Im Zeichen der Krise: Forderungen und ihre Durchsetzung

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Der hier gespiegelte Artikel von Renate Münder steht m neuen Heft Nr. 27 der Zeitschrift Theorie + Praxis (Internet-Site: http://theoriepraxis.wordpress.com/ ). Es geht darum, welche Forderungen im Zeichen der Krise für die arbeitenden Menschen die richtigen sind, an wen sie sich richten müssen - und um das Verhältnis von "Forderungskatalogen" und Kampf um die reale Durchsetzung von Forderungen.

Forderungen im Zeichen der Krise

von Renate Münder

 

Das Bekenntnis zu einer antimonopolistischen Strategie enthebt uns nicht der Aufgabe, immer wieder anhand der aktuellen Klassenauseinandersetzungen die konkreten, aktuell richtigen (Übergangs-)Forderungen festzulegen.

 

Die Forderung nach Vergesellschaftung der Banken erfreut sich allgemein großer Beliebtheit, von Attac und der Occupy-Bewegung bis hin zur DKP. Wir müssen jedoch berücksichtigen, dass dabei den meisten Menschen der Unterschied zur Verstaatlichung nicht klar ist. Wir kommen um die Aufgabe nicht herum, eindeutig zu erklären, dass Verstaatlichung der Banken im Monopolkapitalismus nur Vergesellschaftung der Verluste ist und dass Vergesellschaftung nicht per Regierungsbeschluss bei entsprechenden Mehrheiten zu erhalten ist. Wo ist die Kraft zur Enteignung der Monopole (ein Wort, das in den Politischen Thesen nicht vorkommt), zur Produktionskontrolle, zur Abwehr der bewaffneten Abteilungen des bürgerlichen Staats, die schließlich das Eigentum an den Produktionsmitteln sichern sollen? Im Krisenaktionsprogramm (1), dem überarbeiteten 84er Papier, haben wir dazu gesagt:

 

„Der Finanzsektor besitzt eine hohe strategische Bedeutung für das ganze kapitalistische System. Durch die Krise hat die Forderung nach Verstaatlichung der Banken eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gewonnen. Doch solange der Kapitalismus herrscht, sind alle Banken bei Strafe des Untergangs den Gesetzen der kapitalistischen Ökonomie und der Konkurrenz unterworfen ‒ die Kapitaleigenschaft des Bankkapitals wird auch durch die Verwandlung in Staatseigentum nicht aufgehoben. Diese Forderung in der aktuellen Situation an den kapitalistischen Staat zu stellen, schürt nur Illusionen in seine Überparteilichkeit.

 

Eine Vergesellschaftung der Banken mit demokratischer Kontrolle setzt mindestens ein Klassengleichgewicht zwischen der Bourgeoisie auf der einen Seite und dem Proletariat mit seinen Bündnispartnern auf der anderen Seite voraus. Denn eine Vergesellschaftung des Bankensektors wäre nichts weniger als die Entmachtung des Finanzkapitals. Dieses wird seine Enteignung mit allen Mitteln zu verhindern wissen, d.h. mit dem Einsatz von Polizei und Armee.
In revolutionären Zeiten allerdings kann die Forderung mobilisierende Wirkung haben, kann sie die Perspektive für den Sozialismus öffnen helfen.

 

Die Vergesellschaftung des Bankensektors setzt eine weitgehende Veränderung des Kräfteverhältnisses zu Gunsten der Arbeiterklasse und ihrer Bündnispartner voraus, manifestiert z. B. in Form einer Einheits- oder Volksfrontregierung bzw. einer Regierung, die ein antimonopolistisches Bündnis repräsentiert. Langfristig kann erst der Sozialismus diesen Schritt sichern.“

 

Eine demensprechende Forderung heißt Enteignet Banken und Konzerne!, die andeutet, welcher Kämpfe es bedarf. Brecht die Macht der Banken und Konzerne! geht in die gleiche Richtung, sie ist zwar griffiger, lässt aber die die Eigentumsfrage außen vor.

 

Als Kommunisten unterstützen wir die Kämpfe der Massen für Reformforderungen, selbst dann, wenn diese in dem Sinne illusionär sind, dass sie im Kapitalismus überhaupt nicht oder nicht voll verwirklicht werden können (z. B. Arbeit für alle!). Es kann auch die Aufgabe von Kommunisten sein, dort, wo Kollegen bereits kämpfen, für ihre Bestrebungen packende Losungen zu finden – niemals aber kann es unsere Aufgabe sein, Forderungen am grünen Tisch auszudenken, wenn die Massen nicht kämpfen. Unsere Forderungen müssen sich daran orientieren, ob die Massen bereit sind, für sie zu kämpfen.

 

Ob das nun Forderungen nach Kapitalverkehrskontrollen, Schuldenschnitt, das Verbot von Leerverkäufen, Risikospekulationsgeschäften oder generell von Derivaten oder nach Aussetzung der Zinszahlungen an die Banken sein können, müssen wir untersuchen, d.h. die Resonanz zu prüfen, denn die vorhandene moralische Empörung reicht nicht. Sicherlich mobilisierbar wäre die Arbeiterklasse für die Forderung nach einer Reichen- oder Millionärssteuer. Auch eine höhere Besteuerung der Banken und Konzerne ist mehrheitsfähig. In Betrieb und Gewerkschaft sollten wir unbedingt aktiv die Forderungen nach einem gesetzlichen Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen, einem gesetzlichen Mindestlohn und der Rente mit 60 vertreten. Das sind Forderungen, mit denen es gelingen könnte, den Opportunismus in den Gewerkschaften zu durchbrechen, so dass diese zu Kampfaktionen aufrufen müssten. Schließlich gehören der sofortige Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland und die Kürzungen der Militärausgaben zu den Forderungen mit hoher Priorität. All das würde aber mehr als die bloße Aufstellung der Forderungen verlangen, hieße, Kampagnen durchzuführen mit dem ernsthaften Ziel der Durchsetzung.

 

Es geht eben nicht um einen ganzen Forderungskatalog, sondern um Schwerpunkte für die Agitation und Propaganda, für die praktische Arbeit. Die Bedeutung des Kampfes für diese Forderungen besteht vor allem im Zusammenschluss zur Klasse – was zugleich die Voraussetzung ist, um im Abwehrkampf endlich auch Erfolge zu erzielen – und perspektivisch in der Erhöhung des Organisationsgrades und des Bewusstseins der Arbeiterklasse bis zu einem Stand, auf dem sie tatsächlich die Machtfrage stellen kann.

 

(1) Krisenaktionsprogramm s. http://www.tundp.info

Veröffentlicht in Kultur und Gesellschaft

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