Kolumbien: FARC und ELN versöhnt, Guerilla wieder stärker

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

 

Totgesagte leben länger. Nach schweren Verlusten hat sich die kolumbianische Aufstandsbewegung wieder konsolidiert und weitet ihren Machtbereich wieder aus.

 

RedGlobe schreibt dazu:

 

Nach schweren Rückschlägen in den vergangenen Jahren gewinnen die kolumbianischen Guerilleros mittlerweile offenbar wieder an Kraft. Besonders seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Juan Manuel Santos am 7. August kam es zu zahlreichen Gefechten zwischen den Aufständischen und Regierungstruppen, bei denen allein in der ersten Septemberwoche Medienberichten zufolge mehr als 30 Soldaten und Polizisten getötet wurden. Dabei dringt die Guerrilla auch wieder in Gebiete vor, aus denen sie in den letzten Jahren vertrieben worden war. Verteidigungsminister Rodrigo Rivera räumte daraufhin ein, daß die Guerrilla mittlerweile wieder in der Offensive sei. Bis vor wenigen Wochen hatten die Militärs noch von einem »Rückzug« der FARC und ELN gesprochen. Hochrangige Offiziere hatten wiederholt geprahlt, man sei »am Ende des Endes« des Krieges. Ariel Ávila von der Stiftung Nuevo Arco Iris, die schon im August von einer »Erholung« der Guerrilla gesprochen hatte, fordert nun eine Neuorientierung der Regierungstruppen. Der Wochenzeitung Semana sagte er: »Die Politik der Demokratischen Sicherheit ist an ihre Grenze gestoßen. Man muß sie an die neue Kampfform der Guerilla anpassen.«

 

 

Die beiden voneinander unabhängigen Aufstandsorganisationen FARC und ELN, die sich im Osten des Landes gegenseitig bekämpft hatten, haben eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, nach der sie künftig solidarisch miteinander umgehen und sich im Kampf gegen den gemeinsamen Feind unterstützen wollen.

 

Hier der Wortlaut der Erklärung, die in deutscher Übersetzung heute in junge welt veröffentlicht wurde:

 

FARC/ELN: Nie wieder Konfrontation zwischen Revolutionären || l
Kolumbien
Freitag, den 17. September 2010 um 09:15 Uhr

Wir dokumentieren nachstehend die gemeinsame Erklärung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) in der von der Tageszeitung junge Welt in ihrer heutigen Ausgabe veröffentlichten Übersetzung.

Die Führung der Guerilla des kolumbianischen Ostens, der Arauca, Casanare, Boyacá und einen Teil der Santanders umfaßt, erklärt mit Unterstützung der obersten Kommandostrukturen des Nationalen Sekretariats und des Zentralkommandos, daß die tragische Konfrontation, die es zwischen den FARC-EP und der ELN im Departamento Arauca gegeben hat, endgültig beendet ist.

Wir haben uns im Departamento Arauca unter Genossen in einer Atmosphäre von großer Offenheit und Herzlichkeit getroffen, um die Ursachen zu diskutieren, die zu einer unglücklichen und absurden Konfrontation zwischen Bruderorganisationen geführt haben. Wir stützen und befolgen den Geist und die Festlegungen des Abkommens zwischen beiden nationalen Führungen vom Dezember 2009.

Wir haben eine tiefgreifende Reflexion über die Motive durchgeführt, die die Konfrontation verursacht haben, und werden vor allem an Lösungen arbeiten, um in Zukunft die Wiederholung eines solchen großen Fehlers zu verhindern.

Selbstkritisch erkennen wir an, daß wir die Bevölkerung geschädigt und in Mitleidenschaft gezogen haben. Die Episoden sind schmerzhaft und die Konsequenzen bedauerlich. Deshalb sprechen wir allen Betroffenen unser Mitgefühl und unsere Entschuldigung aus.

Diese Einigung zwischen Bruderorganisationen ist eine wertvolle Ermutigung für den Widerstand Araucas und der Kolumbianer. Zweifellos wird sie Ziel von Provokationen und tendenziösen Versionen der Kampagne zur Aufstandsbekämpfung werden.

Wir sind zu der Schlußfolgerung gelangt, daß wir die Differenzen so lösen müssen, daß wir aus ihnen Stärke und konstruktive Entscheidungen ziehen und gemeinsame Wege schaffen können.

Wir verlassen dieses Treffen mit der Verpflichtung und beseelt davon, mit größtem Einsatz gerissene Wunden zu heilen, uns vollständig zu verbrüdern, die Rückkehr der Bauern auf ihre Ländereien zu fördern und das Vertrauen und die Hoffnung in die Aufständischen wiederaufzubauen, die vom Blute des heldenhaften araucanischen Volkes sind.

Wir bekräftigen, daß unsere Kämpfer und unsere Waffen nur der Verteidigung der Interessen unserer Völker dienen, indem sie die Schlacht für das neue Kolumbien führen, zu dem wir mit so vielen Kämpfen und Opfern beigetragen haben.

An diesem 200. Jahrestag des Rufs nach Unabhängigkeit wenden wir uns mit Würde und Größe gegen die nordamerikanische militärische Besatzung, die Ausplünderung durch die multinationalen Konzerne und die Kriecherei der Oligarchie, von der nur Privilegien für die Mächtigen und Unglück für die einfachen Menschen zu erwarten ist. Wir ermutigen unser Volk, darauf mit den größten und heldenhaftesten Kämpfen für die endgültige Unabhängigkeit, für den Frieden, die Gerechtigkeit und gesellschaftliches Glück zu antworten.

Abschließend umarmen wir die Kämpfer, Aktivisten und das araucanische Volk herzlich.

Östliche Kriegsfront der Nationalen Befreiungsarmee, ELN

Ostblock der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, Armee des Volkes, FARC-EP

Zentralkommando der ELN

Sekretariat der FARC-EP

Berge von Arauca, 14. September 2010

Quelle: junge Welt / RedGlobe

 

 

Zum Hintergrund der Ausinandersetzungen schreibt RedGlobe:

 

Die seit Jahren schwelenden Konflikte zwischen den beiden Organisationen waren Ende Mai in der Region offen ausgebrochen. Während aus dem jetzt veröffentlichten Kommuniqué keine Details über die Ursachen der Auseinandersetzungen genannt werden, führt der kolumbianische Armeegeneral Rafael Alberto Neira Wiesner diese auf Konkurrenz um Gebietskontrolle und den Einfluß auf die Bevölkerung zurück. Bauern und andere Einwohner der Region gerieten während der Gefechte zwischen Einheiten beider Organisationen immer wieder zwischen die Fronten, zahlreiche Familien flohen daraufhin aus dem Kampfgebiet. Das räumen FARC und ELN auch indirekt ein, wenn sie in ihrer Erklärung die Bauern zur Rückkehr auf ihre Ländereien ermutigen.

Bereits im vergangenen Dezember hatten die zentralen Kommandostrukturen beider Organisationen eine Erklärung veröffentlicht, in der sie ihren untergeordneten Einheiten befehlen, sofort die gegenseitigen Auseinandersetzungen zu beenden und die Zivilbevölkerung zu respektieren. Trotzdem eskalierte der Konflikt zumindest in Arauca, während FARC und ELN in der südwestlichen Region Nariño offenbar sogar gemeinsam operieren. So erklärten Sprecher der kolumbianischen Polizei in der vergangenen Woche, beide Organisationen seien gemeinsam für einen Anschlag gegen das Hauptquartier des Geheimdienstes DAS in der Stadt Pasto verantwortlich. Bereits in der Vergangenheit hatten die beiden Organisationen immer wieder versucht, enger zusammenzuarbeiten, doch die 1987 gebildete »Guerillakoordination Simón Bolívar« (CGSB) löste sich Anfang der 90er Jahre de facto wieder auf.

Beide Guerrillas gründeten sich in den 60er Jahren, einer Zeit des Aufschwungs linker Bewegungen in Lateinamerika nach dem Sieg der kubanischen Revolution. Die FARC entstanden aus Bauernbewegungen, die sich gegen Übergriffe der Großgrundbesitzer auch bewaffnet zur Wehr setzten. Ihre Gründung datiert die Organisation auf den Juni 1964, als sich ihre erste Gruppe unter Führung des legendären Comandante Manuel Marulanda vor einer Offensive der kolumbianischen Armee in den Urwald zurückzog und dort begann, sich als bewaffneter Arm der Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCC) zu organisieren. Nach vor allem taktischen Konflikten in den 90er Jahren löste sich die Guerilla von der legalen Organisation und gründete ihre eigene »Geheime Kommunistische Partei« (PCCC). Demgegenüber war die ELN eine bewußte Gründung von 18 Bauern und Studenten, die am 4. Juli 1964 unter dem Eindruck der Erfolge der kubanischen Rebellenarmee Fidel Castros die erste Zelle der neuen Guerilla gründeten.

 

 

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Quelle: http://www.redglobe.de/amerika/kolumbien/3958-farc-und-eln-wollen-bruderzwist-beenden

 

 

 

 

Veröffentlicht in Lateinamerika

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B
<br /> <br /> Was soll der Artikel aussagen? Nun sind beide Gruppen vereint, und? Wird jetzt alles besser in Kolumbien? Werden jetzt von der ELN weniger Regenwald abgeholzt für den Kokain oder Palmölanbau?<br /> Oder werden von der FARC keine Antipersonenminen mehr eingesetzt, die braucht man jetzt doch nicht mehr, wenn beide Gruppen vereint sind? Werden indigene Völker mehr geschont, oder weiterhin<br /> deren Frauen vergewaltigt und Kinder zwangsrekrutiert?<br /> <br /> <br /> Sowohl die FARC als auch die Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional - ELN) begehen weiterhin Menschenrechtsverstöße und mehrfach schwere Verstöße gegen das internationale<br /> Völkerrecht. Dazu zählten die Tötung von Zivilisten, die Rekrutierung von Kindern und Geiselnahmen.<br /> <br /> <br /> Die FARC benutzt weiterhin in großem Ausmaß Landminen. Im Jahr 2009 wurden mehr als 111 Zivilpersonen und Angehörige der Sicherheitskräfte durch Landminen getötet sowie 521 verwundet.<br /> <br /> <br /> Die FARC führten 2009 willkürliche Angriffe durch, bei denen hauptsächlich Zivilisten die Opfer waren.<br /> <br /> <br /> Am 13. Januar griffen die FARC den Ortskern von Roberto Payán in der Provinz Nariño mit Sprengkörpern an. Dabei verloren sechs Menschen ihr Leben, darunter drei Kinder.<br /> Nach offiziellen Angaben ging die Anzahl der Entführungen 2009 auf 213 zurück, während sie 2008 noch bei 437 gelegen hatte. Die meisten Entführungen wurden kriminellen Banden angelastet. Für<br /> den Großteil der Entführungen, die im Zusammenhang mit dem internen bewaffneten Konflikt standen, waren jedoch Guerillagruppen verantwortlich.<br /> <br /> <br /> <br /> Die Konfliktparteien machen keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kombattanten. Dies führt zu Vertreibungen, zur Tötung von Zivilpersonen, zu sexueller Gewalt gegen Frauen und zu<br /> Geiselnahmen. Weitere Folgen sind das "Verschwindenlassen" von Personen, die Zwangsrekrutierung von Minderjährigen sowie willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung.<br /> <br /> <br /> Berichten zufolge ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft weiterhin in etwa 20000 Fällen von "Verschwindenlassen".<br /> <br /> <br /> Die Zahl der aufgrund des Konflikts Vertriebenen steigt weiter an, wenn auch etwas langsamer als in den vergangenen Jahren. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Consultoría para los<br /> Derechos Humanos y el Desplazamiento (CODHES) wurden 2009 mehr als 286000 Menschen Opfer von Vertreibungen. Am stärksten waren davon indigene und afrikanischstämmige Gemeinschaften betroffen<br /> sowie Kleinbauern (campesinos).<br /> <br /> <br /> <br /> Die Regierung lehnte es ab, den Gesetzentwurf über Entschädigungen für Opfer zu unterstützen. Das "Opfergesetz" hätte den Opfern des Konflikts Entschädigungen zugesprochen, und zwar ohne einen<br /> Unterschied zu machen, ob der Täter im Auftrag des Staates handelte oder nicht. Der Gesetzentwurf wurde im Juni vom Kongress abgelehnt.<br /> <br /> <br /> Mehr als 114 indigene Männer, Frauen und Kinder wurden 2009 getötet. Dies bedeutet eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr. Mehr als die Hälfte der Getöteten waren Mitglieder der Gemeinschaften der<br /> Awá.<br /> <br /> <br /> Am 26. August 2009 wurden zwölf Awá, darunter sechs Kinder und ein acht Monate altes Baby, im indigenen Reservat von Gran Rosario in der Provinz Nariño von bewaffneten Männern getötet. Eines<br /> der Opfer, Tulia García, war am 23. Mai Zeugin der Ermordung ihres Mannes, Gonzalo Rodríguez, durch die Armee gewesen.<br /> <br /> Am 4. Februar 2009 töteten die Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - FARC) 15 Angehörige der Awá im Bezirk Barbacoas in der Provinz Nariño,<br /> darunter zwei schwangere Frauen.<br /> <br /> <br /> <br /> Sprecher der Indigenen und ihre Familien werden ebenfalls bedroht.<br /> <br /> <br /> Am 11. Mai 2009 wurde die zwölfjährige Tochter der Indigenen-Sprecherin Aída Quilcué mit vorgehaltener Schusswaffe vor ihrem Haus bedroht. Da im Dezember 2008 Aída Quilcués Ehemann von<br /> Soldaten getötet worden war, erhielt sie auf Anordnung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Personenschutz.<br /> <br /> <br /> <br /> Der interne bewaffnete Konflikt hat also weiterhin verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Indigene Gemeinschaften sind davon besonders hart betroffen. Alle Konfliktparteien -<br /> Sicherheitskräfte, Guerillagruppen und paramilitärische Gruppen - sind für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen  verantwortlich. Zwar gibt es weniger außergerichtliche Hinrichtungen von<br /> Zivilisten durch die Sicherheitskräfte und die Zahl der Vertreibungen steigt weniger stark als in den vergangenen Jahren, doch nehmen andere Menschenrechtsverstöße deutlich zu. Es gibt mehr<br /> Tötungen von Angehörigen benachteiligter sozialer Gruppen und indigener Gemeinschaften. Auch Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und andere engagierte Bürger nehmen zu. Zeugen von Morden<br /> und Opfer von Menschenrechtsverletzungen sowie deren Familien werden bedroht und schikaniert.<br /> <br /> <br /> Was also hat diese Vereinigung dem kolumbianischen Volk - und vor allem den Ureinwohnern - gebracht?<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> Was der Artikel aussagen soll ? Nun, das was drin steht.<br /> <br /> <br /> Dass man Kokain anbauen kann, ist mir übrigens neu. Sie sollten sich vielleicht von Ihren Freunden weiter im Norden des amerikanischen Kontinents aufklären lassen, die mit Kokain ihr Geschäft<br /> machen und dies gleichzeitig dazu benutzen, sich im Namen den "Anti-Drogen-Kriegs" in Lateinamerika militärisch einzumischen und sich korrupte Konkradoren-Regimes wie das kolumbianische zu<br /> halten.<br /> <br /> <br /> Ich habe nicht zu entscheiden, mit welchen Mitteln sich die Menschen in Kolumbien wehren, und Sie glücklicherweise auch nicht. Ein nicht ganz unbedeutender Teil der Kolumbianer ist aber<br /> offenbar der Ansicht, dass der bewaffnete Aufstand ein angebrachtes Mittel ist.  <br /> <br /> <br /> <br />