Zehn Jahre Shanghai-Organisation

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Resumee und Ausblick von Willi Gerns in der UZ:

 

Zehn Jahre Schanghai-Organisation
UN-Vollversammlung: "Eine Schlüsselorganisation
für Sicherheit und Stabilität in Zentralasien"

Am 14./15. Juni wurde in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, das zehnjährige Bestehen der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit auf einem Jubiläumsgipfel gewürdigt. Teilnehmer waren die Präsidenten der Mitgliedstaaten Russland, China, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan sowie die Leiter der Delegationen Indiens, Irans, der Mongolei und Pakistans, die einen Beobachterstatus haben. Gäste waren die Präsidenten Turkmenistans und Afghanistans sowie Vertreter der UNO, der GUS, der ASEAN, der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Organisation des Vertrages für Kollektive Sicherheit.

Internationale Autorität der SOZ

Allein die Zusammensetzung des Jubiläumsgipfels macht bereits die internationale Autorität der SOZ deutlich. Sie beruht sicher in erster Linie auf ihrem Gewicht in der Weltpolitik und Weltwirtschaft. Die Mitglieds- und Beobachterstaaten umfassen ein Territorium, das vom Stillen und Indischen Ozean bis an die EU reicht. In seinen Grenzen lebt fast die Hälfte der Menschheit. Zu diesen Staaten gehören zwei ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und vier Atomwaffen besitzende Mächte. Ein Vorzug der Organisation liegt im Zusammenwirken mit islamischen Staaten. Ein angesichts der Konfrontation der USA und ihres NATO-Gefolges mit der islamischen Welt nicht zu unterschätzender Faktor.

Zu den Potenzen der SOZ gehört ihr wachsendes ökonomisches Gewicht. Chinas Wirtschaft (inzwischen weltweit die zweitstärkste Volkswirtschaft und Exportweltmeister) wächst weiterhin mit um die 10 Prozent, die indische um 8 Prozent. Die russische Wirtschaft ist mit 4 Prozent Wachstum 2010 und erwarteten 4,8 Prozent für 2011 (IWF-Prognose) dabei sich von dem tiefen Einbruch während der Weltwirtschafts- und -finanzkrise zu erholen. Auch die Wirtschaften der zentralasiatischen Staaten weisen hohe Wachstumsraten auf. Von kaum geringerer Bedeutung sind die gewaltigen Gas- und Ölressourcen Russlands und der zentralasiatischen SOZ-Staaten. Was die Gasreserven betrifft, so verfügt allein Russland mit 27,5 Prozent über den bei weitem größten Anteil an den gesicherten Weltressourcen, gefolgt vom Iran mit 15,9 Prozent. In der Rangfolge der Länder mit den größten gesicherten Erdölreserven steht Russland auf dem 8. Platz.

Mit diesem Gewicht sind zugleich große Erwartungen verbunden. Leonid Moisejew, Nationaler Koordinator bei der SOZ von Seiten Russlands, stellt dazu In einem Interview mit dem Informationsdienst der SOZ fest: "In der Weltgemeinschaft wird unsere Vereinigung als eine gewisse Alternative zu der in den letzten Jahrzehnten in der Welt entstandenen Ordnung gesehen, in der mächtige Staaten meinen, sich so aufführen zu können wie sie wollen, ohne sich um das internationale Recht und die Meinung anderer zu kümmern. ... Der SOZ ist ein solches Herangehen absolut fremd. Wir verteidigen das, was unserer Vereinigung zu Grunde liegt: Alle Länder, unabhängig von ihrer Größe, ihrer Geschichte, ihren kulturellen und nationalen Gewohnheiten, sind gleichberechtigt und haben die gleiche Stimme bei der Entscheidung aller Fragen, die auf der Tagesordnung stehen. Von daher die entsprechende Reaktion in der Welt auf die SOZ als eine reale Alternative und die damit verbundenen großen Erwartungen."

Erfolge und Probleme

Die Autorität der SOZ hängt natürlich auch mit dem zusammen, was im zurückliegenden Jahrzehnt erreicht werden konnte. Wie Moisejew betont, wurden in dieser Zeit die Strukturen für die erfolgreiche Arbeit der Organisation geschaffen. Mit den Regeln für die Aufnahme neuer Mitglieder in die Organisation wurden wurde das Instrumentarium auf dem Jubiläumsgipfel komplettiert. Die Nichterweiterung der Zahl der Vollmitglieder wurde in den letzten Jahren offiziell mit dem Fehlen von Mechanismen für die Aufnahme begründet. Die gewichtigeren Gründe waren aber weniger technischer als vielmehr politischer Natur. Das wird besonders deutlich im Fall des Iran, der bereits Beobachterstatus hat und mit Nachdruck auf die volle Mitgliedschaft drängt. Die Mitgliedstaaten fürchten offenbar - wie Michail Kalischewski in einem Beitrag auf der Seite Fergana.ru vermutet - dass eine Aufnahme des Iran in Washington als Signal für die Verwandlung der SOZ in eine offen antiamerikanische und antiwestliche Organisation verstanden werden könnte. Deshalb wurde eine Barriere gegen eine Vollmitgliedschaft des Iran in Gestalt eines Aufnahmeverbots für Staaten errichtet, gegen die die UNO Sanktionen verhängt hat. Dieses Verbot wurde auf dem jetzigen Jubiläumsgipfel bekräftigt. Über diesen Punkt hinaus enthalten die in Astana vereinbarten Regeln für die Aufnahme neuer Mitglieder noch folgende Festlegungen: Staaten, die Mitglieder der SOZ werden wollen, müssen zur eurasischen Region gehören, diplomatische Beziehungen mit allen Mitgliedstaaten unterhalten, den Status eines Beobachters oder Dialogpartners haben, aktive Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den Mitgliedstaaten unterhalten. Desweiteren dürfen die internationalen Verpflichtungen dieser Staaten nicht im Widerspruch zu den internationalen Verträgen und anderen Dokumenten der SOZ stehen und die Staaten dürfen sich nicht im Zustand eines bewaffneten Konflikts mit anderen Staaten befinden.

Nach diesen Regeln muss wohl davon ausgegangen werden, dass es in absehbarer Zeit keine Erweiterung des Kreises der Vollmitglieder geben wird. Eine Aufnahme Indiens trifft auf den Widerstand Chinas; einer Aufnahme Pakistans könnte Russland wiederum angesichts seiner traditionell guten Beziehungen zu Indien schwerlich zustimmen, wenn Indien dies verweigert würde; Afghanistan, das als Dialogpartner gehandelt wird, kommt unter den jetzigen und absehbaren dortigen Verhältnissen ebenfalls nicht infrage und die Mongolei bewirbt sich nicht um Vollmitgliedschaft. Der zum Jubiläumsgipfel eingeladene turkmenische Präsident hat sein Desinteresse dadurch bekundet, dass er die Einladung nicht wahrgenommen hat. Denkbar sind dagegen die Ausdehnung des Beobachterstatus sowie der von Dialogpartnern auf weitere Staaten. Erfolge im Rahmen der SOZ gibt es - so Moisejew - auf vielen Gebieten, darunter in Bildung und Kultur sowie bei der Koordinierung des Kampfes der Mitgliedstaaten gegen Drogen und Terrorismus. Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen terroristische Gefahren stehen auch die regelmäßigen gemeinsamen militärischen Übungen. Wobei nachdrücklich betont wird, dass die SOZ kein darüber hinausgehendes Militärbündnis werden wolle.

Nicht unerwähnt bleiben darf jedoch die Entwicklung auf einem anderen Feld der Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität. Es geht dabei um die Verhinderung religiöser und ethnischer Konflikte, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR auch in Zentralasien wieder aufgebrochenen waren und bei deren Eindämmung es durchaus Fortschritte gab. Die von nationalistischen Kräften in Kirgistan im vergangenen Jahr verübten Massaker stellen allerdings einen schlimmen Rückschlag dar.

Besorgniserregend bleibt die Situation in Afghanistan und Pakistan. In diesem Zusammenhang weist Moisejew darauf hin, dass es das Streben einiger nicht zur Region gehörender Mächte gebe, mit dem Abzug ausländischer Truppen aus Afghanistan die Hauptverantwortung für die dortige Stabilität der SOZ aufzuerlegen. Moisejew: "Wir werden uns unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Vergangenheit, ich denke dabei an den zehnjährigen Krieg der Sowjetunion in Afghanistan, nicht darauf einlassen."

SOZ als Türöffner für Expansion Chinas in Zentralasien

Was die Wirtschaft betrifft so gibt es auch hier Erfolge. Allerdings seien sie bescheidener, wie Moisejew feststellt.. Was verständlich sei angesichts des äußerst unterschiedlichen ökonomischen Gewichts der sechs Mitgliedstaaten hinsichtlich des Umfangs ihrer Wirtschaftsleistung, ihrer Ressourcen und vorrangigen Aufgaben.

Im Gefolge stellt die wirtschaftliche Kooperation, so Kalischewski in dem Beitrag auf Fergana.ru, weitgehend eine Einbahnstraße von Seiten Chinas dar. Bereits 2004 pumpte China eine Milliarde Dollar in die Entwicklung des gegenseitigen Handels. Im Vergleich zu China spielt Russland, das die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien noch immer als sein angestammtes Einflussgebiet versteht, heute als Investor, Kreditgeber und zunehmend auch als Handelspartner in dieser Region eine immer geringere Rolle. Zudem ist China inzwischen der rührigste Initiator bei der Entwicklung von Transportnetzen und Energieprojekten. China tritt für die Idee ein, einen "Energieklub" sowie eine Bank der SOZ einzurichten, wo die Verrechnungen in nationaler Valuta erfolgen, was nach Ansicht mancher Kommentatoren vor allem die Position Chinas stärken wird.

In der nächsten Arbeitsperiode hat China den Vorsitz in der SOZ. In diesem Zusammenhang erklärte der chinesische Präsident Hu Jintao auf dem Jubiläumsgipfel, dass China auch weiterhin den Mitgliedsländern Kredite zu Vorzugsbedingungen zur Verfügung stellen wird. Die chinesische Seite werde Anstrengungen unternehmen "um das ´Eurasische Ökonomische Forum´ und die ´Chinesisch-Eurasische Messe´ zu einer Plattform der regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Stimulierung des wirtschaftlichen Aufblühens der Region zu machen". Hu Jintao erinnerte daran, dass China bereits zugesagt habe, den Teilnehmerstaaten weitere Vorzugskredite in Höhe von zwölf Milliarden Dollar zu gewähren. Diese Kredite werden in chinesischen Yuan berechnet.

Der Mitarbeiter des russischen Präsidenten S. Prichodko erklärte dazu, dass Russland darin keine Gefahr sehe, sondern sich dazu positiv verhalte. Offenbar bleibt Russland angesichts der gegebenen ökonomischen Kräfteverhältnisse nichts anderes übrig als sich damit abzufinden, wirtschaftlich zunehmend nur noch die zweite Geige in der SOZ zu spielen.

Zu den Entwicklungen in der arabischen Welt

In der "Deklaration von Astana", dem Abschlussdokument des Jubiläumsgipfels, äußern sich die Präsidenten der Mitgliedstaaten u. a. auch zu den Entwicklungen in der arabischen Welt. Dazu heißt es: Die Mitgliedsländer der SOZ "unterstützen das Voranschreiten der Staaten der Region auf dem Weg der demokratischen Entwicklung unter Berücksichtigung von deren Spezifik und der kulturellen und historischen Besonderheiten ... Alle inneren Konflikte und Krisen müssen ausschließlich mit friedlichen Mitteln und auf dem Wege eines politischen Dialogs geregelt werden, während die Schritte der internationalen Völkergemeinschaft auf die Förderung von Prozessen der nationalen Aussöhnung gerichtet und strikt auf der Grundlage des Völkerrechts unternommen werden müssen - bei einer umfassenden Respektierung der Unabhängigkeit, der Souveränität und der territorialen Integrität sowie unter Einhaltung der Prinzipien der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten jedes unabhängigen Staates." Gefordert wird die Einstellung der bewaffneten Konfrontation in Libyen und zu einer "strikten Einhaltung der Resolutionen 1970 und1973 des UNO-Sicherheitsrats durch alle Seiten" aufgerufen.

Willi Gerns

 

Quelle: http://www.dkp-online.de/uz/

 

 

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