt (sogar in Deutschland), vor allem aber in den USA selbst hatte sich nach dem ersten Krisenanfall 2008 die Lage stabilisiert. Produktion und Aufträge zeigten mäßige Aufwärtstendenzen. Die Gewinne erholten sich recht zügig. Nur die Erwerbslosigkeit ging nicht zurück. Dank des flexiblen Arbeitsmarktes in den USA, wo es Unternehmern noch leichter möglich ist, schnell Arbeitskräfte zu entlassen, war sie mit Eintritt der Krise dramatisch nach oben geschnellt – nach offiziellen Statistiken zehn Prozent. In Wirklichkeit ist sie mindestens doppelt so hoch. Die Arbeitsmarktstatistik wird in den USA ebenso geschönt wie in Deutschland. Auch die Immobilienpreise geben weiter nach. Der Konsum, früher die Stütze von US- und sogar Weltwirtschaft, stagniert. Die Konjunkturprogramme laufen 2011 aus. Wenn das der Fall ist, ist ein Rückfall in die Rezession wahrscheinlich.

In dieser Lage fällt den Wirtschaftspolitikern in den USA immer der gleiche Ausweg ein. Er lautet: den Finanzsektor aufplustern, die Spekulation anheizen, die Preise für Vermögenstitel hochjagen. Diese Politik hat dreißig Jahre lang ganz gut funktioniert. Sie besteht im Kern darin, Reichtumsillusion zu erzeugen. Wenn die Preise für Immobilien und Aktien steigen, ändert sich zwar nichts in der realen Welt. Aber die Immobilienbesitzer und Aktienspekulanten fühlen sich reicher. Der Effekt wirkt auch auf das einfache Volk. Bei hohen Aktienpreisen winkt den Beschäftigten eine höhere Rente aus ihren aktienbasierten Pensionsfonds. Wenn der Verkehrswert des Eigenheims steigt, kann der Eigentümer eine zweite Hypothek aufnehmen, um die Arztrechnung zu bezahlen oder das Dach zu reparieren.

Wie treibt man Aktien und Vermögenspreise nach oben? Im Kern bedient man sich eines Hochstaplertricks. In Deutschland heißt der Trick, ein günstiges Investitionsklima zu schaffen. In den USA nannte ihn der Finanzminister unter William Clinton, Robert Rubin, »Politik des starken Dollar«. In seiner Zeit war der Dollar tatsächlich eine Weile lang stark. Die USA saugten in jener Zeit stärker Kapital an, als sie Geld im Wege der negativen Leistungsbilanz verloren. Mit dem Klima- oder Dollar-Trick wird den Kapitaleigentümern in aller Welt vorgegaukelt, es könnten auf Dauer die Löhne und Steuern niedrig, die Profitraten deshalb hoch, gleichzeitig aber auch die Wachstumsraten hoch sein. So lockt man das Kapital aus der Reserve. So erreicht man es, daß investiert wird, daß Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen werden. Es steigen die Preise von Aktien und Immobilien. Die Leute (Haushalte und Unternehmer) werden gefühlt reicher. Da fällt es nicht mehr stark ins Gewicht, daß die Löhne trotz allen Wachstums mäßig bleiben und eigentlich nicht ausreichen, um die munter steigende Warenmenge zu kaufen. Wer reich ist oder sich dank hoher erwarteter Pensionszahlungen und hohem Wiederverkaufswert seines bewohnbaren Holzbungalows so fühlt, kann leicht Schulden machen und so den Laden auch auf der Nachfrageseite am Laufen halten.

 

Viel frisches Geld ins System

 

Gelegentlich, wenn an der schönen Welt Zweifel auftauchen, wenn die Investitionsneigung nachläßt und/oder die Aktienkurse unschön fallen, statt zu steigen, muß ein wenig nachgeholfen werden. Dann muß ein wenig Geld ins System gepumpt werden. In normalen Zeiten macht die Notenbank das, indem sie die Zinsen senkt. In normalen Zeiten reicht das, um die Banken dazu zu veranlassen, das billige Geld von der Notenbank zu nehmen und es als Kredit – höher verzinslich und profitabel, versteht sich – in alle möglichen Geschäfte zu stecken. Das Geld kam immer auch am Aktienmarkt an und sorgte dort für höhere Preise. Die Zeiten sind allerdings nicht normal. Der Zins der US-Notenbank steht schon seit 2008 bei praktisch null. Doch wird das billige Geld nicht in ausreichendem Maße abgerufen. Die Banken haben keine profitable Verwendung dafür. So greift die Notenbank zu drastischen Mitteln. Sie wartet nicht, ob frisches Geld bei ihr abgerufen wird. Sie drückt es vielmehr aktiv ins Bankensystem. Sie kauft den Banken deren Staatsanleihen und Hypotheken ab. Kurz vor dem Treffen der G-20 in Seoul verkündete die Notenbank, daß sie auf diesem Weg im nächsten halben Jahr 600 Milliarden frisch geschöpfte Dollar ins Bankensystem pumpen werde.

Viele Kommentatoren dieser Politik empören sich über die Tatsache, daß die US-Notenbank nun zum »Gelddrucken«, zur Geldschöpfung aus dem Nichts übergegangen sei. Das ist ein lächerlicher Vorwurf. Das Gelddrucken und Geldschöpfen aus dem Nichts ist das normale Geschäft der Notenbanken, die in kapitalistischen Staaten das Notenbankprivileg haben. Die Frage ist immer, wieviel von frischem Geld wird in welcher ökonomischen Lage geschöpft, und die noch wichtigere Frage ist, was geschieht mit dem neu geschöpften Geld. Wird es in Kredite an Unternehmer, Verbraucher und den Staat weitergeleitet? In einer wachsenden Wirtschaft ist das ganz überwiegend der Fall. Die US-Wirtschaft befindet sich allerdings im Krisenmodus. Unternehmer und Verbraucher können und wollen sich nicht weiter verschulden. Bleibt noch der Staat, der das Tempo der Neuverschuldung im bisherigen Krisenverlauf allerdings nicht mehr lange aufrechterhalten kann. Ein großer Teil des frischen Geldes wird deshalb im Finanzsektor verbleiben und dort, was beabsichtigt ist, für entsprechend steigende Preise von Aktien, Bonds, Immobilien und Rohstoffen sorgen.

Ein noch größerer Teil geht außer Landes und treibt die Vermögenspreise in aller Welt, vor allem in den noch schnell wachsenden Schwellenländern nach oben. Dieser Effekt wurde schon ein Jahrzehnt lang durchgespielt. Im stagnierenden Japan vor und nach der Jahrtausendwende pumpte die Notenbank ähnlich üppig wie jetzt die US-amerikanische Geld ins Bankensystem. So wurde es profitable Mode nicht nur bei Hedge-Fonds in aller Welt, sondern auch bei Hausfrauen in Tokio, Zahnärzten in Belgien oder Autohändlern in Kalifornien, sich einen Kredit in Yen zu sensationell niedrigen Zinsen zu besorgen, das Geld in eine andere Währung zu tauschen und es dann im Zielland irgendwo, aber jedenfalls höher rentierlich anzulegen. Ein Nebeneffekt der Sache war es, daß der Yen dank der Umtauschgeschäfte am Devisenmarkt immer schwächer wurde. Ein zweiter, daß die Aktienkurse in aller Welt außer in Japan nach oben zogen. Die Banker nennen diese Art Währungsspekulation Carry-Trade. Er findet jetzt auf erweiterter Stufenleiter von den USA aus statt. Der Dollar wird schwächer. Vielmehr er würde auch gegen den Euro schwächer werden, wenn in Europa nicht eine Staatsschuldenkrise inszeniert würde, die den Euro schwach und den Dollar wie eine stabile Währung erscheinen läßt.

Wird mit den 600 Milliarden Dollar mehr in der Welt denn wenigstens Inflation erreicht? Das sei schließlich das eigentliche Anliegen hinter der Aktion, bemerken Kritiker und Befürworter mit Recht. Inflation, also die laufende Entwertung des Geldes, stellt sich als ein möglicher Ausweg aus der Krise dar. Mit Inflation würden die Eigentümer von Finanzvermögen geschädigt, die Schuldner aber entlastet. Da der Staat zur Zeit Hauptschuldner ist, wären die Vorteile für den Staatshaushalt am größten. Da die USA als Volkswirtschaft massiv gegenüber dem Ausland verschuldet sind, und zwar in eigener Währung, dem Dollar, fiele der größte Schaden einer Dollar-Inflation bei den Vermögensbesitzern im Ausland an. Das trifft in ganz besonderem Maße auf die Volksrepublik China zu. Von den 2,6 Billionen Reserven der chinesischen Zentralbank wird der überwiegende Teil in Dollar, vor allem in Anleihen des Washingtoner Finanzministeriums, gehalten. Es ist fast erstaunlich, wie milde angesichts des drohenden Vermögensverlustes die Proteste aus China gegen die inflationsfördernde Politik in Washington ausfallen. Realistisch schätzt die chinesische Regierung wohl ein, daß ihr die USA als Absatzmarkt weit wichtiger sind als der Wert ihrer Währungsreserven. Verluste darauf sind als Kosten der Exportförderung zu verbuchen.

 

Rechtsschwenk wird vorbereitet

 

Zumal aus der drastischen Geldvermehrungsaktion nicht einmal der »Erfolg« einer Inflation ernsthaft prognostiziert werden kann. Zum einen kommt das viele Geld nicht bei denen an, die davon mehr Güter des täglichen Bedarfs kaufen würden. Ohne zusätzliche effektive Nachfrage können Produzenten und Handel aber auf breiter Front die Preise nicht erhöhen. Der zweite Grund besteht darin, daß gerade der Finanzsektor kein Interesse an einer Entwertung der Schulden haben kann. Weil das so ist, kommt die Politik der US-Notenbank politisch von rechts unter Druck. Ihr Chef, Ben Bernanke, ist zwar selber Republikaner. Er dürfte aber von der seit den Wahlen im November etablierten und noch weiter nach rechts gerückten Mehrheitsfraktion der Republikaner im Repräsentantenhaus ausgebremst werden, sollte er weitere Geldausschüttungsaktionen planen.

Die Lage der USA ist ähnlich schwierig wie in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als Präsident Nixon die formale Führerschaft des Dollars und die Goldbindung aufgeben mußte, die Städte pleite gingen und brannten und die Inflation in Richtung 20 Prozent lief. Damals unternahm die herrschende Klasse eine Rechtswende hin zu einer Politik, die heute Neoliberalismus genannt wird. Der noch vom Demokraten James Carter ernannte Notenbankchef Paul Volcker leitete mit Hochzinspolitik eine Rezession ein, die dem Steigen der Löhne ein Ende setzte. Der nächste Präsident Ronald Reagan zerschlug die Reste der Gewerkschaftsmacht, baute den Sozialstaat weiter ab und plünderte den Staatshaushalt mit massiv erhöhten Rüstungsausgaben und Steuersenkungen für die Begüterten aus. Einen ähnlichen Rechtsschwenk wie damals scheint die herrschende Klasse in den USA vorzubereiten. Der Krieg, von dem jetzt so locker die Rede ist, würde dann auch stattfinden.

Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der Financial Times Deutschland. Zuletzt erschien von ihm »Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus«, 192 Seiten, brosch., 12,90 Euro, PapyRossa Verlag, Köln 2010 (auch im jW-Shop erhältlich)

 

 

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