SPIEGEL - BILD: Pack schlägt sich, ...

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

In der Causa Dr. von und zu Guttenberg gibt es in der Mainstream-Presse eine deutliche Fraktionierung - und zwar nicht die übliche, in der der eher stramm rechte Block aus dem Hause Springer mit der FAZ Schulter an Schulter stehen, während die Süddeutsche und die taz einen halben Schritt beiseite treten und diese Kühnheit als liberal oder gar links verkaufen und DER SPIEGEL nationalliberal, unabhängig, wie er ist, irgendwie den Platz dazwischen einnnimt. Nein, im Fall des Dr. Guttenberg fraktionieren FAZ und SPIEGEL gegen Springer. DER SPIEGEL, die BILD für die gehobenen Stände, zofft sich mit der Pöbel-BILD.

 

Warum ? Worum geht der Streit ?

 

Das wird in diesem Text auf den Punkt gebracht:

 

der Volks.Tribun
"Spiegel" versus "Bild": Streit um Guttenberg geht weiter
 
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von secarts

Minister Doktor zu Guttenberg ist kein Doktor mehr. Aber immer noch ein "von und zu", und immer noch Minister: einen akademischen Grad können Universitäten aberkennen, einen Adelstitel oder einen Ministerposten nicht. Ersteres wäre ein Fall für die bürgerliche Revolution gewesen. Die fand, frei nach Kurt Tucholsky, in Deutschland allerdings aufgrund schlechter Witterung nicht in der Politik statt, sondern nur in der Musik. Und Letzteres verliert man heutzutage nicht mehr einfach nur deshalb, weil die "FAZ" und der "Spiegel" dies für angeraten halten. Dementsprechend schlecht ist die Laune im "Spiegel"-Haus an der Alster: trotz aller Bemühungen, Guttenberg - nachdem er alle Kunduz-, Gorch Fock- und Feldpost-Skandale ausgesessen hatte - doch noch zu erledigen, bleibt der Mann einfach im Amt, und seine Popularitätskurve steigt obendrein. Als publizistisches Feindbild hat das Hamburger Magazin deshalb die "Bild"-Zeitung ausgemacht - sie ist es, die Guttenberg flankiert und schützt, und so titelt der aktuelle "Spiegel" von heute: "BILD: Die Brandstifter".

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"Spiegel"-Titel vom 28.02.2011: "BILD - die Brandstifter".
Das ist nicht deshalb interessant, weil im Heft irgendwas stünde, was bisher niemand über "Bild" & Co. wusste - der Artikel ist inhaltlich schwach und mit heißer Nadel gestrickt, über die appellatorische Ebene und einen light-Aufguss der "BildBlog"-Eigendarstellung kommt er nicht hinaus (umso alberner das Argument in der "Spiegel"-Hausmitteilung, der Artikel sei bisher aus Rücksicht auf die BILD-Kollegen, die erst jüngst aus dem Iran freigelassen wurden, "zurückgehalten" worden). Aber es geht nicht darum, den Wiedergänger des Hans Esser zu machen, in dessen Rolle einst Günther Wallraff dem Springer-Konzern zusetzte. Der "Spiegel" hat ja nichts gegen Boulevard, das hat er nie gehabt. Er hat nur etwas gegen gegen diejenigen Teile aus CDU und CSU, die einer anderen Agenda folgen als die Macher des Hamburger "Sturmgeschützes".
Dennoch sind derartige Töne neu, respektive seit den 60er Jahren nicht mehr in derartiger Schärfe zu vernehmen gewesen, als Rudolf Augstein zeitweise die Hoffnung hegte, dem mächtigen Konkurrenten Axel C. Springer unter Zuhilfenahme der rebellierenden Studenten den Garaus machen zu können. Der "Spiegel" greift "BILD", also den Springer-Konzern und die dahinter stehenden politischen und wirtschaftlichen Kreise direkt an und wirft ihnen im Wesentlichen vor, leichtfertig mit dem parlamentarischen Betrieb umzugehen und einzelne Politiker parteiisch hochzuschreiben: "Die Zeitung teilt sich die Rolle eines deutschen Leitmediums zu, tatsächlich übernimmt sie immer wieder die Rolle einer rechtspopulistischen Partei, die im deutschen Politikbetrieb fehlt". Ob daraus jetzt zu schlussfolgern ist, dass eine solche Partei schleunigst gegründet werden sollte, damit "Bild" zum offiziellen Zentralorgan geadelt werden kann, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. An Einem lässt der "Spiegel" keinen Zweifel: Guttenberg darf es nicht sein, der einer solchen Bewegung das Gesicht gibt.

Nicht, dass der "Spiegel" prinzipiell demokratischer wäre - die nun ebenfalls der "Bild" in die Schuhe geschobene Sarrazin-Kampagne wurde schließlich vom "Spiegel" fröhlich mit inszeniert, unter anderem durch Vorabdrucke von Sarrazins Buch (ganz genauso wie in der "Bild"). Auch bei der Hatz auf die "Pleite-Griechen" bliesen "Spiegel" und "Bild" ins gleiche Horn, differenziert nur in der Diktion, also aufbereitet für den Hartz-IV-Empfänger im einen, für den arrivierten Bildungsbürger im anderen Blatt. Im Fall Guttenberg stehen die beiden Medien allerdings auf ganz verschiedenen Seiten der Front. Guttenberg ist ein Pro-Atlantiker, der das Bündnis mit den USA längerfristig für unverzichtbar hält, und der Springer-Konzern mit "Bild" als Feldhaubitze verfolgt die gleiche Richtung. Der "Spiegel" hingegen neigt zur deutschnationalen Attitüde, ist ebenso antiamerikanisch wie antichinesisch oder antirussisch, und war dies eigentlich schon immer - nur, dass der damalige "Spiegel"-Herausgeber Augstein in der alten BRD zum Opfer einer fortgesetzten tragikomischen Verwechslung wurde. Der eigentlich bis ins Mark preußisch-national denkende Hannoveraner konnte tun, was er wollte: in einer Zeit, als die westdeutschen Eliten die Teilung des Landes inklusive Oberkommando der USA in Kauf nahmen, geriet er mit seinem Programm des "ganzen Deutschland" immer wieder in den Ruch, mit demokratischen, gar linksliberalen Umtrieben zu liebäugeln.

Mit solchen falschen Zuordnungen hat der "Spiegel" in den vergangenen Jahrzehnten effektiv aufgeräumt. Und so sollte es nicht Wunder nehmen, dass es auch diesmal, im Falle des umstrittenen Freiherren und seiner Franctireurs von der Yellow Press, nicht um die hehre Demokratie geht, sondern um handfeste politische und strategische Weichenstellungen. Eine hochpolitische Frage wie die des Verbleibs Guttenbergs, eines exponierten Vertreters eines bis tief ins Bürgertum umstrittenen Kurses, in Amt und Würden wird vor der lächerlichen Kulisse akademischer Ehrenhändel ausgefochten, während niemand an dem Mann und seiner Politik das kritisiert, was zu kritisieren wäre: die Militarisierung des Inneren, die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Aufstellung von Söldnerheeren und Verdingung von Landsknechtstypen, die uns ins Haus stehen, von Guttenberg und "Bild" vorbereitet, ausgeführt und bejubelt. Solche Themen drohen gar nicht in die Debatte zu kommen, solange sich alle noch trefflich um das Für und Wider bürgerlicher Gepflogenheiten streiten können. Auch der "Spiegel" bleibt hier hängen, selbst wenn die Darstellung der Rolle Merkels durch das Blatt noch halbwegs plausibel erscheint: Sie zaudere und zögere im Umgang mit Guttenberg, weil sie sich in einem Widerspruch zwischen eigentlich ähnlichen politischen Interessen, aber deutlichen Unterschieden in der Wahl der Mittel und Methoden befände. Nach dieser Versachlichung der "Spiegel"-Sprache könnte man noch hintanfügen, dass beide zwar Sprachrohre derselben - gerne "transatlantisch" genannten - Fraktion sind, aber tendenziell in der Frage, ob die parlamentarische Demokratie ihre Zwecke noch erfüllen kann, oder ob sie bereits jetzt sukzessive in eine Art massenmedial legitimierte Tribunatsherrschaft umzuwandeln ist, uneinig sind. Wie zugespitzt diese Auseinandersetzung (quer durch die Parteien) in der Bourgeoisie verläuft, müht sich "Spiegel Online", das Boulevardportal des Printmediums, tagtäglich zu belegen. So wird beispielsweise Norbert Lammert, als Bundestagspräsident der formal zweit-ranghöchste Deutsche, als vehementer Kritiker Guttenbergs eingeordnet: "Lammert war zu Gast in der SPD-Arbeitsgruppe 'Demokratie', als er von sich aus, so erzählen es Teilnehmer, auf die Causa Guttenberg zu sprechen kam. Diese sei ein 'Sargnagel' für das Vertrauen in die Demokratie, soll er geschimpft haben. Auch die umständliche Strategie der Opposition in der Fragestunde habe ihn irritiert. Er hätte den Minister schlicht und einfach gefragt, wie viele Fehler er denn nach Lektüre seiner Doktorarbeit letztlich gefunden habe, wird Lammert wiedergegeben. Manch ein Genosse nahm den Satz förmlich als Ratschlag auf, wie der Minister zu packen sein könnte", hat "Spiegel Online" auf den Berliner Regierungsfluren investigativ ermittelt. Fazit: "Tipps zur Überführung des eigenen Mannes - deutlicher kann man sich kaum distanzieren." Auch das wird stimmen. Der parlamentarische Betrieb, dem Lammert vorsteht, ist nicht bereit, eine Bedeutungserosion einfach so hinzunehmen, die mit aufgebauten Figuren wie Guttenberg droht. "Bild" macht Politik und verkauft nicht nur "Volks.PCs", "Volks.Bibeln" und "Volks.DSL", sondern auch Volks.Tribunen.

In "Bild" und "Spiegel" treffen sich dieser Tage zwei Antipoden: Beide gehören zu den schärferen Fürsprechern einer radikaleren Strategie des Kapitals - nur eben in die jeweils ziemlich entgegengesetzte geopolitische Richtung. Deswegen haben beide Blätter keine Probleme mit Typen wie Sarrazin, die sich auf eine Vergiftung der öffentlichen Meinung mit rassistischen, sozialdarwinistischen und obrigkeitsstaatlichen Ressentiments "beschränken" - eine solche Formierung der Gesellschaft ist schließlich für jeden radikalen Kurswechsel unabdingbar. Und deswegen ist bei Typen wie Guttenberg keine Einmütigkeit möglich - was er will, will der "Spiegel" nicht, der die strategische US-Anbindung schon lange für entbehrlich hält. So sehr also die "Bild" anzugreifen ist, im Interesse des Schutzes des bürgerlichen parlamentarischen Systems vor seinen ebenso bürgerlichen Demonteuren - der "Spiegel" ist es nicht minder. Der Bild am Montag aus Hamburg geht es nicht um die Verteidigung der Demokratie, sondern um das "Raus aus Afghanistan", um Deutschland nicht länger für die USA und deren Interessen Schlachten schlagen zu lassen. Auch "in eigener Sache" mangelt es kaum an Ideen, und der "Spiegel" ist nie verlegen darum, in mögliche Schurkenstaaten publizistisch vorwegnehmend "humanitär" zu "intervenieren" - im selben Blatt vom 28.02.2011 werden schon mal die "Diktatoren" aufgezählt, deren "Regimes" vor dem Sturz stehen, und von Weißrussland und Kuba und der VR China ist da alles dabei, wovon deutsche Volkswirte nächtens träumen. Der nächste Guttenberg, den sie uns dann dafür vorsetzen werden, mag vielleicht einen gültigen Doktortitel haben. Erträglicher wird er dadurch nicht.

 

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geklaut bei http://www.secarts.org/ - danke.

 

update:

 

Gerade bringt die FAZ die Eilmeldung: Dr. von und zu Guttenberg ist zurückgetreten:

 

http://www.faz.net/s/RubF3CE08B362D244869BE7984590CB6AC1/Doc~E1F98A1FDF7064A598231EC081FAAF577~ATpl~Ecommon~Scontent.html                                              

 

Schön. Aber ich fürchte, der Bursche wird es nicht auf Dauer dabei belassen, seine auf 250 Millionen geschätzten Talente zu pflegen. Der kommt wieder.

 

Blöd ist das für Springer und Bertelsmann, deren Gemeinschaftsprojekt er war. Die Investition hat sich nicht rentiert. Aber man ist kapitalkräftig genug, so ein Wertpapier ein gutes Weilchen, trotz bedauerlich abgesackten Kurswerts, im Depot zu lassen. Vielleicht kann man es ja in ein paar Jahren wieder hochschreiben.

 

 

 

 

 

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A
<br /> <br /> Der SPIEGEL gegen BERTELSMANN? Hab' ich da was verpasst? Ist BERTELSMANN nicht mehr größter Aktionär beim SPIEGEL? Ratlos...<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> Dankeschön. Es ist nämlich so: Normalerweise fang ich so gegen 4 Uhr an zu schreiben. Heute wars viel später, ich glaub, gegen 8, also schon fast Zeit für eine Siesta. Da kann einem schon<br /> mal was passieren. Das Alter musst Du auch bedenken. Ich entschuldige mich, trotz dieser eindeutig mildernden Umstände, in aller Form. (Bertelsmann ist schon gelöscht, leider bloss in meinem<br /> Blog.)<br /> <br /> <br /> <br />