Globalisierung ?

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Den folgenden Text habe ich 2008 geschrieben. Er steht im Zusammenhang einer theoretischen Auseinandersetzung in der DKP. Aber die darin aufgeworfenen Fragen haben in der linken Diskussion allgemein  und auch in der büergerlichen Volkswirtschaftslehre einen hohen Stellenwert.

 

In dem Text wird gegen die Globalisierungsthese argumentiert, die in der bürgerlichen Betrachtung seit den 1990er Jahren zu einem kaum noch hinterfragten Axiom geworden ist und auch von Linken - in der DKP von den Anhängern der These vom "kollektiven Imperialismus" - für ausgemacht gilt. Wenige Monate nach Fertigstellung des Textes trat die Weltwirtschaftskrise in ein akutes Stadium. Ih meine, dass ihre bisherigen Resultate meine Argumente unterstützen. In der Krise zeigt sich deutlicher, dass den monopolistischen Kapitalen nach wie vor das nationale Hemd näher ist als der globale Rock. Die Widersprüche zwischen den imperialistischen Zentren Westeuropa, USA und Japan - und in Westeuropa zwischen den Mitgliedsstaaten der EU - nehmen nicht ab, sondern zu.

 

Hier der Text aus 2008:

 

 

Kollektiver oder hundsgewöhnlicher Imperialismus ?

 

Die gegenwaertigen wirtschaftlichen Entwicklungen werden gewoehnlich Globalisierung genannt. Es wird behauptet, eine enger werdende wirtschaftliche Verbindung im Weltmassstab ziehe nach sich, dass die Einzelstaaten an Bedeutung und Macht verlieren, die Gegensaetzlichkeit ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen abnehme oder tendenziell in neuen Austragungsformen aufgehoben werde. Die Bedeutung und Steuerungsfunktion internationaler (supranationaler) Institutionen nehme dagegen zu. Namentlich international agierenden Monopole und die westlichen Staaten haetten jedenfalls essentielle gemeinsame Interessen, die sie gemeinsam verfolgen, und zwar auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen Verflechtung untereinander einerseits und ihrer imperialen Ambitionen gegenueber dem armen Teil der Welt ("Nord-Sued-Konflikt") andererseits. Es ist von einer "Globalisierung der Politik" die Rede; in dem Zusammenhang besonders haeufig von der Wirtschafts-, "Umwelt"- und Rechtspolitik. Internationale Organisationen wie UNO, IWF, Weltbank, WTO, OECD, diverse Unter-Organisationen der UNO und die sogenannten NGOs sollen institutioneller Ausdruck einer "Globalisierung" sein. In der zugespitztesten Form wird behauptet, es gebe eine Tendenz zu einem "kollektiven Imperialismus", ja einem imperialistischen Weltstaat. Das sind weitgehende Behauptungen, aus denen weitgehende Schlussfolgerungen gezogen werden.

- So konstatiert Leo Mayer: "... gehe ich davon aus, dass die wirtschaftliche Verflechtung zwischen der EU und den USA bereits einen Grad erreicht hat, der es schwierig macht, von ... zwei getrennten, konkurrierenden Bloecken zu sprechen. Es entsteht eine transatlantische Wirtschaftszone."( Seminar Imperialismus-Globalisierung-Staat, 4. zum Verhaeltnis USA - EU) Belege fuer diese Behauptung sehen die Vertreter der These vom "kollektiven Imperialismus" in Tatsachen wie diesen: Die von den USA aus getaetigten Direktinvestitionen im Ausland fliessen, z.B. etwa in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, zu gut der Haelfte in EU-Staaten - und vice versa. Die etwa 1000 Tochterfirmen deutscher Unternehmen in den USA erwirtschafteten dort einen Jahresumsatz von 500 Milliarden USD. Der Umsatz von Tochterfirmen europaeischer Konzerne in den USA und von USA-Konzernen in der EU betrage etwa das Vierfache der Handelsstroeme zwischen diesen Wirtschaftsraeumen. Die Mehrheit der boersennotierten in Deutschland ansaessigen Aktiengesellschaften sei mehrheitlich in auslaendischer Hand. Aber auch der transatlantische Handel habe in den 90er Jahren "weit schneller zugenommen als der Welthandel". Dazu kaeme die Verflechtung der Finanzmaerkte. Fuer alle (weltweit agierenden) Multis seien die USA der wichtigste Markt, auch fuer deutsche wie Siemens. 

 

Entwicklung seit etwa Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts

Bei den seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts neuen Erscheinungen handelt es sich um das Zusammenfallen mehrerer Entwicklungen, die nicht ursaechlich miteinander zusammenhaengen, einander aber beeinflussen und zum Teil verstaerken:

- erstens um die wirtschaftliche Umsetzung v.a. der EDV, aber auch wissenschaftlichtechnischen Fortschritten bei Werkstoffen und in der Biochemie, im Transportwesen;

- zweitens um den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Osteuropa;

- drittens um eine politische Offensive der Monopolbourgeosie, namentlich der Kapitale, die in internationalen Geschaeften und/oder in mehreren Staaten/Weltregionen stark enegagiert sind; letztere ging von den USA unter Reagan und Grossbritannien unter Thatcher aus.

Der Umorientierung der staatlichen Wirtschaftspolitik "von Keynes auf Neoliberalismus" lagen nicht irgendwelche Gesetzmaessigkeiten der Kapitalverwertung, gar unter globalen Gesichtspunkten, sondern die nationalen Interessen der USA zugrunde. Reagans erstes Wirtschaftsprogramm von 1981 "Americas new beginning; a Program of Economic Recovery" war der Versuch, die inneren wirtschaftlichen Schwierigkeiten - hohe Inflation und Arbeitslosigkeit, geringe Investitionen und Wachstumsraten - und die sich seit den 60er Jahren staendig verschlechternde wirtschaftliche Stellung der USA im Weltmassstab mit einer radikalen wirtschaftlichen - und damit verbunden politisch-militaerischen - Neuorientierung zu loesen - dem Rueckzug des Staates als unmittelbarer Akteur in der Wirtschaft und die Reduzierung seiner Rolle auf "Makro-Steuerung" vornehmlich mit geldpolitischen Mitteln, die Senkung der Einkommens- und Unternehmenssteuern und der Staatsquote, die Verarmung der unteren Klassen und Schichten und die noch staerkere Konzentrierung des gesellschaftlichen Reichtums auf die grossen, monopolistischen, Kapitale.

Der Bundesverband deutscher Banken beschreibt die Entwicklung nach dem II. Weltkrieg so (Bundesverband deutscher Banken. Daten, Fakten, Argumente. Berlion. November 2003):

"Seit dem Ende des 2. Weltkriegs wurden mit der Liberalisierung der Waren-, Dienstleistungs- und Finanzmaerkte jene Rahmenbdengungen geschaffen, duerch die der Grad der internationalen Arbeitsteilung kontinuierlich erhoeht werden konnte ... Mitte der achtziger Jahre, als sich - ausgehend von den USA und Grossbriatnnien - eine neue Welle der Marktliberalisierung ausbreitete, beschleunigte sich das Tempo ... spuerbar. Das war in erster Linie dem Umstand zu verdanken, dass sich der Fokus der weltwirtschaftlichen Integration von den Handelsstroemen auf die Kapitalstroeme und hier insbesondere auf die Direktinvestitionen verlagerte.

... Das weltweite Handelsvolumen nahm im Verlauf der neunziger Jahre um jahresdruchschnittlich 6,7 % zu. Das Wachstum der internationalen Direktinvestitionen ... um ... fast 18 %.

... Aus der EU, den USA und Japan stammen ueber 83 % aller Direktinvestitionen. Gleichzeitig flossen 62 % aller Direktinvestitionen in diese Laender.

... Da Japan ... als Zielland ... eine eher untergeordnete Rolle spielt - im Durchschnitt der neunziger Jahre flossen nur 0,6 % aller Direktinvestitionen nach Japan - liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die weltwirtschaaftliche Verflechtung zwischen Europa und den USA das eigentliche Gravitationszentrum der Globalisierung bildet."

Allerdings:

"Der Wachstumstrend der neunziger Jahre ist zu Beginn des neuen Jahrhunderts abrupt unterbrochen worden. Sowohl der Welthandel als auch die Direktinvestitionen waren 2001 erstmals seit Anfang der neunziger Jahre ruecklaeufig ... Die weltweiten Warenexporte sanken 2001 nominal um 3,7 % und real um 1 %. Damit war 2001 das Volumen der Weltexporte erstmals seit 1982 ruecklaeufig ... Im Jahr 2002 erhoehten sich die Warenexporte zwar wieder, ihre Wachstumsdynamik blieb jedoch weit hinter dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts ... Nominal konnten die Exporte um 4,6 und real um 2,5 % zulegen.

... Noch deutlich staerker ... fiel die Trendwende bei den weltweiten Direktinvestitionen aus. Sie erreichten im Jahr 2000 mit knapp 1400 Milliarden USD ihren vorlaeufigen Hoehepunkt ... Im Jahr 2001 sanken die Direktinvestitionen um 40 %. 2002 setzte sich die Abwaertsbewegung mit einem Ruekgang von weiteren 21 % fort, so dass sich das Niveau des Jahres 2000 mehr als halbiert hat ... Waehrend sich der Rueckgang der Direktinvestitionen im Jahr 2002 fast gleichmaessig auf die Industrie- und Entwicklungslaender verteilte, sanken sie im Jahr zuvor vornehmlich in den Industrielaendern. Insgesamt hatten in diesen beiden Jahren die USA den staerksten Rueckgang zu verkraften. Mit 30 Milliarden floss 2000 nur noch ein Zehntel der Direktinvestitionen des Jahres 2000 in die groesste Volkswirtschaft der Welt. Damit entfielen mehr als 40 % des Rueckgangs ... in den Industrielaendern auf die USA."

 

 

"Ich glaube nur Statistiken, die ich selber gefaelscht habe ..."

Die in Umlauf befindlichen Statistiken, die die "Globalisierung" belegen sollen, sind mit Vorsicht zu interpretieren.

Gewoehnlich wird bei absoluten Zahlen der USD zugrundegelegt und werden aus diesen auch die prozentualen Wachstumsraten abgeleitet. Hierbei ist zu bedenken, dass es sich um eine Waehrung handelt, die im Lauf der vergangenen fuenfzig Jahre dramatisch an innerem Wert - "Kaufkraft" - und noch mehr an auesserem Wert - im Austauschverhaeltnis mit anderen Waehrungen - verloren hat. Beispielsweise lag das Austauschverhaeltnis Dollar-DM in den 60er Jahren noch bei ueber 4 DM pro Dollar; 1985 bei 2,94; 1987 bei 1,80; heute laege es (Euro in "DM umgerechnet) bei 1,30. Aehnlich entwickelte sich das Dollar-Jen-Verhaeltnis. - Innerhalb eines halben Jahrhunderts ist der Aussenwert des Dollar auf ungefaehr ein Viertel zusammengeschrumpft. Wenn Gueter und Dienstleistungen und Zahlungsstroeme in Dollar zu laufenden Preisen gemessen werden, ergibt sich also eine entsprechende "Aufblaehung" um etwa das Vierfache im Vergleich zu den 50er Jahren.

Allgemein uebertreiben Messungen, denen laufende Preise zugrunde liegen, die wirkliche materielle Entwicklung, naemlich um den Inflationsfaktor, der mehr oder weniger alle Waehrungen betrifft. Jedermann weiss zum Beispiel aus eigener Erfahrung, dass der offizielle Umrechnungskurs der DM zum Euro von 2 zu 1 praktisch fuer die Besitzer von als Zahlungsmittel fungierendem Geld in Wirklichkeit ein weit unguenstigeres Verhaeltnis hergestellt hat - der Euro in Wirklichkeit bei weitem keine zwei DM "wert" ist; und die Aelteren werden sich erinnern, dass man sich in den 50er Jahren ein Broetchen fuer 7 Pfennige kaufen konnte, das in den 90er Jahren 30 oder 50 Pfennige kostet und, mit Euro bezahlt, mittlerweile etwa dasselbe in Cent - also nochmals doppelt soviel.

Die angeblich rasende Zunahme der internationalen Wirtschaftsverflechtung wird gern mit Kapitalstroemen belegt; zum Beispiel sind die "Direktinvestitionen" besonders beliebt. Hier sei darauf hingewiesen, dass im "Finanzsektor" die Volatilitaet - die Preisschwankungen der "Finanztitel" - ungleich hoeher ist als in der "Realwirtschaft". Zeitweise gibt es hier eine gallopierende Sonder-Inflation, die die Inflationierung der "Realwirtschaft" um ein Vielfaches uebersteigt, ohne dass sich der "Wertgehalt" der Papiere entsprechend veraendern wuerde. Beispielsweise lag der DAX vor der Krise von 2001 -03 in der Spitze bei 8000 Punkten und hatte damit das Niveau der Anfang-90er-Jahre um etwa das Siebenfache ueberschritten. Diese "gigantischen Zaheln" verzwergten sich im Lauf der Krise auf ein gutes Viertel: Auf dem Tiefstpunkt der Baisse lag der DAX bei unter 2200 Zahlerpunkten. Fuenf Jahre spaeter hatte er das Rekordniveau fast wieder erreicht - um Anfang 2008 wieder auf 6500 Punkte zu fallen. - Soweit mit "Finanzkapital"-Preisen Statistiken betrieben werden, wird nicht viel mehr gemessen als der jeweilige Inflationierungs- bzw. Deflationierungsstand. Informationen ueber den realen Entwicklunsverlauf sind daraus kaum zu gewinnen. Wer an solche Messungen "glaubt", gewinnt ein falsches Bild von der Wirklichkeit.

Diese Relativierungen in Anzug gebracht, bleibt trotzdem eine bedeutende Zunahme des zwischenstaatlichen Handels seit der Nachkriegszeit. Die Zahlen belegen allerdings keine "neue Phase" ab den 80er Jahren, etwa den Eintritt in eine Phase oder Epoche der "Globalisierung".

Herausragend ist allerdings das Wachstum zwischenstaatlicher Kapitalstroeme. Es beruht auf der politischen Oeffnung des Devisen- und Wertapierhandels, die das vorausgehende Regime der Kapitalverkehrskontrollen ersetzt hat. Auch hier ist aber mitzudenken:

 

Das Wachstum des internationalen Handels mit Guetern und Dienstleistungen und der grenzueberschreitenden Finanzoperationen ist nicht einfach "global", sondern es hat eine Struktur. Erstens konzentriert es sich auf einige wenige Staaten. Zweitens konzentriert es sich regional - so ist z.B. der Aussenhandel der USA zu gut der Haelfte Handel mit Kanada und Mexiko, der Aussenhandel der EU-Staaten zu um die 60 % Eu-interner Handel. Drittens haben Aussenhandel und Kapitalexport/ -import fuer verschiedene Staaten verschiedenes Gewicht. So machen z.B. die Aussenwirtschaftsbeziehungen der USA etwa10 % ihres BIP aus, die Deutschlands mehr als 40 % seines BIP

Die "Rasanz" der 90er Jahre hat sich am Anfang des 21. Jahrhunderts wieder bedeutend vermindert. Die Zeitreihe ist noch zu kurz fuer ein abschliessendes Urteil. Aber moeglicherweise waren die 90er Jahre ein "statistischer Ausrutscher". In jedem Fall ist zu bedenken, dass es im Lauf der kapitalistischem Entwicklung Phasen der Ausweitung des Welthandels gegeben hat und andere Phasen seiner Kontraktion. Die "wirtschaftlichen Verflechtungen" waren im Verlauf der bisherigen Geschichte kein irreversibler Prozess, in dessen Verlauf erreichte Niveaus nicht mehr haetten unterschritten werden koennen.

 

 

Entwicklung der Warenproduktion und des grenzueberschreitenden Handels

Warenproduktion (1) Zuwachs in % grenzueberschr. Zuwachs

(2) Handel in % (2)

 

1950 1 1

1960 1,65 64,7 2,33 133,6

1970 2,94 78,6 5,17 121,4

1980 4,29 46,0 8,67 67,7

1990 5,53 28,8 12,50 44,2

2000 7,12 28,7 23,33 86,7

2004 7,76 9,1 27,50 17,9

(1) Vielfaches von 1950

(2) in % gegenueber vorhergehender Dekade

Quelle: WTO international trade statistics; zitiert nach: www.bpb.de

 

Die prozenzualen Zuwaechse der Warenproduktion nehmen seit 1970 ab.

Die prozentualen Zuwaechse des grenzueberschreitenden Handels verhielten sich zwischen 1970 und 1990 entsprechend, waehrend sie in der Dekade 1990 - 2000 ungefaehr dreimal so stark wuchsen wie die Warenproduktion; der prozentuale Zuwachs bis 2004 kehrt zu den Verhaeltnissen zwischen 1970 und 1990 zurueck.

Uebertreibung

Die Aufbauschung von Zahlen, die den Inhalt der Angelegenheit wenig erhellen und sogar verzerren, hat natuerlich einen Zweck: Die schiere Wucht der Zahlen soll von der Naturgesetzlichkeit der "Globalisierung" ueberzeugen, davon, dass es sich um eine unaufhaltsame Tendenz handelt.

Kapitalfluesse, Eigentum und Souveraenitaet

Entscheidend sind aber nicht Geld-Kapitalfluesse, sondern deren Kristallisierung in Sacheigentum. Ueberall auf der Welt unterliegt dessen Garantie dem Staat, innerhalb dessen Souveraenitaetsgebiet sich dieses Eigentum befindet. Es gibt kein internationales Eigentum. Soweit Eigentumsverhaeltnisse in internationalem oder zwischenstaatlichem Recht geregelt sind, bleiben die Garanten und Exekutoren dieses Rechts die einzelnen Staaten. Es gibt keine internationale Institution, die kraft eigenem souveraenem Recht und entsprechenden Machtmitteln dieses Verhaeltnis aufheben wuerde. Eingriffe in die Souveraenitaet von Staaten sind nicht das Resultat des Verschwindens staatlicher Akteure, sondern der Machtverhaeltnisse zwischen ihnen, die den einen solche Eingriffe ermoeglichen und die anderen zwingt, sie sich gefallen zu lassen. Die Akzeptanz von Schiedsstellen oder internationalen Gerichten liegt in der Souveraenitaet der Staaten, die eingegangene Verpflichtungen auch widerrufen koennen und dies im Bedarfsfall auch tun.

Der offene Rechtbruch in Eigentumsangelegenheiten auslaendischer Eigentuemer - das "Einfrieren" und Beschlagnahmen von Guthaben etc. - findet bis heute nur in Ausnahmefaellen und von Seiten von Metropolenstaaten gegenueber in schwachen Staaten beheimateten Eigentuemern statt. Aber hier findet er statt. Die USA haben irakisches Eigentum in ihrem Hoheitsgebiet beispielsweise schlicht gestohlen. Diese Art von "Eigentuemerwechsel" gehoert durchaus zum Handlungsarsenal der Staaten.

Das Eigentum von Auslaendern steht in jedem Staat praktisch unter politischen Vorbehalten. Ob diese realisiert werden oder nicht, haengt nicht von internationalem Recht oder internationalen Institutionen ab, sondern von den politischen Beziehungen zwischen den Staaten, ihren Interessen und ihren Handlungsfreiheiten nach dem Massstab der Macht.

Der Extremfall des direkten staatlichen Zugriffs auf auslaendisches Eigentum wird nur in Ausnahmefaellen angewandt, selbst in Fall von Kriegen zwischen Staaten nur mit Vorsicht. Aber die Skala staatlichen Betragens gegenueber auslaendischem Eigentum reicht von allerlei kleinen Missguenstigkeiten bis zur Ultima Ratio der Enteignung.

So sorgt sich der schon zitierte Bundesverband deutscher Banken etwa in folgender Weise um die "Globalisierung":

"Insbesondere die Auswirkungen, die von den Ereignissen des 11. September ausgehen, sind sehr vielfaeltig und reichen in alle Bereiche der globalen Wirtswchaftsbeziehungen ... Sie haben bereits daempfend auf die internationale Arbeitsteilung gewirkt und werden dies auch weiterhin tun ... so sind die protektionistischen Tendenzen in der Weltwirtschaft wieder deutlich staerker geworden. Wenn die Furcht vor dem Terrorismus aber dazu beitraegt, dass der Freihandel seine Anhaenger verliert, koennte eine Kettenreaktion ausgeloest werden, die aehnlich wie zu Beginn der dreissiger Jahre des letzten Jahrhunderts die Weltwirtschaft in eine Abwaertsspirale hineinzieht." 

Die Herren im feinen Tuch stellen hier klar, dass die "Globalisierung" keine sich mit gesetzmaessiger Zwangslaeufigkeit durchsetzende Angelegenheit ist, sondern von politischen Kalkulationen abhaengt. Um "die Ereignisse des 11. September und "die Furcht vor dem Terrorismus" handelt es sich im Fall "protektionistischer Tendenzen" wohl eher weniger. Nachdem sie dem politisch korrekten Bezug ihre Reverenz erwiesen haben, werden die Herren denn auch gleich deutlicher:

"Gleichzeitig ist der Eindruck entstanden ..., dass die USA neuerdings eine grundsaetzlich kritischere Haltung gegenueber multilateralen Vereinbarungen einnehmen und ihr Handeln staerker als in der Vergangenheit primaer an amerikanischen Interessen ausrichten."  

Darauf, dass die USA und ihre schwaecheren Rivalen keineswegs einfach "Globalisierung" betreiben, sondern altmodische staatliche Machtpolitik, weist folgende von ihnen angefuehrte Tabelle hin:

Anzahl der bei der WTO angemeldeten bilateralen Freihandelsabkommen:

1980 (ca.) 20

1990 30

1995 80

2000 150

2003 180

Diese Zaheln spiegeln natuerlich einerseits die wachsende Verflechtung der Handelsbeziwehungen wieder; aber andererseits auch, auf welche Weise die daraus folgende Notwendigkeit rechtlicher Regelungen in diesen Faellen geloest wurde: mit zwischenstaatlichen Einzelabkommen, die die beiderseitigen Interessen bedienen und nicht die einer ominoesen Weltgemeinschaft von Haendlern.

  

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die Tatsachen rechtfertigen nicht, die gegenwaertige Entwicklung als Globalisierung in dem Sinn zu interpretieren, dass die gegenwaertige Staatenwelt in eine Internationalitaet, einen Weltsstaat hinueberwachse. Ebensowenig waechst eine Staatengruppe, etwa Westeuropa, die USA und Japan, zu einem Staat oder "etwas Staatsaehnlichem" zusammen, auch nicht die EU.

Es gibt keine sachlichen Gruende fuer die Interpretation der gegenwaertigen Entwicklung als Beginn einer neuen Epoche. Wir leben seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts in der Epoche des Monopolkapitalismus, d.h. des Imperialismus. Dieses wohldefinierte besondere Regime der Kapitalverwertung hat im Lauf von ueber hundert Jahren mehrere Phasen durchlaufen und seine Gestalt geaendert und ausdifferenziert.

Die ihm eigenen Widersprueche haben sich im Lauf seiner Entwicklung zugespitzt, beispielsweise der Widerspruch zwischen den historisch entstandenen buergerlichen Nationalstaaten und dem Beduerfnis der Kapitalverwertung in jedem Winkel des Globus. Eine ganze Reihe dieser Widersprueche ist im Rahmen des bestehenden Gesellschaftssystems nicht loesbar, u.a. eine vernuenftige Allokation der Produktionsmittel - deren Entsprechung die Form des Kapitalexports, des im Weltmassstab nach Verwertung suchenden Monopolkapitals, ist - ist ein Krueppel in jeder Hinsicht .

 

Veröffentlicht in Weltwirtschaftskrise

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> danke für das Angebot, aber 150 Seiten, da bracht es doch etwas Zeit und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich gegenwärtig so tief auf dieses Thema einlassen möchte. Andererseits hattest Du mir<br /> zu anderen Themen einige Betrachtungen zukommen lassen, welche ich gelesen habe, an mancher Stelle sogar mit Anmerkungen versehen, letztlich ist das meiste davon aber auf meiner Festplatte<br /> versumpft. Das erinnert mich daran, dass ich meine Festplatte mal wieder durchsuchen wollte. Nun ja, wie heißt es doch so schön, wer Ordnung hält, ist bloß zu Faul zu suchen!<br /> <br /> <br /> Gruß<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> interessant, nur sollten entscheidende internationale Entwicklungen der Vergangenheit nicht außer acht gelassen werden. So sei bei der Betrachtung des $ zu<br /> berücksichtigen, dass dieser nach dem zweiten Weltkrieg zur Leitwährung gekürt wurde und anfänglich mit Gold gedeckt war. In diesem Zusammenhang sollte auch nicht vergessen werden, dass der Kurs<br /> der anderen Währungen zum $ lange Zeit festgeschrieben war. Erst als im Verlauf des Vietnamkrieges die USA mehr Geld brauchten, wirtschaftlich aber nicht in der Lage waren dieses durch<br /> Wertschöpfung zu zeugen, oder mit Gold zu decken, aber die Geldpressen anwerfen wollten, musste die Goldbindung, entgegen aller diesbezüglichen Verträge, aufgehoben werden. In Folge dessen und um<br /> Spekulationen mehr Spielraum zu geben, wurden später die festen Wechselkurse aufgehoben.<br /> <br /> <br /> So ist es gewesen, wenn ich mich recht entsinne.<br /> <br /> <br /> Und eins noch, Du stellst richtig fest, dass sich das Verhältnis von Warentransfer zum transferieren von Kapital zu Gunsten letzteren verschoben hat. Dabei<br /> wäre interessant zu welchem Zweck Kapital transferiert wird, um zu investieren oder um zu spekulieren.<br /> <br /> <br /> (Eigentlich wollte ich nur obige Anmerkung machen, aber beim Schreiben sind mir noch einige Gedanken zum Text gekommen, welche gelegentlich wiederholender,<br /> unter Umständen aber auch ergänzender Natur sind.)<br /> <br /> <br /> So kann eine Naturgesetzlichkeit für Globalisierung schon aus dem Grund nicht bewiesen werden, weil die Globalisierung nicht natürlicher, sondern<br /> gesellschaftlicher Entwicklung geschuldet ist. Was heute als Globalisierung bezeichnet wird, entspricht eigentlich den objektiven Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Entwicklung. So bedeutet<br /> Globalisierung in erster Linie den freien Warenverkehr zu gewährleisten und zu sichern, und das mit allen sich daraus ergebenen Konsequenzen. Um etwas anders geht es eigentlich<br /> nicht, und entspricht dem Wesen des Kapitals, welches sich über die Ware realisiert!<br /> <br /> <br /> Die Zahlen, welche Du verwendest sind schon beeindrucken, verdienen es aber auf ihren Ursprung zurückgeführt zu werden. Und abgesehen von den Zahlen und<br /> verschiedener Interpretationsmöglichkeiten, entspricht der wirtschaftliche Globalisierungsprozess nicht nur den historischen Entwicklungsmöglichkeiten unserer Zeit, sondern auch historischer<br /> Notwendigkeit. So stellt sich weniger die Frage nach der Globalisierung an sich,   auf Grund wirtschaftlicher Entwicklung, sondern die Frage nach den Interessen, welche der gegenwärtige<br /> Globalisierungsprozess untergeordnet wird. Der gegenwärtige Globalisierungsprozess läuft im Interesse des Kapitals, mit negativen Vorzeichen für die Menschheit ab und ist somit eigentlich eine<br /> Verschleierung imperialer Gelüste!<br /> <br /> <br /> Eine Anmerkung noch, die neuerliche Globalisierungsdiskussion nahm ihren Anfang mit der dritten industriellen Revolution, welche ein wirtschaftliches<br /> Wachstum generieren konnte, wie es bis dahin kaum vorstellbar war. Der Charakter dieser Revolution und deren Besonderheiten, darf nicht aus den Augen verloren werden, schon allein weil die damit<br /> verbundenen Folgen entscheidend für gegenwärtige wirtschaftliche und politische Entwicklungen sind. Auch in diesem Zusammenhang folgt die Politik, wie nicht nur für das System der Kapitalismus<br /> üblich, der wirtschaftlichen Entwicklung und ist unter kapitalistischen Bedingungen angehalten, errungene wirtschaftliche Macht, durch die entsprechende politische Macht zu ergänzen. In diesem<br /> Zusammenhang wäre es  auch interessant die Rolle der Nation und des Staates zu beleuchten.  <br /> <br /> <br /> Gruß<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> Hallo Thomas.<br /> <br /> <br /> Der Blogeintrag stammt aus einem grösseren Text, in dem die meisten Fragen, die Du ansprichst, an anderer Stelle behandelt werden. Eigentlich wollte ich ein Buch draus machen, kann mich aber<br /> bisher nicht zu einer notwendigen Überarbeitung des Entwurfs entschliessen. Wenn Dich das Thema näher interessiert, kann ich Dir den Rohtext schicken. Er ist aber, auf normales Buchformat<br /> umgerechnet, irgendwas bei hundertfünfzig Seiten lang, erfordert also einige Lesezeit.<br /> <br /> <br /> <br />