Mit Gramsci gegen Lenin - durchaus keine historische Debatte

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Der erste Teil des Artikels von Hans-Peter Brenner, den ich hier verlinke, stand gestern in junge welt. Ich hatte ihn unter der Überschrift "Die Luxemburg-Legende und ihre aktuellen Zwecke" vorgestellt, um herauszuheben, dass es sich nicht um eine historische oder philosophische Debatte handelt, sondern im Kern um eine aktuell-politische, bei der es um Positionierungen innerhalb der Linken geht ( http://kritische-massen.over-blog.de/article-die-luxemburg-legende-und-ihre-aktuellen-zwecke-83518390.html ). Die Beschäftigung mit Gramsci hat den selben aktuellen Zusammenhang.

 

In der Linkspartei spielt die "Interpretation" Rosa Luxemburgs die entscheidende Rolle bei der "Abgrenzung" von den Kommunisten, speziell vom Einfluss Lenins auf die kommunistische Theorie und Praxis im 20. Jahrhundert und bis heute. Für diejenigen in der DKP (und diejenigen, die an deren "Rand" von ausserhalb auf sie einwirken), die im selben Sinn tätig sind, gilt das auch, aber hier wird Gramsci, stärker als in Linkspartei-Kreisen, zum selben Zweck neben Luxemburg gestellt. Gramsci wie Luxemburg können nichts dafür, wenn sie so, entgegen ihrer wirklichen geschichtlichen Rolle, vereinnahmt werden. Sie können sich bloss nicht mehr dagegen wehren.

 

Speziell in der DKP fügt sich die Instrumentalisierung Rosa Luxemburgs und Antonio Gramscis im Dienst der Distanzierung von Lenin mit einigen anderen "Diskusssionsfeldern" zu einem Komplex zusammen, der als solcher dabei ist, sich zu einer zusammenhängenden revisionistischen "Linie" auszuformen und darin bereits weit fortgeschritten ist. Auf einige Elemente dieser Konzeption habe ich gestern bereits hingewiesen:

 

- das Anknüpfen an den Modeausdruck "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", der in der Rezeption durch die westeuropäische Linke eng mit dessen Interpretation durch Heinz Dieterich verbunden ist

 

- die Wiederaufnahme der Diskussion der sogenannten Wirtschaftsdemokratie

 

- das "Einbringen" der sogenannten Regulationstheorie in Politik und Programmatik der DKP

 

- die "Überwindung" des Leninschen Epochenbegriffs durch den Ausdruck "neoliberaler Kapitalismus"

 

- die Orientierung auf die sogenannten neuen sozialen Bewegungen

 

- die Orientierung auf die deutsche Linkspartei und die Europäische Linkspartei und deren Konzeption eines "alternativen Europa"

 

In Hinsicht auf die polit-ökonomische Theoriebildung tritt dazu die These vom "kollektiven Imperialismus", wie sie von Leo Mayer, Conrad Schuhler und anderen vertreten wird. Sie ist der theoretische Ausgangspunkt, aus dem die revisionistischen Positionen abgeleitet werden.

 

In diesem Zusammenhang steht die Diskussion um Luxemburg und Gramsci.

 

Hier der zweite Teil der Arbeit von Hans-Peter Brenner, in dem er sich mit Gramsci beschäftigt:  

 

Der Gramsci-Mythos

Theorie. Die »Big Five« eines »neuen« Marxismus? Teil II und Schluß: Über die Vereinnahmung Antonio Gramscis durch den Reformismus

Von Hans-Peter Brenner
Antonio Gramscis Beitrag zum Marxismus würdigen, heiß
Antonio Gramsci
Unter marxistisch orientierten Linken bekommt die Frage nach den theoretischen Grundlagen ihres Selbstverständnisses aktuell eine wachsende Bedeutung. Dabei geraten zwei marxistische Persönlichkeiten zunehmend in den Fokus; es sind die deutsche Kommunistin Rosa Luxem­burg und der italienische Kommunist Antonio Gramsci. Teil I des Artikel­s beschäftigte sich mit der Aktualisierung der Rosa-Luxemburg-Legende.

Ein vergleichbares Schicksal wie Rosa Luxemburg erlitt post mortem der italienische Kommunist Antonio Gramsci. Auch im Umgang mit seinem theoretischen Erbe wurde und wird bis heute versucht, ihn zu einem marxistischen Klassiker zu überhöhen, der Marx mindestens gleichrangig sei und zugleich damit einen Beitrag zu leisten, Lenin aus dem Marxismus zu eliminieren und den Marxismus insgesamt im Kapitalinteresse zu »demokratisieren«.
Der ganze Text steht hier:

Veröffentlicht in Kommunisten

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G
<br /> <br /> Wieso ist es für die Linken eigentlich so schwer sich auf das Wesentliche zu einigen, an statt sich stets und ständig über politische oder ideologische Richtungskämpfe zu zerstreiten? Mal davon<br /> ganz abgesehen, dass es schwierig ist, sich mit alten SRD-Genossen zu einigen, sicher ein berechtigtes Problem. Ich denke, dass es mit Herr Krenz nur wenig Annäherung geben kann.<br /> <br /> <br /> Es ist doch nun schon soviel diskutiert worden, gerade wegen der Rolle der Geschichte des Sozialismus des 20. Jh's. Jetzt müsste man doch wissen wo der Weg nun lang geht, aber ist nicht so.<br /> <br /> <br /> Jeder bezeichnet jeden als Revisionisten, dass ist schon komisch.<br /> <br /> <br /> <br />
Antworten
S
<br /> <br /> "Jetzt müsste man doch wissen wo der Weg nun lang geht, aber ist nicht so." - Wie sollte das klart sein ? Wenn ein Grossteil der Lohnabhängigen nicht einmal etwas davon wissen will, dass er ein<br /> und derselben sozialen Klasse angehört, sondern sich etwas über "Mittelschichts"-Zugehörigkeit zusammenspinnt, ist es doch nicht gerade ein Wunder, wenn die kleinen Minderheiten, die eine andere<br /> Gesellschaft wollen, darüber streiten, wie und mit wem das gehen soll. Ein "Wunder" wäre es eher, wenn niemand auf Anpassungsleistungen an den Mainstream kommen würde.<br /> <br /> <br /> Genauer besehen ist es aber durchaus nicht so, dass bei den Leuten mit revolutionärem Selbstverständnis jeder gegen jeden agieren würde. Es gibt schon auch die Seite, dass die<br /> Auseinandersetzungen zum Teil sachlich geführt werden, mit viel Geduld diskutiert wird, auch mit dem Willen, sich zu einigen, Differenzen auch erst einmal stehen zu lassen.<br /> <br /> <br /> Es gibt beides - die Auseinandersetzung UND die Orientierung auf Gemeinsamkeiten.<br /> <br /> <br /> <br />