Offener Brief an IG Metall-Vorsitzenden Huber
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Offener Brief an den Vorsitzenden der IG Metall
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09.11.12
von IG-Metall-Betriebsräte
Lieber Kollege Huber,
Es war nachts auf einem unpopulären Sender, aber wir sind einigermaßen empört über deine Aussagen über die spanischen Gewerkschaften in Phönix am 16. September.
Du hast von „Fehlentwicklungen“ in Bezug auf Spanien gesprochen und dann erklärt:
„Die Metallgewerkschaften haben in erster Linie den Reallohnausgleich als Sinn und Zweck ihrer Tarifpolitik gesehen. Weil wir hatten da ja in der Tat zwischen 4-7% Inflationsraten. Damit haben die spanischen Gewerkschaften ihren Vorteil verspielt, dass sie nämlich billiger als die deutsche Industrie waren.“ Auf Nachfragen hast du bekräftigt, „Es ist falsch Leute!“ an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen.
Damit schiebst du ihnen die Schuld für die Wirtschaftskrise und den Arbeitsplatzabbau dort in die Schuhe.
Uns empört erstens, dass du einem Konkurrenzkampf zwischen den Metaller/innen der verschiedenen Länder das Wort redest. Wenn die Spanier weiterhin „billiger“ geblieben wären, wären die Arbeitsplätze in Deutschland, Frankreich oder sonst wo verloren gegangen. Ziel der Gewerkschaften kann es nicht sein, einen Lohnwettbewerb nach unten zu propagieren!
Unterbietungswettbewerb der Beschäftigten führt immer zu Dumping. Seit ihrem Entstehen ist es der Grundgedanke der Gewerkschaftsbewegung, die Konkurrenz der abhängig Beschäftigten untereinander zu unterbinden und durch Solidarität zu ersetzen.
Wenn es nicht genug Arbeitsplätze in Europa gibt, dann ist es nicht die Schuld der Arbeiter/innen, sondern des kapitalistischen Systems und seiner Krise. Dagegen, dass die Rationalisierung immer mehr Menschen überflüssig macht, hatten wir Metaller immer auf Arbeitszeitverkürzung gesetzt!
Zum dritten legst du den spanischen KollegInnen nahe, Reallohnverlust in Kauf zu nehmen. Ist das zur gegebenen Zeit auch deine Empfehlung für Deutschland? Wenn die Profite fallen, müssen die Arbeitenden verzichten? Damit die immer größer werdenden Privatvermögen mit Profiten bei Laune gehalten werden, sollen diejenigen verzichten, die die Werte schaffen?
Viertens ist es ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen, die in Griechenland, Spanien, Italien, Portugal und zunehmend mehr Ländern gegen die Abwälzung der Krisenlasten protestieren, dagegen, dass ihre Löhne massenhaft unter das Existenz- minimum gedrückt werden.
Zuletzt müssen wir uns fragen, wie ernst deine Solidaritätserklärung an die Spanischen Gewerkschaften war, die du drei Tage vor deinem Interview abgegeben hast. Wir begrüßen, daß der Europäische Gewerkschaftsbund für den 14. November zu europa- weiten Protesten aufruft, dass für mehrere Länder Generalstreiks angekündigt sind.
Der Aufruf ist auf der Seite der IG Metall auch nach 3 Wochen noch nicht veröffent- licht. Jetzt hast du noch im 'Schwäbischen Tagblatt' die Streiks, die an diesem Tag in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien stattfinden sollen, als „Unfug“ bezeichnet.
Wir halten dein Verhalten nicht nur für unsolidarisch, sondern auch für ein schwieriges Hindernis für die Entwicklung von Gegenwehr in Deutschland angesichts der deutlich nahenden Krise. Wie sollen wir uns hier gegen Betriebsschließungen und Entlassungen verteidigen? Wieder eine längere Kurzarbeit zu fordern, kann da nicht reichen!
Wir fordern von der IG Metall Mobilisierung statt Empfehlungen für Lohnverzicht! Diejenigen, die die Krise verursacht haben sollen zahlen – und es sind nicht die Löhne, die zu hoch sind! Diejenigen, die von den Rettungspaketen profitiert haben, die Banken, die Fonds und die Großunternehmen müssen zur Kasse gebeten werden!
Bisherige Unterzeichner:
Matthias Fritz, stellv BR-Vorsitzender Mahle, Stuttgart
Hüseyin Öncü, BR WMF, Geislingen
Jürgen Peters, BR WMF, Geislingen
Christa Hourani, BR Daimler Zentrale, Stuttgart
Stephan Krull, ehemals BR VW Wolfsburg
Kenan Karaca, VM Daimler Sindelfingen
Mehmet Sahin, BR Behr, Stuttgart
Selahaddin Sari, BR+VKL Roto Frank, Leinfelden
Wolfgang Hänisch, Mann und Hummel, Ludwigsburg