"Ohne Geld stirbst du" - und mit Desinformation wirst du dumm
"Ohne Geld stirbst du" ist ein Artikel von NEWS25.de uebertitelt, der gestern auf die NNG-Seite gestellt wurde. Es geht um Nordkorea. Der Beitrag unterscheidet sich nicht von -zig anderen, die gerade wieder durch die Mainstream-Medien gehen, weil anscheinend eine Ressentiment-Auffrischung erforderlich ist, nachdem die USA im Ergebnis der von ihnen selbst inszenierten Cheonan-Affaere ein wenig dumm dastehen. Was immer und immer und immer wieder zu repetieren ist:
- Nordkorea steht kurz vor dem Zusammenbruch.
- Die Menschen dort hungern und darben.
- Norkorea ist die Hoelle auf Erden. Wer nicht verhungert, kommt ins Lager und umgekehrt.
- Nordkorea ist aggressiv.
- Dass dort ueberhaupt noch jemand lebt, kommt von der grosszuegigen humanitaeren Hilfe
aus dem Ausland.
Unter welchem Stichwort auch immer man nach Informationen ueber das Land googelt, springt einen dieses Bild an. Man kann wirklich sagen, dass das Bild von Nordkorea ziemlich vollstaendig von den Stereotypen uebermuellt ist, die die suedkoreanischen und US-Geheimdienste von diesem Land systematisch produzieren.
Ein kleines Beispiel ist der eingangs erwaehnte NEWS25-Text:
Der Artikel beschaeftigt sich, nebenbei die Hunger- und sonstigen gaengigen Stereotype einflechtend, mit dem Gesundheitswesen in der KVDR. Der Tenor ist, dass ein solches so gut wie nicht existiert oder jedenfalls, wo doch, nicht funktioniert. Fuer alle Leistungen sei zu zahlen. - "Ohne Geld stirbst du."
"Pyoengjang erklaert offiziell, dass die Gesundheitsversorgung fuer die Bevoelkerung gratis zur Verfuegung gestellt wird."
Aber:
"Zeugen erklaerten, dass seit 20 Jahren fuer alle Leistungen bezahlt werden muss."
"Nordkorea ermoeglicht seiner Bevoelkerung nicht einmal mehr eine grundlegende medizinische Versorgung."
Woher hat NEWS25 diese Behauptungen ? - Von BBC. Und woher hat sie BBC ? In dem Fall von Amnesty International. Und woher hat Amnesty seine Informationen ?
Daher:
"Der Amnesty-Bericht ... basiert auf Interviews mit mehr als 40 Nordkoreanern, die das Land zwischen 2004 und 2009 verlassen haben. Ebenso wurden Mitarbeiter des Gesundheitswesens konsultiert, die mit Nordkoreanern zusammenarbeiten."
Soso. Da ist allerdings eine solide wissenschaftliche Basis fuer ein Urteil ueber das Gesundheitswesen eines ganzen Landes ! Unzweifelhaft laesst sich so ein objektives Bild gewinnen. Morgen stelle ich mich auf die Strasse und frage 40 Leute, die mir ueber den Weg laufen, wie es ihnen so geht und was sie ueber den Gesundheitsstand ihrer Nachbarn wissen und von der Qualitaet der hiesigen medizinischen Betreuung halten. Dann werden wir schon sehen, wie Deutschland wegkommt, wenn ich daraus einen Report ueber den Gesundheitszustand der Deutschen und den Zustand des deutschen Gesundheitswesens mache. Und NEWS25 wird natuerlich gleich wieder bei BBC abschreiben, die vorher meinen Report sofort und kritiklos uebernommen hat. ... Dabei waere mein Verfahren noch vergleichsweise fair. Immerhin muessen sich meine Interview-Partner nicht vorher als Gegner der deutschen Regierung und der Gesellschaftsordnung in Deutschland ausgewiesen haben. Amnesty hat diese Vorauswahl getroffen, naemlich indem es Leute interviewt hat, die Nordkorea verlassen haben, und dies wohl nicht wegen ihrer innigen Liebe zu Kim Il Sung getan haben werden.
Uebrigens haelt NEWS25 es nicht einmal fuer noetig, eine ordentliche Quellenangabe zu machen. Ich habe sie mir erggogelt, es handelt sich wohl um diesen Text:
http://www.bbc.co.uk/news/world-asia+pacific-10633584 . Hier steht auch der Link zu dem Amnesty-International-Papier, das von NEWS25 ebenfalls nicht verlinkt wird. NEWS25 spart sich auch die Muehe zu erwaehnen, dass das Amnesty-Papier von der WHO als die Lage in Nordkorea verfaelschend kritisiert wird und dass die WHO zu einem ganz anderen Urteil als Amnesty kommt. Selbst im Nordkorea-Info, dem niemand Sympathien fuer die KVDR nachsagen wird, heisst es zu dem amnesty-Machwerk: http://nordkoreainfo.wordpress.com/2010/05/01/margaret-chen-uber-nordkoreas-gesundheitssystem-licht-und-schatten/ (auf der Seite "nicht vorhanden" die im Link genannte Ueberschrift anklicken)
Solche Einwaende braucht NEWS5 nicht. Dafuer werden die hochnotpeinlich wissenschaftlichen Belege fuer die Amnesty-Darstellung zitiert:
"Eine 20jaehrige Frau aus der Provinz Nord HHamyeng sagte: "People don`t bother going to the hospital if they don`t have money because everyone knows that you have to pay."
"Another man said hospitals had no medicine ..."
"A 56-year old woman told Amnesty that her appendix was removed without anestetic."
"... one non-government organisation said thousands of people starved to death ..."
Auf solche "unwiderlegbaren Tatsachen" stuetzt sich Amnesty in seinem "Report" ... und NEWS25 kolportiert sie kritiklos.
Die Plattform wird uebrigens von einer dexweb Gmbh, Berlin, betrieben. Chefredaktuer, Geschaeftsfuehrer und Herausgeber ist Herr Michael Mross, eine bekannte Figur in der "Finanzsektor"-Szene und dort als auesserst kritischer Kritiker auftretend. Seine Finanz-Analysen werde ich kuenftig mit noch groesserer Vorsicht geniessen. Es koennte ja sein, dass seine Informationen zu seinem Fachthema aehnlich "solide" sind wie die von ihm ueber Nordkorea kolportierten.
Noch einige Hinweise, die fuer Vermutungen ueber den Gesundheitszustand der Bevoelkerung in Nordkroea und das dortige Gesundheitswesen von einer gewissen Relevanz sein duerften:
Ueber die seit zwanzig Jahren angeblich am Rand des Hungertods vegetierende Bevoelkerung - in den einschlaegigen "Informationen" werden Zahlen von "bis zu 2,5 Millionen" Verhungerter gehandelt - steht bei Wikipedia:
"Die Bevoelkerung Nordkoreas stieg im Zeitraum von 1960 bis 2008 von 12,3 Millionen Menschen auf ueber 24 Millionen Menschen ... Nach WHO-Angaben betrug die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2004 fuer Maenner 65 Jahre, fuer Frauen 68 Jahre. Die durchschnittliche Saeuglingssterblichkeit lag bei 5,8 %. Der offizielle Zensus gibt die Lebenserwartung von Maennern mit 65,7 Jahren, die von Frauen mit 72,7 Jahren an" ... (Deutschland: 77,6/ 82,7) ... "Nach Angaben dieses Zensus lag die Saeuglingssterblichkeit 2008 bei 1,9 %" ... (Deutschland: 4,12) ... (http://de.wikipedia.org/wiki/Nordkorea und http://www.welt-in-zahlen.de )
Sind das nicht erstaunliche Daten fuer eine Bevoelkerung, die angeblich am Rand des Hungertods lebt, in einem Land am Rand angeblich des Zusammenbruchs und eines praktisch so gut wie nicht funktionierenden Gesundheitswesen ?
Eine der Kennziffern, die belegen sollen, dass das nordkoreanische Gesundheitssystem in einem voellig desolaten Zustand ist, ist die ueber die Ausgaben fuer die medizinische Versorgung pro Kopf und in Prozent des Nationalprodukts. Dass Nordkorea angeblich pro Jahr und Kopf weniger als umgerechnet 1 US-Dollar ausgibt und dass der Prozentanteil der Ausgaben fuer das Gesundheitswesen nur bei 3,5 liegt, soll belegen, dass die Lage katastrophal ist.
Hier eine kleine Liste von Kennziffern:
Lebenserwartung Gesundheitsausgaben/Kopf/Jahr in % Nationalprodukt
USA 75/80 (m/w) 6714 15,3
Deutschland 77/82 3328 10,4
Kuba 76/80 363 7,1
Nordkorea 66/73 49 3,5
Kongo 65/71 18 4,3
Guatemala 65/71 259 5,3
Indien 62/64 109 4,9
Suedafrika 50/53 869 8,6
Ukraine 61/73 542 7,0
Tuerkei 71/75 645 5,6
Der Vergleich zeigt, dass Nordkorea, was die Lebenserwartung betrifft, sich nicht in der Spitzengruppe befindet, aber auch nicht irgendwie "auffaellig" ist. Er zeigt auch, dass die Ausgaben pro Kopf und der Anteil der Gesundheitsausgaben am Nationalprodukt so gut wie nichts ueber die medizinische Versorgung der Bevoelkerung aussagen. Kuba gibt ein Zwanzigstel dessen aus, was die USA ausgeben, und trotzdem ist die medizinische Versorgung der Bevoelkerung nicht schlechter als in den USA, sondern fuer die Masse der Bevoelkerung in vieler Hinsicht eher besser. Und es wird kaum jemand auf die Idee kommen, das deutsche Gesundheitswesen sei um die Haelfte schlechter als das der USA, weil pro Kopf nur die Haelfte der Ausgaben getaetigt wird.