Bundeswehr: Landsknechte wieder modern

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Eine der Neuerungen der bürgerlichen Revolution war, dass sie die bewaffneten Formationen des Staates, vornehmlich die Armee, aus den Bürgern rekrutierte. In der vorausgegangenen Feudalzeit war es das Vorrecht des Adels gewesen, Waffen zu tragen. Der freie Bürger der bürgerlichen Republik hatte dagegen das Recht und die Pflicht, ohne Ansehen des Standes das Waffenhandwerk zu erlernen und gegebenenfalls auszüben. - So das Idealtypische. Praktisch hatten in der Auflösungsphase der Feudalordnung schon zwangsrekrutierte Bauern und städtische Proleten und Bürger unter dem Kommando adeliger Offiziere den Kopf für die Fürsten und Könige hinhalten müssen. Und in der bürgerlichen Republik stellten noch lange Adelige einen Teil des Offizierskorps.

 

Die Wehrpflichtigen-Armeen kamen nicht nur der neuen demokratischen Verhältnisse wegen in Mode. Für die neue Waffentechnik und daraus resultierende neue Stragien und Taktiken der Kriegsführung brauchte es Massenheere. Das kündigte sich schon in den Landsknechtshaufen z. B. des 30jährigen Krieges an. Der so organisierte Bürgerkrieg in den USA hatte schon 600 000 Soldaten den Tod eingebracht. Aber der Höhepunkt dieser gesellschaftlich-miliärischen Entwicklung wurde in den beiden Weltkriegen erreicht - 15 Millionen Tote im I., 55 Millionen im II.

 

Die Wehrpflicht stellte die Bürger für den Staat in Zwangsdienst. Die jungen Männer hatten einen Teil ihrer Jugend dem Militär zu opfern. Aber der Umstand, dass die Träger der Waffen aus dem Volk rekrutiert wurden, hatte für die neue Kapitalistenherrschaft immer auch eine gefährliche Seite. Bald kam die Parole auf, man müsse sich mit den "feindlichen" Soldaten, die doch geradeso Bürger, Bauern und Arbeiter waren, verbrüdern und die Gewehre umdrehen und auf die Herrschaften richten. Oft ist das nicht passiert, aber es ist vorgekommen; - sogar in Deutschland, wo in Kiel die Matrosen aufstanden und es für eine kurze Zeit eine Rote Ruhr-Armee gab. Das in der Geschichte herausragende Waffenumdrehen passierte in der russischen Revolution. Als die Bauern und Arbeiter auf die Idee kamen, sich befreien zu wollen, steckten sie gerade in Uniform und hatten Waffen in der Hand, was ihnen sehr zupass kam.

 

Heute ist es mit den Massenheeren vorbei. Die neue Kriegstechnik braucht nicht Millionen, die in die Maschinengewehrgarben und ins Gas laufen, sondern Spezialisten, Techniker und Ingenieure in Uniform. Das Abschlachten  Mann gegen Mann spielt zwar auch noch eine Rolle, aber auch dafür werden Spezialisten ausgebildet, denen in der US-Armee z.B. systematisch die natürliche Tötungshemmung abtrainiert wird. Krieg wird jetzt mit Rechnern und Robotern geführt, unter anderem mit zu Kampfmaschinen gemachten Menschen.

 

Der "Bürger in Uniform" ist jedenfalls out. Die Landsknechte sind wieder modern - "Berufssoldaten", Töten als spezielle Berufsdisziplin. Bürger, und inzwischen sogar Bürgerinnen, sind wir immer noch. Aber wir sollten uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der Abschaffung der Wehrpflicht ein neues Verhältnis zwischen uns und den Staat gesetzt ist. Die Bürger sind entwaffnet. Nicht einmal unter der gestrengen Aufsicht des Staates und in seinen Diensten kommt unsereins noch an eine Waffe, kann sie also auch im Notfall nicht umdrehen. Die, die Waffen tragen, sind vollkommen abhängig vom Staat. Der "Dienst" ist ihr Leben, ihre berufliche Zukunft. - Anstatt Bürgern in Uniform - Landsknechte.

 

Wo das am forgeschrittensten ist, beim US-Militär, kann man schon sehen, wohin das führt. Das Militär wird eine eigene Kaste. Es entwickelt ein Eigengewicht im Staatsapparat, eine eigene Kultur, eigene Regeln, eine eigene Ideologie, deren Dreh- und Angelpunkt das möglichst optimierte Töten und Vernichten ist.

 

In der US-Armee - auch in der spanischen und französischen - dienen bereits heute Leute aus aller Herren Länder, z. B. aus dem armen Lateinamerika. Schon lange bestehen in der US-Armee die einfachen Mannschaften zu einem überproportioinalen Teil aus Schwarzen und Hispanos - d.h. aus den ärmsten Schichten. Die Armee ist oft die einzige Chance, der Arbeitslosigkeit zu entkommen, und auf einen gewissen sozialen Aufstieg. Und die "zivilen Sicherheitsdienste" - Privatunternehmen, die nichts anderes tun als weiland die Kriegsunternehmer im 30jährigen Krieg - spielen eine zunehmend grössere Rolle. Bei den Besatzungskräften im Irak und Afghanistan stellen sie bereits zwischen 10 und 20 % des Personals. Die US-Geheimdienste rekrutieren im Bedarfsfall ganze Hilfsarmeen, wie sie es schon im Vietnamkrieg getan haben oder heute in Lateinamerika - "Paramilitärs" - tun.

 

Die Landsknechtszeiten kehren wieder, auch in Deutschland. In der Bundeswehr kommen inzwischen ein Drittel der Mannschaften aus dem ehemaligen DDR-Gebiet, deren Anteil an der deutschen Gesamtbevölkerung nur ein Fünftel beträgt. - Das ist der selbe Mechanismus wie in den USA: Armut und Arbeitslosigkeit bringen die Leute dazu, sich vom Kriegshandwerk eine Zukunft zu erhoffen.

 

Herr Michael Wolffsohn hat das auch geschnallt:

 

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1363619/

 

 

Es scheint, dass das Aufkommen des Landsknechtswesens eine typische Erscheinung in der Untergangsphase einer Gesellschaftsordnung ist. Herr Fukuyama hat herausgefunden, dass wir am Ende der Geschichte angelangt sind. Obwohl er es nicht so gemeint hat, hat er wohl recht: am Ende der bürgerlich-kapitalistischen Geschichte.

 

 

 

Veröffentlicht in Vom Besten im Westen

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<br /> Wilde Gesellen vom Sturmwind durchweht,<br /> Fürsten in Lumpen und Loden,<br /> Ziehn wir dahin bis das Herze uns steht,<br /> Ehrlos bis unter den Boden.<br /> Landsknechtleben, lustig Leben,<br /> in der Schenk und in der Schlacht´<br /> bei Tag und Nacht.<br /> Fidel Gewand in farbiger Pracht<br /> Trefft keinen Zeisig ihr bunter,<br /> Ob uns auch Speier und Spötter verlacht,<br /> Uns geht die Sonne nicht unter.<br /> Ob uns der eigene Bruder vergaß,<br /> Uns geht die Sonne nicht unter.<br /> Bleibt auch dereinst das Herz uns stehn,<br /> sollten wir einst liegen bleiben,<br /> in der Blut durchtränkten Schlacht,<br /> niemand wird Tränen uns weinen.<br /> Leis wird der Sturmwind sein Kriegslied wehn<br /> Trüber die Sonne wird scheinen.<br /> Aus ist ein Leben voll farbiger Pracht,<br /> Zügellos drüber und drunter.<br /> Speier und Spötter, ihr habt uns verlacht,<br /> Doch uns geht die Sonne nicht unter.<br />
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