Zum Tag: Iran - Ideologie, Macht und Interessen

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Was ist los im Iran ? Kaempfen da die konservativen Islamisten gegen die libaeralen Islamisten ? Die bornierten Nationalisten gegen die aufgeklaerten Sympathisanten der westlichen Lebensart ? Die theokratische Diktatur gegen die Demokratie ? Wer sind ueberhaupt die Akteure ?

TVE 1 hat gestern einen im spanischen Exil lebenden Iraner interviewt. Der Mann meinte, was sich da abspiele, habe wenig mit der Masse der Bevoelkerung zu tun und viel mit Machtkaempfen innerhalb der fuehrenden Schichten. Ich vermute, der Mann hat recht. Die Menschen, die in Teheran aufmarschieren, sind keine Arbeiter aus den Suburbs und keine Bauern, die aus ihren Doerfern in die Sadt stroemen, um die Macht herauszufordern. Es sind augenscheinlich Bessergestellte, Buergerinnen und Buerger und deren studierende Soehne und Toechter.

Offenbar geht durch die iranische Bourgeoisie und das Kleinbuergertum eine Bruchlinie. Die einen erhoffen sich von einem "konservativen" Regime, dass ihre Geschaefte vor dem Zugriff der internationalen Multis und Konkurrenz aus dem Ausland geschuetzt werden. Die anderen erhoffen sich von einer "Oeffnung", dass sie von ihr profitieren werden, dass "internationale Investoren" auch ihre Geschaefte beleben koennten und sich Moeglichkeiten auftun, auch anderswo auf der Welt Geld zu machen. Die jeweils zugehoerige Ideologie ist die Sosse ueber den nackten Interessen.

Fuer die Masse der Bevoelkerung ist keins von beidem eine Hoffnung. Die liberale Bourgeoisie zahlt keine besseren Loehne als die konservative. Die liberalen Grosshaendler zahlen den Bauern fuer ihre Produkte keine besseren Preise als die konservativen. Und bei allem, was sich im Moment politisch regt, sind die Arbeiter und Bauern nicht die Protagonisten. Bei einer weiteren Zuspitzung des Konflikts werden beide Seiten, Konservative und Liberale, versuchen, die Massen vor ihren Karren zu spannen. Dafuer brauchen sie ihre jeweilige Ideologie auch. Sie dient sowohl der Selbstverstaendigung im jeweils eigenen Lager als auch als Propagandainstrumentarium dafuer,  die Masse der Bevoelkerung zu fangen und sie in Haendel hineinzuziehen, die mit ihren Interessen nicht viel zu tun haben.

Tudeh, die kommunistische Partei, hat sich im gegenwaertigen Konflikt faktisch auf die Seite der Liberalen gestellt. Sie hofft vermutlich, dass sie als Partei, wie Arbeiter- und Bauernorganisationen im allgemeinen, unter einem liberaleren Regime mehr legale Moeglichkeiten erhaelt. Der Ahmadineschad-Fluegel der Bourgeoisie und des Kleinbuergertums haelt alles, was von unten kommt, in unbarmherziger Illegalitaet. Die Repression ist so grausam wie zu den Zeiten des Shahs. Jeder Wechsel kann in dieser Hinsicht nur Besserung bringen.

Wie es im Moment aussieht, wird aber die liberale Bourgeoisie den Machtkampf verlieren. Man wird sich vermutlich hinter den Kulissen auf eine gewisse Neuverteilung der Pfruenden und der Machtbalance einigen - so oder so auf Kosten der Masse der Bevoelkerung, die gerade in raschem Tempo noch mehr verarmt.

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