Scharaden um Libyen. Menschenrechten ist gar nicht so leicht.

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Die UNO-Resolution 1973, die Libyen zur Bombardierung freigibt, wird noch in anderer Hinsicht Geschichte machen. Das Abstimmungsverhalten der fünfzehn im Sicherheitsrat vertreten Staaten zeigt, dass in der weltweiten Staatenkonkurrenz Veränderungen vor sich gehen. Die Gewichte der Staaten verschieben sich, seit einem halben Jahrhundert existierende Allianzen bröckeln, neue formieren sich.

 

Schon seit Beginn der Unruhen im arabischen Raum ist klar: Es gibt keine gemeinsame Aussenpolitik der EU-Staaten. Das EU-Parlament hat zwar eine scharfmacherische Resolution beschlossen und diese Debatte unter denen, die in der EU nichts zu sagen haben, wurde in den Medien breitgetreten. Aber der EU-Gipfel der Regierungschefs - dort, wo wirklich entschieden wird - hat keine Beschlüsse zustande gebracht, die die operative Umsetzung einer "gemeinsamen europäischen Aussenpolitik" hätte in Gang setzen können. In der Libyenkrise zeigt sich, dass da nichts Staatsähnliches zusammenwächst, sondern dass es sich bei der EU um ein Staatenbündnis handelt, dessen gemeinsame Substanz eher bröckelt, als das sie sich festigen würde. Grossbritannien und Frankreich gehen mit den USA, Deutschland bezieht eine eigene Position. Die drei bedeutensten Staaten gehen also getrennte Wege. Die "Achse" Berlin - Paris" ist gebrochen. Paris und London agieren im demonstrativ zur Schau gestellten Schulterschluss - gegen die EU-Vormacht Deutschland. In der Abstimmung der UN-Resolution zeigte sich eine frappierende Konstellation innerhalb der "Westmächte": auf der einen Seite die USA, Grossbritannien und Frankreich - die ehemaligen "West-Alliierten"; auf der anderen Seite Deutschland und Italien - die ehemaligen Achsenmächte.

 

Der Anker für die die Opposition gegen die Dominanz Deutschlands in der EU sind die USA. An ihnen scheidet sich in Europa Freund und Feind. Die US-geführte NATO funktioniert als Gegengewicht zu den Ambitionen auf eine "europäische Aussenpolitik". Wenn eine solche nicht im Windschatten der USA läuft, läuft sie gar nicht. Die strategische Zielsetzung der USA, keinen Konkurrenten auf Augenhöhe neben sich aufkommen zu lassen, ist mit der Libyenkrise ein Stück vorangekommen. Die Zerteilung der EU in Willige und nicht so Willige - in der Bush-schen Formulierung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns - funktioniert in der Libyenkrise noch besser als im Fall des Überfalls auf den Irak. Damals gruppierte sich ein Teil der europäischen Staaten um die USA, ein anderer um Deutschland. In der Libyenkrise hat sich das Kräfteverhältnis zwischen diesen beiden Gruppierungen eher zugunsten der USA und zuungunsten Deutschlands verschoben.

 

Die Option der deutschen Aussenpolitik auf einen "Sonderweg" zieht also Kosten nach sich. Aber es ist ja nicht aller Tage Abend, da mag mancher - vom deutschen Standpunkt aus - Unwillige jetzt mit den USA gehen, man wird ihm schon zeigen, dass die Basis aller Politisiererei die Wirtschaft ist und dass in dieser Hinsicht niemand in Europa so leicht an Deutschland vorbeikommt. Wo Polen oder Griechenland oder Spanien draufsteht, ist nämlich in dieser Hinsicht viel Deutschland drin.

 

Für die UN-Resolution 1973 haben zehn Sicherheitsrats-Mitglieder gestimmt, fünf haben sich enthalten. Notwendig für einen Beschluss waren mindestens neun Stimmen. Die Kriegsfraktion kam also ziemlich knapp durch. Es hing an zwei Staaten. Die beiden Lager repräsentieren auf der einen Seite den Hegemonialanspruch der USA, auf der anderen die Mächte, die ein Interesse daran haben, diese Hegemonie zu brechen und in eine "multipolare Welt" überzuführen - China und Russland selbstverständlich, Deutschland - nicht selbstverständlich, aber immer öfter - mit ihnen und nicht mit den alten Freunden jenseits des Atlantik. Dieses, im Sicherheitsrat noch kleinere Lager, steht für weitere aufstrebenden Mächte unter den sogenannten Schwellenländern.

 

Die internationalen Konstellationen entscheiden sich natürlich nicht an Libyen. Libyen ist bloss ein kleines Teilchen des grossen Puzzles. Aber ein Hinweis auf strategische Entwicklungen über längere Fristen ist die UN-Resolution 1973 schon. Diese Entwicklungen laufen nicht geradlinig, sondern in verschlungenen Kurven, gelegentliche Kehrtwendungen eingeschlossen. Die Kalkulationen der deutschen Monopolbourgeoisie - von ihr ist die Rede, wenn von Deutschland die Rede ist, weil sie jenseits von Parlament und Regierung die wirklcihe Macht ist - sind nicht eindimensional. Die Stimmenthaltung Deutschlands hing wohl an einem Haar und ist innerhalb des Milliardärspacks selbst höchst umstritten,weil die Interessen nicht einheitlich sind und selbst die einzelnen Kapitalgruppierungen mehr als ein Herz in der Brust haben.

 

Wer die Kriegsfraktion macht und wer sich friedliebend geriert, ist in gewissem Mass Zufall. Darin, dass Libyen zu unterwerfen ist, ist man sich ja einig. Die Differenz besteht bloss darin, wer wieviel von einer solchen Unterwerfung - die noch nicht gelungen ist - hat. Wie nahe offene Gewalt und die Ebene des diplomatischen Kampfes beeinander liegen, zeigt eine andere, ebenfalls eigenartige Parallele: Deutschland führte zu Beginn des Konflikts zusammen mit Grossbritannien die erste Militäraktion gegen Libyen durch, das Kommandounternehmen unter dem Vorwand der Rettung von Vertragsarbeitern in Libyen. Die deutsche relative Zurückhaltung in miliärischer Hinsicht kam erst später, nämlich nachdem sich London und Paris unter dem Schirm der USA zusammengetan hatten. Das erinnert an Jugoslawien. Auch damals war Deutschland zunächst der Scharfmacher, der als erster Staat die Sezessionen anerkannte und alles tat, um die Konfliktparteien aufeinander zu hetzen. Dem folgte, ganz ähnlich wie jetzt im Fall Libyens, der USamerikanische Konter, bei dem es auch darum ging, Deutschland nicht das Feld zu überlassen. Der Konter setzte sofort auf die Anwendung militärischer Macht und zwang Deutschland, zurück ins Glied zu treten. Im Fall Libyens kann Deutschland zwar nach wie vor in Sachen Militär den USA nicht Paroli bieten, musste sich auch gefallen lassen, dass andere die Initiative übernahmen, trat allerdings - und das ist anders als im Fall Jugoslawien, nicht mehr zurück ins Glied. Es stimmte mit Russland und China. ...

 

Die Bauchschmerzen der paar Dutzend Demokraten, die die deutsche Aussenpolitik entscheiden führt dieser Artikel in derFAZ von heute vor:

 

http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~E33040E0E2FD24D9CB176C0A154818900~ATpl~Ecommon~Scontent.html

 

 

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update: Ein Kommentar von Cristoph R. Hörstel zum Thema Medien/Libyen:

http://www.hoerstel.ch/hoerstel/News/Eintrage/2011/3/18_USA_lugen,_betrugen,_morden_-_und_verlieren_am_Ende_doch._Dann_aber_nachhaltig_-_und_wir_alle_mit_ihnen..html

 

 

Veröffentlicht in Westliche Werte Boerse

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<br /> <br /> Die UNO und speziell der Sicherheitsrat verkörpern die weltpolitischen Kräfteverhältnisse des Jahres 1945. Nun könnte man ja, frei nach Udo Jürgens singen "Mit 66 Jahren ist noch lange nicht<br /> Schluss!"<br /> <br /> <br /> Man könnte aber auch dieses oberste Weltgremium den Realitäten des Jahres 2011 anpassen. Das hiesse, die Rolle von Ländern wie UK und Frankreich ihrer Bedeutung in der heutigen Welt anzupassen,<br /> z.B. ihnen das Veto-Recht zu entziehen. Indien und Brasilien wären dagegen auf jeden Fall aufzuwerten. Mit der deutschen Rolle habe ich kein Problem. Einen ständigen Sitz könnte unsere Politik<br /> intellektuell überhaupt nicht verkraften. Es wird immer so sein, dass die USA bei Bedarf Europäische Partnerländer auf ihre Seite ziehen können. Die fühlen sich dann nicht etwa benutzt, sondern<br /> "gebauchpinselt". Aber Allianzen wie Frankreich USA hatten bisher immer eine kurze Halbwertszeit. Ähnliches gilt für Polen!<br /> <br /> <br /> USA und UK haben ihre Rollenteilung von Herr und Knecht schon vor langer Zeit gefunden und die Briten genießen sie.<br /> <br /> <br /> Was Deutschland betrifft sollten wir nicht gleich jedes Mal vor Angst erstarren, wenn wir in Einzelfragen einmal nicht auf Seiten der USA stehen. Schließlich vertreten die USA hauptsächlich ihre<br /> eigenen Interessen. Wie könnte es da sein, dass wir nicht gelegentlich über Kreuz liegen? Wir Deutschen könnten aber schief liegen, wenn wir glaubten, dass uns unsere Zahlmeisterfunktion in der<br /> EU Sympathien oder gar Sonderrechte verschafften. Dies ist nicht der Fall. Kurz: Ich finde nicht, dass sich Deutschland blamiert hat im Sicherheitsrat. Die Stimmenthaltung war eine hoch<br /> angemessene, nicht schädliche Geste.<br /> <br /> <br /> Ich will nicht verhehlen, dass ich persönlich eine Ablehnung der Resolution auch als Option gesehen hätte. Was dann? Hätte man uns dann den Krieg erklärt, oder was?<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> <br />
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