"Vertiefung" der EU oder deutsches "Kern-Europa" ?

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Deutschland hält unbeirrbar am Euro und der EU fest, ist die fast allgemeine Meinung, wie sie von den Verlautbarungen der Regierung Merkel und den Medien erzeugt wird. In gewisser Weise ist das richtig. Der Inhalt dieses Festhaltens muss aber genauer besehen werden.

 

In diesem Beitrag link habe ich darauf verwiesen, dass die wichtigen Entscheidungen im Zug der Euro-Krise ausserhalb der EU-Institutionen und ausserhalb des EU-Rechts getroffen worden sind. Spricht das für eine Tendenz zur "Vertiefung" der EU ? Eigenartigerweise in gewisser Hinsicht Ja. Es ist unverkennbar Deutschland, das in der Euro-Krise den Ton angibt. Der Inhalt ist die Überwälzung der privaten Schulden der Banken auf die Staaten und von da auf die Masse derBevölkerung, die letzten Endes diese Schulden bezahlen soll.

 

Der Umstand, dass dies angesichts der In Frage stehenden Summen völlig zwangsläufig zur Verarmung eines grossen Teils der Bevölkerung führen muss, ficht die deutsche Regierung nicht an. Was aber in Hinsicht auf die EU bedeutender ist: Die deutsche Regierung ficht es auch nicht an, dass darüber ganze Volkswirtschaften und Staatswesen in eine Existenzkrise getrieben werden. Nachdem die deutsche Industrie die Industrien der schwächeren EU-Mitgliedsstaaten im Lauf des der Krise vorhergegangenen "Integrationsprozesses" verdrängt, ruiniert oder aufgekauft und sich damit die "Märkte erschlossen" hat, die Deutschland jetzt "so gut aussehen" lassen - und die meisten übrigen EU-Staaten so schlecht - , nimmt die deutsche Regierung jetzt sogar in Kauf, dass eben diese Märkte mangels Zahlungsfähigkeit auch für die deutsche Industrie schrumpfen. Warum ?

 

In wirtschaftlicher Hinsicht meint man, die deutsche Exportindustrie könne das auf den aussereuropäischen Märkten ausgleichen. Der deutsche Maschinenbau prognostiziert z. B. für 2013 einen Rekordumsatz. In politischer Hinsicht ist das der Bruch mit einer EU, in der sich alle Staaten und Regionen gemeinsam entwickeln - und der Übergang zu einem deutsch dominierten Europa. In einer EU der "konzentrischen Kreise" ist Deutschland das Zentrum, das sich an Peripherie unterordnet, so viel sich eben unterordnen lässt. Die nahezu kompromisslose Rigorosität bei der Durchsetzung der deutschen "Anti-Krisen-Politik" legt nahe, dass die Deklassierung der EU-Staaten, die lange formal als "auf gleicher Augenhöhe" stehend behandelt wurden - Frankreich, Italien, Grossbritannien, Spanien - billigend in Kauf genommen wird, auch um den Preis, dass dies zum faktischen Bruch in der EU führt, so wie sie jetzt formal noch besteht.

 

Die EU muss nicht zerbrechen. Aber es zeichnet sich ab, dass ihre Weiterentwicklung von deutscher Seite in der Weise betrieben wird, dass Deutschland sich einen eigenen Block von Staaten schafft, die enger an Deutschland gebunden werden, während die Peripherie, die sich nicht unterordnen will, notfalls sich selbst überlassen wird. Sie darf weiterhin verlängerte Werkbank und deutscher Absazmarkt sein, aber die formale Gleichheit der EU-Mitgliedsstaaten, wie sie in den EU-Institutionen und in den EU-Verträgen zum Ausdruck kommt, ist dabei, sich zu erledigen. Das ist der "tiefere Sinn" der Ad-Hoc-Gremien ausserhalb der EU-Institutionen, die im Zug der "Euro-Rettung" nach Belieben gebildet werden.

 

Damit ist auch die "deutsch-französische Achse" in Frage gestellt - und zwar auf prinzipiellere Weise, als das in der Vergangenheit anlässlich vieler Streitpunkte immer wieder einmal der Fall war. Für die Marginalisierung Grossbritanniens gilt das ohnehin. Dazu gibt es einen interessanten Artikel in der NZZ: link .

 

Wer uns nicht folgt, muss sich überlegen, welche Alternativen er hat, ist die deutsche Botschaft. - Deutsch-EU oder notfalls ein deutsches "Kern-Europa", für das die übrigen EU-Staaten nur noch ein "äusserer Kreis" sind. 

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