Menschenrechtliche Fortschritte in der deutschen Provinz

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

In Landshut, der Hauptstadt des Regierungsbezirks Niederbayern, leben 87 Fluechtlinge in schaebigen alten Baracken, am Rand der Stadt, im Abseits. Jetzt sollen sie in den Bayerischen Wald abgeschoben werden, in ein kleines Dorf, noch weiter ins Abseits. Gestern, Dienstag, wurde ihnen die Verfuegung uebergeben. Morgen, Donnerstag werden sie verschubt. Um die Dinge klarzustellen, ist in dem Bescheid gleich angemerkt, dass im Falle von Renitenz unmittelbarer Zwang angewendet werde.

 

Wer von den Fluechtlingen Arbeit gefunden hat, kann die jetzt vergessen. Schliesslich, wozu braucht ein Mensch - achwas: ein Fluechtling - Arbeit ? Wo er doch Essenspakete kriegt und ein Dach ueberm Kopf, in einem Rattenloch ? Wer Freunde gefunden hat, kann sie vergessen. Ohne Geld und Anbindung an den oeffentlichen Verkehr hockt man in einem Doerfchen im Bayerischen Wald wie an einem Verbannungsort. Ohnehin ist es verboten, den Ort zu verlassen. Dafuer braucht man jedesmal eine Genehmigung, und wer weiss, wo der Genehmiger sitzt, zu dem zu kommen ist fuer sich schon vielleicht praktisch unmoeglich.

 

Fluechtlinge in Darfur ? - Bitte sehr, da sind wir solidarisch, da zirkulieren Spendenaufrufe, da prangern die freien demokratischen Medien die Machthaber im Sudan an, da laeuft auch eine Christlich Soziale Union ueber vor lauter christlichem Mitleid.

 

Fluechtlinge im eigenen Land ? - Das ist etwas anderes. Die sind laestig. Denen zeigt man, dass sie besser zu Hause geblieben waeren. Denen macht man es so schwer wie moeglich, in Deutschland Fuss zu fassen und ein normales Leben zu fuehren. Wenn sie ihren Verwandten und Bekannten in der alten Heimat sagen, wie es ihnen geht im schoenen reichen Deutschland, sollen sie ihnen sagen: Kommt bloss nicht hierher, uns gehts dreckig, in Deutschland gibts fuer unsereins keine Zukunft.

 

Im Sudan gibt es Oel. Im Sudan muss sich das freie demokratische Deutschland mit anderen um Einfluss balgen. Da kommt Fluechtlingselend gerade recht. In Niederbayern gibt es kein Oel, und gaebe es welches, muesste man sich nicht erst Zugriff verschaffen. Wozu sollen da Fluechtlinge gut sein ? Wozu christliches Mitleid ? Mit unnuetzem, laestigem Fluechtlingsmaterial, das sich nicht einmal eignet, als Objekt fuer Menschenrechtsheuchelei im Dienst  politischer und wirtschaftlicher Zwecke Verwendung zu finden ?

 

 

Gestern, Dienstag, brachte am Abend noch jemand die Nachricht, die Fluechtlinge seien in Hungerstreik getreten. Gleich nach Bekanntwerden der Behoerdenverfuegung haben sich ein halbes Hundert anstaendige Buerger Landshuts getroffen, um unter sich und mit den Fluechtlingen zu beraten, wie man die Abschiebung verhindern koenne. Heute, Mittwoch, gibt es eine Kundgebung vor dem Sitz der niederbayerischen Bezirksregierung, und von dort wird man zum Landshuter Rathaus demonstrieren.  Morgen, Donnerstag, wollen die Leute, die was dagegen haben, dass andere Leute wie rechtsloses Vieh behandelt werden, dabei sein, wenn die Busse kommen, in die die Fluechtlinge verbracht werden sollen. Aktivisten des Bayerischen Fluechtlingsrats und der Organisation Karawane geben Unterstuetzung. Cornelia Moeller, die Bundstagsabgeordnete der Linkspartei, hilft bei der Solidaritaetsarbeit. Die Organisationen, die zusammen den Infoladen betreiben, organisieren, verbreiten Information.

 

Es gibt sie, die anstaendigen Buerger Landshuts. Das sind buergerliche Demokraten, die ihre Ideale noch ernst nehmen, und Linke verschiedener Couleur. Aber wenn man bedenkt, dass Landshut 55 000 Einwohner hat, sind es nicht viele, die solidarisch sind. Die Partei, die sich christlich nennt, betreibt die Schweinerei. Die Sozialdemokraten schweigen. Man ist wohl froh, dass man "Opposition" ist und also die Schweinerei nicht selbst machen muss. Die Masse der Buerger nimmt nicht wahr, und wenn sie wahrnimmt, schaut sie schnell weg, und nicht wenige werden denken: Gut so, dass diese Auslaender aus Landshut wegkommen, aus unserer saueberen, gepflegten, gemuetlichen Stadt.

 

Die Bezirksregierung hat vor den Baracken, die jetzt zwangsgeraeumt werden sollen, Container aufgestellt, Abfallcontainer. Da hinein werden die kleinen Habseligkeiten geworfen, die sich die Fluechtlinge gekauft haben oder die sie von irgendjemandem gespendet bekommen haben - Kleinmoebel und Sachen, die sich nicht in Koffer packen lassen. Morgen, Donnerstag, kommen die Busse. Das sind die Abfallcontainer fuer Menschen. Die  Unterscheidung macht man. Noch.

 

 

 

 

 

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