Was Kommunisten von dem Rechtsopportunisten Manfred Sohn lernen können
Manfred Sohn, Vorsitzender des niedersächsischen Landesverbandes der Linkspartei, hat in einem Artikel in junge welt das Wahlergebnis analysiert. Schon die Eingangsbemerkungen sind bemerkenswert (Ich habe Stichworte im Fettdruck hervorgehoben):
"Niederlagen sind bessere Lehrmeister als Siege. Die Qualität einer Partei beweist sich nicht im Triumph. Sie beweist sich in ihrer Fähigkeit, Rückschläge so zu verarbeiten, daß sie Grundlage für künftige Siege sein können.
Grundlage dieser Fähigkeit sind Schonungslosigkeit und Rücksichtnahme. Wichtig ist die Schonungslosigkeit, auch uns selbst gegenüber, in der Analyse der Gründe unseres Mißerfolgs. Wichtig ist gleichzeitig die Rücksichtnahme auf all jene, die mit viel Herz, allen ihren geistigen Kräften und häufig bis an den Rand der physischen Erschöpfung um einen Sieg gerungen haben und nun als Geschlagene vom Feld gehen. Sie sollen neuen Mut schöpfen."
Sohn kommt dann zu einigen bemerkenswerten Schlussfolgerungen:
"Zumindest in den Flächenländern der alten Bundesrepublik gibt es gegenwärtig, das zeigen die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen, keinen vom Handeln der SPD unabhängigen parlamentarischen Platz für Die Linke. Sie ist keine eigenständige Größe, sondern von den Fehlern insbesondere von SPD und Grünen abhängig."
" Der dringend notwendige Aufbau einer eigenständigen politischen Organisation unabhängig von der Gnade der SPD und der Grünen ist nicht vorangekommen. Wir haben, taktisch gut eingestellt, versucht, ein strategisches Dilemma auszutricksen. Das geht aber nicht. Die Taktik muß immer der Strategie folgen, nicht umgekehrt. Die Hoffnung auf ein Bündnis mit SPD und Grünen ist eine Sackgasse."
"Wir haben mit der Kampagne unsere Stammwählerschaft erreicht. Das ist nicht wenig. Mehr noch: Wir haben sie durch die Arbeit der letzten fünf Jahre deutlich erweitert und stabilisiert. Es macht für die Perspektive dieser Partei einen großen Unterschied, ob wir – wie noch als PDS bei den Landtagswahlen vor zehn Jahren – mit 20000 Stammwählern im Rücken und 0,5 Prozent der Wählerstimmen oder ob wir mit 100000 und drei Prozent politisch etwas bewegen wollen. Die relative Unbeirrbarkeit und Parteitreue dieses stabilen »Sockels« ist eine der größten Ermutigungen in der Niederlage. Die Isoliertheit dieser Basis ist jedoch ein Wesensmerkmal unserer Niederlage."
"Zunächst und vor allem sollten wir in unserer Niederlage und der unvermeidlich vor uns liegenden Schwächeperiode nicht in sich befehdende Gruppen zerfallen, sondern ein Höchstmaß an solidarisch-kritischer Diskussionskultur entwickelt.
Zweitens müssen wir hegen und pflegen, was wir durch die Arbeit der letzten Jahre aufgebaut haben. Das betrifft vor allem die immerhin 240 kommunalen Mandatsträger, die wir bei den Wahlen im September 2011 durchsetzen konnten. Sie sind mehr als zuvor unsere Gesichter in der Öffentlichkeit.
Drittens haben wir die Aufgabe, unsere Betriebs- und Personalräte und gewerkschaftlichen Funktionsträger so zu stärken und zu stützen, daß wir die jetzt drohende Rückentwicklung der Gewerkschaften zu einer sozialdemokratischen Richtungsorganisation verhindern und statt dessen antikapitalistische und sozialistische Perspektiven in den Gewerkschaften, und von ihnen ausgehend in den Betrieben, stärken.
Und viertens müssen wir unsere Bildungsarbeit so verbessern, daß – fußend auf dem, was Marx und Luxemburg uns hinterlassen haben – die Einsicht in die Notwendigkeit eines anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems weiter wächst. Die Krise dieses Systems ist nicht überwunden, sondern hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Sie wird weiter wachsende soziale Verzweiflung im Inneren sowie noch mehr Kriege überall auf der Welt erzeugen. Wer in dieser Situation die Bildungsarbeit vernachlässigt, handelt politisch verantwortungslos."
Der ganze Text steht hier:
http://www.jungewelt.de/2013/01-24/004.php
Manfred Sohn ist innerhalb der Linken ein Wanderer zwischen den Lagern. Er organisierte sich als Schüler zunächst in der Sozialliberalen Jugend, war nach deren Verschmelzung mit den Jungdemokraten sogar eine Zeitlang Mitglied der FDP, wechselte dann zu den Jusos und zur SPD und schliesslich zum Marxistischen Studentenbund Spartakus und zur DKP. In der DKP stieg er in die engste Führung auf - ins Sekretariat des Parteivorstands. 2002 wechselte er abermals die Organisation. Er trat in die PDS ein. 2010 wurde er zum Landesvorsitzenden der Linkspartei in Niedersachsen gewählt.
Man wird Sohn nicht unrecht tun, wenn man unterstellt, dass er den Grossteil seines politischen Handwerkszeugs und seiner theoretischen Kenntnisse in der Zeit erworben hat, in der er Kommunist war. Wie seine Wahlanalyse zeigt, zehrt er davon heute noch.
Das ist auch ein, wenn auch unfreiwilliger, Beitrag der DKP zur Herausbildung eines linken Lagers in Deutschland, das seinen Anker nicht mehr in der SPD sucht. Viele hochqualifizierte DKP-Funktionäre sind, wie Sohn, aus opportunistischen Gründen in die Linkspartei übergewechselt und haben dort heute Führungsfunktionen inne. Dieser Sog hält bis heute an, wie die gegenwärtige Diskussion in der DKP über das Verhältnis zur Linkspartei zeigt.
Sohn umreisst in seiner Wahlanalyse die richtige Orientierung für den Aufbau einer klassenbasierten, eigenständigen, strategisch ausgerichteten und taktisch klug handelnden Organisation links von der Sozialdemokratie. Er macht das allerdings für die falsche Partei. Die Linkspartei wird die Hoffnungen auf eine konsequent sozialistische Partei nicht erfüllen können, weil durch diese Partei ein Riss geht, der einmal mehr, einmal weniger sichtbar, aber immer vorhanden ist: die Tendenz zur sozialdemokratischen Anpassung einerseits und andererseits die Hoffnung so vieler Mitglieder und Anhänger auf einen Bruch mit dem Kapitalismus und seiner politischen Ordnung.
Darin liegt Sohns Fehler. Wenn ein Bein rückwärts will und eins vorwärts, bleibt man auf der Stelle stehen, und wenn die Spannung zu gross wird, zerreisst es eine solche Partei. Die Zuspitzung der Klassengegensätze erfordert eine andere Partei - eine kommunistische. Aber das bedeutet nicht, dass Kommunisten nicht auch von Rechtsopportunisten lernen könnten. Von Manfred Sohns Wahlanalyse kann man lernen.