EU: Deutschland über allen

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

"Druck auf Lissabon wächst. Portugal soll unter den Schirm" heisst es heute bei ntv. Schon Irland war "dringend gebeten" worden, sich unter diesen "Schirm" zu begeben, so lange, bis die sich sträubende irische Regierung das wirklich tat. Immer wieder wird Spanien als einer der nächsten "Kandidaten" genannt. Ist das nicht seltsam ? Dieser "Schirm" ist doch eine Hilfe für die schwächsten EU/Euro-Staaten und kostet bei voller Inanspruchnahme 750 Milliarden Euro - wobei die Deutsche Bank schon lanciert, die Summe müsse verdoppelt werden. - Warum dieser Eifer der Hilfsbereitschaft ?

 

Man kann aufhören, sich zu wundern, wenn man die offizielle Version, es handele sich um Hilfe, unter Täuschungspropaganda ablegt und sich ansieht, was wirklich passiert. Im Fall Griechenland war die deutsche Regierung allen voran. Im Falle Irland war sie es wieder. Die "in die Diskussion geworfene" mögliche Verdoppelung des "Rettungsschirms" kommt von der Deutschen Bank.

 

Da in beiden Staaten deutsche Banken mit faulen Krediten in zweistelliger Milliardenhöhe stecken, könnte man bis hierher noch meinen, es handele sich zwar nicht um die deklarierte Hilfe für Griechenland und Irland, aber um eine für deutsche Banken, und daher komme das heftige Hilfsinteresse der deutschen Regierung. Aber bei Portugal ist das nicht der Fall. Im Fall Spanien zwar schon, aber die "Idee" einer Verdoppelung des "Schirms", also 1 500 Milliarden Euro, spricht dafür, dass noch viel mehr "Hilfe" ins Auge gefasst ist. Einer der nächstliegenden Kandidaten wäre Italien.

 

Die Rettung fauler Kredite deutscher Banken allein erklärt die deutsche "Hilfsbereitschaft" offenbar nicht. Aber das: Deutschland nutzt die Finanz- und Währungskrise, um seine Dominanz in der EU auszubauen. Die mit "Hilfe" bedachten Staaten verlieren praktisch ihre Souveränität. Sie können nicht mehr über ihren eigenen Staatshaushalt entscheiden. Sie haben detaillierten Vorschriften nachzukommen über ihre inneren Verhältnisse - den Umfang und die Organisationsweise ihres Staatsapparats, das Steuer- und Rentenrecht, Sozialausgaben etc. . Wenn die Parlamente noch über die Staatshaushalte dieser Länder abstimmen, ist das Theater, weil die wirklichen Entscheidungen schon vorher nach den Vorschriften der EU-/Euro-Kommissare nach deutschen Vorgaben getroffen worden sind. Die EU ist dabei, sich von einem Staatenbündnis in ein deutsch geführtes Kolonialreich zu verwandeln.

 

Diejenigen, die die Lissaboner Veträge als Souveränitätsverlust der Mitgliedsstaaten, also auch Deutschlands, an "die EU" beklagt haben, können sich jetzt eines besseren belehren lassen. Es geht keineswegs um generellen Souveränitätsverlust, und die EU ist keine Institution, die als selbständiges politisches Subjekt agieren kann. Die wirklichen Akteure sind die Staaten, und deren Verhältnis untereinander ist eine Pyramide der Macht, in der Deutschland ganz oben hockt.

 

Der einzige Konkurrent auf Augenhöhe mit Deutschland, Frankreich, kuscht unter Sarkozy in der Hoffnung, seine Stellung einigermassen wahren zu können, wenn er es in der Krise nach Möglichkeit genau so macht wie "die Deutschen"; - eine Rechnung, die nicht aufgehen wird, weil ein Hauptelement deutscher Krisenbewältigung fehlt: die "Exportoffensve", also die Lösung der Verwertungsschwierigkeiten deutschen Kapitals auf Kosten der ausländischen Konkurrenz. London hält sich aus diesen Machtkämpfen in der EU heraus und setzt auf die Juniorpartnerschaft mit den USA. - Es gibt in der EU keine Macht, die Deutschland Paroli bieten könnte, und die deutsche Regierung und das deutsche Grosskapitals sucht daraus den maximalen Nutzen zu ziehen.

 

Das ist der "tiefere Sinn" der überquellenden "Hilfsbereitschaft".

 

Eine andere Frage ist, ob das auf Dauer klappt. Die auseinanderdriftenden Zins- und Preisniveaus, Konjunkturentwicklungen und aussenpolitischen Optionen in der EU machen es immer schwieriger, einen einheitlichen Wirtschaftsraum und eine gemeinsame Währung aufrecht zu erhalten. Und das, sagte die Kanzlerin wiederholt und jetzt aus Anlass des "Falles" Irland wieder, sei eine Frage von Krieg und Frieden.

 

Das ist eine Drohung.

 

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update:

Im Blog Was so bewegt http://www.kucaf.de/ sind zu dem Text einige weiterführende Überlegungen formuliert:

 

Zum Text ... sind mir folgende weiterführende, und Bezug nehmende Gedanken gekommen:

Die herrschenden Kreise der europäischen Hegemonialmacht Deutschland formen die EU in ihrem Interesse und die gegenwärtige Krise beschleunigt diesen Prozess nicht unerheblich. Dabei wird diesen Bestrebungen kaum nennenswerter Widerstand von den Regierungen der einzelnen Staaten entgegengebracht.

Aber hatten wir das nicht schon mal so ähnlich? Versuchte nicht gerade das westeuropäische Kapital in den 1930iger Jahren den deutschen Faschismus in ihrem Interesse zu nutzen und diesen in seinen Bestrebungen die Sowjetunion zu vernichten zu Unterstützen? Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Münchener Abkommen 1938, welches den Weg für die ersten Okkupationen frei machte. Als das deutsche Reich sich dann Polen einverleibte, erklärten Frankreich und Großbritannien, ihrer Bündnispflicht gegenüber Polen nachkommend, halbherzig dem faschistischen deutschen Reich den Krieg. Nachdem Polen erobert war, wurden die Angreifer geschlagen und das deutsche Imperium eroberte relativ schnell Nord- und Westeuropa. Damit stand den deutschen Faschisten der größte Teil der westeuropäischen Wirtschaft zur Kriegsvorbereitung gegen die Sowjetunion zur Verfügung. Während der Zeit dieser Kriegsvorbereitung wurde England aus der Luft angegriffen und bis zum Überfall auf die Sowjetunion der Anschein einer möglichen Landung erweckt.

 Auch damals war Deutschland die europäische Hegemonialmacht, benötigte aber den objektiven Bedingungen der Zeit Rechnung tragend, einen Krieg, um weitestgehend die europäischen Wirtschaftspotenziale für seine Interessen umfassend nutzbar zu machen. Der Widerstand gegen die faschistischen Okkupanten in den einzelnen Ländern erwuchs letztlich aus dem Volk heraus und nicht aus der herrschenden Klasse. Letztere versuchte in der Regel von den Ereignissen zu partizipieren und am geführten Krieg kräftig zu verdienen und schloß sich den Widerstand an, als dieser ihre eigenen Interessen zu bedrohen begann.

Heute stellt sich die Situation etwas anders da, Westeuropa ist weitestgehend politisch geeint, mit der EU wurde eine politische Struktur geschaffen, welche selbst für bürgerliche Verhältnisse untypisch nicht einmal zum Schein legitimiert wurde. Das Europäische Parlament verfügt über kein entscheidendes Recht und die eigentlichen Entscheidungsträger werden nicht gewählt, sondern eingesetzt. Mittels der EU ist es gelungen, nationales Recht auszuhöhlen und somit auch viele Errungenschaften der Werktätigen zurückzudrängen. Das deutsche Imperium hat seine Machtposition beständig ausgebaut und ist zum bestimmenden Faktor innerhalb der EU geworden. Die gegenwärtigen Ereignisse werden genutzt um diese Machtstrukturen zu verfestigen und ermöglichen einen immer direkteren Eingriff in die Geschicke eines jeden betroffenen Landes. Die Regierungen selbst setzen diesen Bestrebungen kaum, oder maximal zum Schein etwas entgegen. So das es heute über diesen Weg gelingt, die industriellen Potenziale Westeuropas zu einen und hinter ein gemeinsames Interesse zu stellen. Auch dieses Mal kann es entschiedenen und konsequenten Widerstand nur von den Völkern selbst geben, da die sie Beherrschenden sich all zu bereitwillig anpassen.

 

 

 

 

 

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K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> guter Text, werde ich übernehmen, wenn nichts dagegen spricht.<br /> <br /> <br /> Die europäische Hegemonialmacht Deutschland formt die EU in ihrem Interesse und die gegenwärtige Krise beschleunigt diesen Prozess nicht unerheblich. Dabei wird ihr kaum nennenswerter Widerstand<br /> von den Regierungen der anderen Staaten entgegengebracht.<br /> <br /> <br /> Hatten wir das nicht schon mal? <br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> Die Methoden ändern sich, die Klassenziele der Bourgeoisie bleiben.<br /> <br /> <br /> Du kannst immer und ungefragt Texte übernehmen.<br /> <br /> <br /> Schönen Abend<br /> <br /> <br /> <br />
A
<br /> <br /> Die Rettung durch Versklavung der peripheren EU-Staaten schreitet zügig voran. Im Binnenmarkt Deutschlands gibt es ja auch schon legalisierte Sklaverei durch Hartz IV und 1-Euro-Jobber und bei<br /> der demnächst erfolgenden Freizügigkeit osteuropäischer Arbeitnehmer wird dieser Druck auf die abhängig Arbeitenden im deutschen Binnenmarkt nochmals erhöht!<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> So ist es.<br /> <br /> <br /> <br />