Affäre Wulff: Jagt die Jäger !
Noch sträubt sich Wullf zu gehen. Es ist auch gar nicht sicher, ob die Medienkampagne gegen ihn das Ziel hat, ihn aus dem Amt zu treiben. Auffällig ist jedenfalls, dass die Springer-Treibjäger und ihre Zutreiber von FAZ, SPIEGEL, SZ etc. keinen Nachfolgekandidaten ins Spiel bringen.
Die Kampagne gegen Wulff ist willkürlich inszeniert worden. Die Vorteilsnahme, die ihm vorgeworfen wird, ist so verbreitet, dass - an diesem Massstab gemessen - der grösste Teil des "politischen Establishments", bis hinunter zu Landtagsabgeordneten, Bürgermeistern und Stadträten zurücktreten müsste. Wulff ist ein gewöhnliches Exemplar des Sumpfes, in dem die Repräsentanten der bürgerlichen Demokratie ihre Ämtlein mit allerlei kleineren und grösseren Vorteilsnahmen verquicken. In dem Fall stinkt der Fisch nicht nur vom Kopf her, sondern der ganze Fisch stinkt vom Kopf bis zum Schwanz.
Die vorgeblichen Kämpfer für Moral in der Politik, allen voran das Haus Springer, sind selbst ein Teil dieses Sumpfes. Über viele Jahre haben die Springer-Blätter Wulff hochgeschrieben mit hundert exklusiven Herzblatt-Geschichtchen. Sie hätten ebensogut das Gegenteil tun können. Die Journaille weiss alles über ihn. Sie können das eine verschweigen und das andere loben oder "enthüllen", ganz wie es ihnen in den Kram passt. So ist es mit tausenden Berufspolitikern. Die Journaille hat sie in der Hand. Man kann die Sumpfbrüder und -schwestern in Ruhe lassen oder fördern oder fallenlassen und vernichten. Das gehört essentiell zu den Mitteln, mit denen das grosse Geld im Hintergrund "die Politik" an seiner Leine führt und erzwingt, dass "die Politik" seinen Interessen nachkommt und diese gegen die Bevökerung durchsetzt.
Insofern sind die Enthüllungen in Sachen Wulff und die gekünstelte moralische Erregung darüber von vorneherein Manipulation. Sie sind nicht die Sache selbst, sondern Vorwand und Mittel für ein politisches Manöver, dessen Ziele bis heute im Dunkeln bleiben. Dem sich erregenden Publikum fällt die Rolle des Resonanzkörpers zu. Wenn BLÖD die Trommel schlägt, fällt der Spiesser in Marschtritt und wird moralisch-patriotisch empört, obwohl der doch weiss und ständig darüber lamentiert, dass ganz allgemein im hundsgemeinen Alltag die Normalität ist, dass eine Hand die andere wäscht.
Wer einen klaren Kopf behalten will, sollte bei den Enthüllungen über Wulff vor allem an die Nicht-Enthüllungen denken. Die liegen massenhaft in den Giftschränken der Manipulationsmedien. Ihre Nicht-Verwendung ist das Drohpotential gegenüber dem politischen Personal. Es wird aktiviert, wenn irgendeiner aus irgendeinem Grund, der den Medienkonsumenten gegenüber gewöhnlich nicht offengelgt wird, abgeschossen werden soll. Diese Giftschränke weisen vor allem auf eins hin: Die Medien kommen ihrer Informationspflicht nicht nach. Jede Schweinerei müsste im Fall eines verantwortlichen Journalismus sofort ans Licht. Sie im Giftschrank zu horten und diesen nur von Fall zu Fall aufzumachen, nämlich, wenn es für die politischen Absichten der Medienkonzerne opportun ist, macht den Journalismus zur Journaille, die Medien zu Manipulationsinstrumenten und deren Konsumenten zu Claqueuren bei den Intrigenspielchen in "der Politik".
Wulff ist bestechlich ? Natürlich. Was denn sonst ? Wird irgendjemand in der bürgerlichen Politik, in der Hackordnung der bürgerlichen Parteien, mit sauberen Händen auch nur Stadtrat ? Hat nicht ausnahmslos jeder bürgerliche Politiker (die weibliche Endung durchaus nicht zu vergessen) mit jeder Stufe, die er höherklimmt, mehr Leichen, zum Teil justiziable, zum Teil "nur" moralische, im Keller ?
So funktioniert bürgerliche Politik. Und so funktionieren die bürgerlichen Medien, die das decken und aus dem angesammelten, aber nicht veröffentlichten Wissen ihre Erpressungsmacht saugen. Wird etwas skandalisiert, handelt es sich stets und ausnahmslos nicht nur um den einen konkreten Skandal. Stets und ausnahmslos wird an jedem solchen Beispiel der eigentlich und allgemeine Skandal sichtbar: Die "Vierte Gewalt", die durch nichts demokratisch legitimiert ist, die vollständig in der Hand einiger weniger Geldsäcke - und im Fall der öffentlichen Medien in der Hand des Machtproporzes der bürgerlichen Parteien - ist, veröffentlicht systematisch nicht die Informationen, die sie hat, sondern selektiert und verdreht diese für die politischen Zwecke ihrer Eigentümer und Dirigenten. Die anderen "Drei Gewalten" sind wenigstens formal noch irgendwie demokratisch legitimiert. Das ist die "Vierte Gewalt" nicht.
Wulff soll endlich zurücktreten ? Meinetwegen. Aber viel dringlicher wäre, den Springer-Konzern zu enteignen.