Wie sich orthodoxe Juden die Lösung des Nahost-Problems vorstellen

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Die zionistische israelische Rechte tritt stets im Namen des Judentums auf. Ob die Angehörigen der jüdischen Religion und Kultur damit einverstanden sind oder nicht - sie werden alle für die rassistische und aggressive Politik der Zionisten quasi als Geiseln genommen. Die Gleichsetzung dient dazu, jede Kritik am Zionismus als per se antisemitisch zu verunglimpfen. Die Zionisten instrumentalisieren damit die Opfer des Nazi-Holocausts für die Rechtfertigung ihrer Unterdrückungspolitik gegenüber den Palästinensern und ihrer Rolle als Kettenhund der USA im Nahen Osten.

 

In Wirklichkeit sind Zionismus und jüdische Religions- und Kulturzugehörigkeit keineswegs identisch. Auch in Israel gibt es eine Linke, die zusammen mit den demokratischen Kräften unter den Palästinensern gegen die zionistische Rechte und für eine Zukunft kämpft, in der alle Menschen in der Region selbstbestimmt und solidarisch miteinander oder als gute Nachbarn leben können. Und unter den Juden in aller Welt gibt es viele, die den Zionismus als Unglück ansehen und ihm die Zugehörigkeit zu den jüdischen Traditionen absprechen. Hier ein Text  aus der Zeitschrift Der Israelit, dem Zentralorgan für das orthodoxe Judentum:

 

Die Lösung des Nahostproblems

  
Vollständige Auflösung des "Staates Israel"

בעזרת השם יתברך

Ein Vorschlag von NETUREI-KARTA INTERNATIONAL

Die Wurzel des Problems: Die Palästinenser wollen das ihnen von "Israel" 1948 geraubte Land zurück, aber diese wollen es ihnen nie und nimmer zurückgeben. Schließlich haben sie es ja "rechtmäßig" von der UNO zugesprochen erhalten! Die Gründung eines "Staates Israel" auf Kosten der dort ansässigen Palästinenser war aber ein Fehlentscheid und historisches Unrecht, das von immer mehr Menschen nicht mehr akzeptiert wird. Dieser “Unrecht-Staat Israel” muss auf rasche und friedliche Weise aufgelöst werden! Die von dort ausgehende Gefahr kann nicht mehr verantwortet werden.
Von Neturei Karta International wird dazu folgender Plan vorgeschlagen:

Der Staat “Israel” wird durch UNO-Beschluss aufgelöst. Der UNO-Beschluss von 1948, die Teilung Palästinas und die Gründung eines Staates Israel, wird als Irrtum und Unrecht anerkannt und rückgängig gemacht. Das palästinensische Volk übernimmt die volle Souveränität über das gesamte Land, inklusive das Gebiet des heutigen “Staates Israel”. Die UNO übernimmt nach der Auflösung des Staates Israel das Mandat über das Land und tritt in Verhandlungen mit einer provisorischen palästinensischen Regierung, über die Übergabe des Staatsgebietes an diese. Nach der Übernahme formiert sich diese zu einer definitiven Regierung, unter Ausrufung des neuen Palästinenser-Staates. Juden die bereits dort leben, sollen, sofern eine zukünftige palästinensische Regierung damit einverstanden ist, unter dem Status von Einwanderern unter palästinensischer Hoheit im Land wohnhaft bleiben dürfen, und von den palästinensischen Behörden auf Antrag als gleichberechtigte palästinensische Staatsbürger aufgenommen werden können. Wer auswandern will, kann sich nach einen Aufenthalt in anderen Ländern umsehen. Während des vorgesehenen UNO-Übergangmandats werden für Reisende oder Auswandernde ‘UNO-Reisepässe’ geschaffen. Die UNO will sich bemühen dabei behilflich zu sein, und die Nationen bereiten Gesetze vor, welche die damit zusammenhängenden Fragen regeln sollen. Der Ablauf und die Ausführung des Ganzen soll so gerecht, human und schmerzlos als möglich gestaltet werden. Eine genügend lange Abwicklungsdauer der Aktion wird dafür vorzusehen sein. 
Der jetzige Staat “Israel” wird auf diese Weise am ehesten ohne Krieg und Katastrophe in einen Staat ‘Palästina’ übergehen. Die Unterbreiter dieses Vorschlages hoffen, dass nach der Annahme und Durchführung dieses Plans die aufgestauten Rache- und Hassgefühle überwunden werden, und alle dort ansässigen Menschen wieder in bestem Einvernehmen und gegenseitiger Achtung werden zusammen leben können, wie es in all den Jahren vor der zionistischen Katastrophe war: “Juden leben unter palästinensischer Oberhoheit, und nicht Palästinenser unter Israelischer Hoheit”.
Dies mag auf den ersten Blick utopisch erscheinen, ist aber die einzig wirklich reale und ernstzunehmende friedliche Lösungsmöglichkeit dieses ansonsten unlösbaren Problems.
Sehen wir uns fünf Vorteile an, die nach Realisierung dieses Plans sofort wirksam werden:
(1) Die Bedrohung des Weltfriedens wird massiv entschärft. Nahostkriege, Intifada, Kassam-Raketen, Gaza-Krieg, Libanon-Krieg, Suez-Krieg, Sechstage-Krieg und mehr, werden der Vergangenheit angehören. Israels Atom-Drohung, Irans "Israel-Vernichtungs-Drohung" werden gegenstandslos. Große Teile des weltweiten Anti-Terror-Feldzuges werden unnötig werden, da der Terror größtenteils durch die Existenz des "Israel-Staates" verursacht und motiviert ist. (2) Die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung durch den “Staat-Israel” findet ein Ende. Ihre Lebensgrundlage und die Menschenwürde werden ihnen zurückgegeben. Sie werden wieder ‘gleichberechtigte Menschen’. Die Palästinenser im mittleren Osten dürfen wieder frei atmen. Das Gefängnis Gaza wird aufgelöst werden. (3) Die Hauptursache des weltweiten Antisemitismus, das freche und arrogante Verhalten des ‘Zionisten-Staates’ gegen Menschen Regierungen und Völker, sowie die Grausamkeiten gegen seine ‘arabischen Untertanen’, wird durch die Auflösung des Zionisten-Staates aus der Welt geschafft sein. Die Bedrohung des weltweit ansteigenden Antisemitismus wird weniger und weniger werden. (4) Die Summen, welche die USA und andere Länder jährlich zur Unterstützung und Bewaffnung dieses “Israel-Staates” hinlegen müssen, werden von nun an für die Lösung dieses Befriedungsprozesses eingesetzt werden können. (5) Die USA und andere Länder werden aus den Griffen der “Zionisten-Lobby” losgelöst. Sie werden wieder frei werden, ihre eigenen Beschlüsse zu fassen, ohne vom Einverständnis und von den Zwängen einer Zionisten-Lobby abhängig zu sein.
Eine kurze Betrachtung hierzu vom jüdischen Thora- und ethischen Standpunkt:
Das Land Israel gehört den Palästinensern, die dort seit Jahrhunderten leben. Die Juden sind von Gott vor 2000 Jahren ins Exil geschickt worden, wo sie verharren müssen bis sie von Gott erlöst werden. Die zionistische Idee einer vorzeitigen Exil-Beendigung durch Politik, Raub und Intrige wurde von jeher vom wahren Judentum aufs Schärfste bekämpft und abgelehnt. Das neue Gebilde “Staat-Israel” hat nicht das Geringste mit Judentum zu tun. “Zionismus ist nicht Judentum, und Judentum ist nicht Zionismus”. Die beiden Begriffe stehen in krassestem Widerspruch zueinander. Die Zionisten sind in gar keiner Weise berechtigt, das jüdische Volk zu vertreten! Niemand hat ihnen diesen Auftrag je erteilt, sie haben sich dieses Auftrages selber bemächtigt.
Nach der großen Judenvernichtung in Europa sind die entwurzelten und ausgebluteten Juden dann doch den Zionisten ins ‘gelobte Land’ gefolgt, sie hatten nach dem fürchterlichen Holocaust praktisch keine andere Wahl. Die UNO hatte 1948 dieses Land den Zionisten als neue Heimat für das jüdische Volk, ‘geschenkt’, was einerseits ein lobenswerter Gedanke war. Allerdings geschah dies auf Kosten der dort lebenden Araber und Palästinenser, die von ihrer Heimat vertrieben, und an deren Stelle nun “Israelis” angesiedelt wurden! Das war ein historischer Fehlentscheid und Unrecht, und muss rückgängig gemacht werden. Die Welt beginnt einzusehen: Die “zionistische Erlösung” hat sich in Luft aufgelöst. Das historische Unrecht 1948 muss korrigiert, und der zionistische “Jüdische Staat” aufgelöst, und an seine Stelle ein ‘Palästinenser-Staat’ errichtet werden.
Jedem objektiven Betrachter der heutigen Situation ist klar: Es GIBT keine andere Nahostlösung als die oben skizzierte: Vollständige Auflösung des ‘Staates Israel’ und Übergabe des Landes an die rechtmäßigen Eigentümer, die Palästinenser. Alle anderen “Ein-, Zwei-” oder sonstigen “-Staatenlösungen” sind nicht mehr als ‘Momentlösungen’ und führen, nur aufgeschoben, zu neuem Aufflackern der alten Probleme und werden an ihrem Ende zu Krieg und Völkermord führen. Es ist daher im Interesse der gesamten zivilisierten Welt, die hier skizzierte Lösung aufzugreifen und zu realisieren.
Neturei Karta appelliert an alle maßgebenden Stellen und Menschen, dieser Lösung zuzustimmen und bei deren Abwicklung behilflich zu sein. Aus unserer Sicht die einzige Art, wie dieses sonst unlösbare Weltproblem rasch und bleibend, und ohne Blutvergießen gelöst werden kann.
Neturei Karta International, Januar 2011/Teves 5771
 

Veröffentlicht in Israel

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M
Hallo, die Quelle ist natürlich nicht "Der Semit", sondern "Der Israelit". Was Rabbi Teitelbaum und seine Schüler von der Edah HaChareidis geleistet haben und immr noch leisten, verdient meiner<br /> Meinung nach allerhöchsten Respekt und Anerkennung. Es gab mal eine Zeit im Judentum vor dem Zionismus, eine Zeit, in der Rabbi Hillel noch wirklich geschätzt wurde, in der Tat war es der<br /> allergrößte Teil der jüdischen Geschichte. Wie in anderen Erlösungstheologien gab es auch im Judentum immer mal wieder Zeiten, in denen sich Zweige abgespalten haben, die behauptet haben, der<br /> Erlöser sei da und jetzt sei die Zeit, die alten Traditionen, die mit der Erwartung der Erlösung verbunden waren, über Bord zu werfen. Wenn das Schisma stark war, hat es immer großes Unheil<br /> gebracht, bis die nicht der Tradition folgenden Zweige wieder eingingen und verschwanden. Als der Zionismus erfunden wurde, hat die Mehrheit der jüdischen Gelehrten das Schisma erkannt und<br /> dementsprechend schroff abgelehnt. Doch vor Hundert Jahren schufen wohlhabende Rassisten sehr große Bewegungen und Blut-und-Boden-Ideologien, beileibe nicht nur im Judentum. 1913 ware die Zionisten<br /> bereits so stark, dass der geachtete Rabbiner Felix Goldmann seine Aufklärungsschrift über den Zionismus anonym, unter der Bezeichnung "Antizionistisches Komitee," publizierte, und darlegte, wie<br /> die dem Zionismus innewohnende Ideologie das Judentum schädigte. Damals waren anti-zionistische und liberale Juden in Deutschland wie in anderen Ländern bei weitem die Mehrheit, doch dem Zionismus<br /> hingen einige einflussreiche jüdische Verleger und Kapitalisten an, und sie waren damals schon sehr aggressiv. Durch den Holocaust in Deutschland nahm das Judentum eine neue Richtung: die Zionisten<br /> waren plötzlich nicht nur an den Schaltstellen der Macht, sondern weltweit auch in der Mehrheit. Während viele Zionisten nach Palästina ausgewandert waren, hat Deutschland den größten Teil der<br /> nicht-zionistischen Juden ermordet. Viele Überlebende des Holocausts sind dann zum Zionismus konvertiert. Nicht-Zionismus stand für Holocaust, Zionismus für Leben und Verteidigung. DOch das war<br /> eine Verdrehung der traditionellen Lehre, und das wird gerade offenbar. In Jerusalem (und in den USA) haben sich jedoch kleine Gmeinden gläubiger Juden gehalten, die unerschütterlich an den<br /> überlieferten nicht-zionistischen jüdischen Lehren und Traditionen festgehalten haben, und wieder neue prosperierende Gemeinden aufgebaut haben. Von Zionisten werden diese Juden schärfer bekämpft<br /> als alle nicht-jüdischen Gruppen, die sich gegen das mit dem Zionismus einhergehende Unrecht einsetzen, denn die traditionellen jüdischen Lehren entlarven die große Lüge des Zionismus. Zionismus<br /> und Judentum ist nicht dasselbe, sondern die jüdische Religion und die zionistische Ideologie stehen sich diametral gegenüber. Der Zionismus ist nichts anderes als ein Schisma, eine aus der<br /> jüdischen Religion entstandene Sekte, wie es sie in der jüdischen (und nicht nur der jüdischen) Geschichte schon einige gegeben hat. Damit lassen sich die Erfahrungen der religiösen Geschichte<br /> nutzen, und es wird offenbar, wohin es führt, wenn eine Erlösungstheologie den Glauben annimmt, die Erlösung sei da und die alten Lehren, Traditionen und Weißheiten des Wartens auf die Erlösung<br /> könnten damit über Bord geworfen werden. Das geschichtlliche Wissen entlarvt den Zionismus wie nichts anderes. Die Anhänger des traditionellen nicht-zionistischen orthodoxen Judentums, die es auf<br /> sich nehmen, sich gegen den Zionismus zu stellen, und dafür alle Widrigkeiten ertragen, haben meinen allerhöchsten Respekt und ich meine, sie verdienen die Solidarität eines jeden gerecht denkenden<br /> Menschen.
Antworten
S
<br /> <br /> Hallo Marcel.<br /> <br /> <br /> Darüber weisst Du offenbar viel mehr als ich. Hört sich nachvollziehbar an.<br /> <br /> <br /> Vielen Dank für den Fehlerhinweis. Ist korrigiert.<br /> <br /> <br /> <br />