Die Luxemburg-Legende und ihre aktuellen Zwecke
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der historischen Bedeutung und Einordnung zweier herausragender kommunistischer Persönlichkeiten - Rosa Luxemburg und Antonio Gramsci. Beide werden von bestimmten Linken als Klassiker des Marxismus interpretiert und neben Marx/Engels und Lenin gestellt. Ohne ihre Verdienste im geringsten herabzuwürdigen, muss jedem, der die marxistische Theoriebildung auf der Basis von Kenntnissen beurteilt, klar sein, dass diese "Würdigung" nicht den Tatsachen entspricht.
Warum wird an dieser Legende dennoch gestrickt ?
Dabei geht es nicht nur - und im aktuellen Zusammenhang nicht hauptsächlich - um eine wissenschaftliche Debatte. Es geht um politische Zwecke: um die Relativierung der Bedeutung Lenins für die marxistische Theoriebildung, um die Abgrenzung zum Marxismus-Leninismus. Beides wird in der Linkspartei und auch von bestimmten Kräften in der DKP betrieben im Namen eines angeblich moderneren "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", der "wirtschaftsdemokratisch" sozialdemokratelt, die theoretischen Konzepte kleinbürgerlicher "Marxismus-Erneuerer" vom Schlag der "Regulationstheoretiker" übernimmt, das Geschwätz von der "neoliberalen Phase des Kapitalismus" dem Leninschen Imperialismusbegriff entgegenstellt und von einer Politik, die von der Analyse der Klassenverhältnisse und -interessen ausgeht, zu einer Politik übergeht, die in sogenannten "neuen sozialen Bewegungen", einer "Patchwork-Linken", einem "alternativen Europa" die Perspektive sieht.
Hans-Peter Brenner, Mitglied des Parteivorstands der DKP und Mitherausgeber der Marxistischen Blätter, stellt im nachfolgenden Text dazu einiges klar. Dessen erster Teil ist heute in junge welt erschienen. Morgen erscheint der zweite Teil.
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Von Hans-Peter Brenner
»Adler der Revolution« (Lenin): Rosa Luxemburg – Porträtfoto, 1912
Unter Linken bekommt die Frage nach den theoretischen Grundlagen ihres Selbstverständnisses aktuell eine wachsende Bedeutung. Davon zeugen in der Bundesrepublik die programmatischen Debatten in den beiden größten linken Organisationen, der Partei Die Linke und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Aber auch international (vergl. die programmatischen Aussagen des Generalsekretärs der KP der USA, Sam Webb, in denen er sich für einen Verzicht auf den Leninismus ausspricht) spielt diese Frage aktuell eine Rolle. Dabei geraten zwei marxistische Persönlichkeiten zunehmend in den Fokus: die deutsche Kommunistin Rosa Luxemburg und der italienische Kommunist Antonio Gramsci. ...