Nationalismus kann man nicht essen

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Beinahe waeren dei Deutschen Weltmeister geworden. Wenn die Spanier nicht beser gespielt haetten. Genaugenommen handelt es sich natuerlich, jedenfalls bei der Fussball-WM, um jeweils elf Leute, die sich um einen einzigen Ball kloppen. Es soll aber Leute geben, die das zwischendurch vergessen. So haengt sich der Betriebleiter Mueller das deutsche Faehnchen an seinen dicken Mercedes - und der liebe Mitarbeiter Meier, den er leider bald wird entlassen muessen, eins an seinen Opel, fuer den er noch die Raten abstottert.

 

Meinetwegen, wenn es sein muss, sind wir halt alle Deutsche. Aber bloss vier Wochen lang, bei der Fussball-WM. Was so ziemlich alles andere angeht, ist der Betriebleiter Mueller ein Kapitalistenoffizier und der liebe Mitarbeiter Meier ein Zwangsverpflichteter: Lohnarbeit mangels anderer Subsistenzmittel. Das ist nicht nur ein nationenmaessiger, sondern ein himmelweiter Unterschied. Der eine kriegt sein Gehalt plus Boni fuers Kommandieren, der andere arbeitet dafuer, dass all diese Offiziersgehaelter plus Boni und die richtig fetten Sachen, die man nicht umsonst Gewinne nennt, zustande kommen, weswegen sein Lohn auch geringfuegig niedriger ist, so im Verhaeltnis 1:10 oder 1:20 vielleicht im Vergleich zu Muellers Gehalt, Konzerngroesse des Betriebs unterstellt.

 

Gegen Fussball ist, finde ich gar nichts zu sagen. Fussball mit Faehnchen ... naja. Aber wirklich bloed wirds, wenn der liebe Mitarbeiter Meier nicht wenigstens nach der WM den dreifarbigen Fetzen von seiner Karre nimmt und anstatt dessen was Ordentliches aufpflanzt, was Uni-Rotes. Der Mueller koennte seinen trifarbenen Fetzen ja dran lassen, der passt schon zu ihm. Fuer einen kurze Traeumer-Augenblick stell ich mir vor: Auf dem Firmenparkplatz lauter Opels und Kangoos mit roten Fahnen, der dicke Betriebleiter-Mercedes plus Deutschlandfahne umzingelt vor dem Haupeingang zum Bueroturm von lauter rotbeflaggten Rostlauben.

 

Klar passiert das nicht, ich weiss. Aber viel bessere Gruende dafuer gaebs schon, als sich den Opel mit Fussballdeutschlandfaehnchen zu behaengen. Oder etwa nicht ?

 

Mein Blogfreund Tolo scheint jedenfalls aehnlicher Meinung zu sein. Nach dem Spiel, bei dem sich herausstelte, dass die Deutschen doch keine Weltmeister werden, ging er nach Hause und sinnierte vor sich hin und unkt uns jetzt in seinem Blog was vor, von wegen Brot und Spiele und Nationalfarben und Geldbeutel und dass nach dem Spielen der Ernst des Lebens noch schwerer zu ignorieren sein wird. Weil man Nationalismus halt nicht essen kann.

 

http://kucaf.de/2010/07/08/gedanken-zum-tag-3/#more-1884

 

 

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