Die Prozessakten des KPD-Verbots bleiben geheim. Warum ?

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

 

Die Prozess-Akten zum KPD-Verbot sollen weiter unter Verschluss gehalten werden. Was ist an ihnen so geheim, dass sie 54 Jahre nach dem KPD-Verbot der Öffentlichkeit vorenthalten werden müssen ? Ist diese Geheimniskrämerei nicht seltsam, wo doch die Kommunisten in Deutschland so schwach sind und so geringen Einfluss haben ?

 

In einem Artikel in der UZ von dieser Woche fragt Karl Stiffel:

 

Was soll weiterhin verschwiegen werden ? 

http://www.dkp-online.de/uz/4236/s0603.htm

 

 

Nach der Lektüre habe ich überlegt, warum das KPD-Verbot überhaupt nach wie vor in Kraft ist. Geht es bloss darum, dass die Willkür-Justiz in der Zeit des Kalten Krieges nicht zugegeben werden soll ? Oder ist es bedeutungslos, weil seit 1968 mit der DKP wieder eine legale kommunistische Partei existiert ?

 

Ich denke, dass die Aufrechterhaltung des Verbots im Gegenteil eine Reihe von politischen Funktionen in der Gegenwart hat.

 

1.

Es hängt wie ein Damoklesschwert über den kommunistischen Organisationen in Deutschland. Bei politischem Bedarf können sie jederzeit zu Nachfolgeorganisationen der KPD erklärt, verboten und aufgelöst werden. Das wäre ein relativ einfacher Verwaltungsakt.

 

2.

Das Verbot trägt nach wie vor zur Stigmatisierung und Isolierung der Kommunisten bei.

 

Aus ihm leitete sich die in den 1970er Jahren von der Regierung Brandt initiierte Kampagne ab, mit der 7 000 Bürger unter dem Vorwand ihrer angeblichen Verfassungsfeindlichkeit die Ausübung ihres Berufs verboten wurde. Es waren "nur" 7 000, denen damit das Berufsleben ruiniert wurde. Aber damit wurde einer ganzen Generation von Intellektuellen beigebracht, dass linkes Engagement - übrigens weit über das kommunistische "Spektrum" hinaus - die soziale Existenz kosten kann. Das hatte ganz unmittelbare politische Auswirkungen: Die Leute wurden genötigt, sich, wenn sie denn schon kritisch sein wollten, auf "ungefährlichere" Organisationen zu orientieren. Das hat nicht wenig zur Eindämmung und Domestizierung linker Orientierungen beigetragen. Die Grünen waren das Vehikel dafür.  Die Umorientierung ehemals linker Intellektueller nach rechts wurde damit durchgesetzt. Das heutige Duckmäusertum "gemässigter Kritik", das inzwischen mit CDU/CSU/FDP koalitionsfähig ist, hat darin seine Wurzel.

 

3.

Die Ausgrenzung der Kommunisten, deren zentrales juristisches Mittel das KPD-Verbot ist, trug und trägt dazu bei, dass Wissen über grundlegende gesellschaftliche Zusammenhänge an den Rand gedrängt, marginalisert und verschüttet wird. Die Anerkennung der einfachen Tatsache, dass jede Politik von sozialen Interessen geleitet ist und dass es in der kapitalistischen Gesellschaft Klassen gibt, deren Interessen spezifisch und, was die Hauptklassen betrifft, antagonistisch gegeneinander gerichtet sind, ist damit unter Kommunismus-Verdacht gestellt. Damit wird der rechten Volksgemeinschafts-Ideologie - "Sozialstaat", "Wir sind Deutschland", "Wir sitzen alle in einem Boot") - auch mit juristischen Mitteln die Rolle der Leitideologie erzwungen. Der hämische Befund vom "Verschwinden" der Arbeiterbewegung ist das politische Ergebnis auch juristischer Unterdrückung.

 

4.

Nach der Ernüchterung vom Rausch der Wiedervereinigung  und konfrontiert mit der Erkenntnis, dass die Westfernseh-BRD eine andere war als die real existierende, halten heute längst wieder Millionen ehemaliger DDR-Bürger  ihrer ehemaligen Gesellschaft viele Vorzüge zugute, die sie in der westlichen "Freiheit" vermissen. Noch zwanzig Jahre nach der "Wiedervereinigung", die in Wirklichkeit ein Anschluss war, fühlen sich die Herrschenden bemüssigt, die Delegitimerungs-Kampagne gegen die DDR als "Unrechtsregime" fortzuführen. Um den bevorstehenden 3. Oktober herum werden wir wieder rituelle Höhepunkte erleben.

 

Heute sind im "wiedervereinigten" Deutschland viele Millionen Menschen mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden. In gewissen Grenzen wird die antikommunistische Hetze als solche durchschaut. Aber für die Masse dieser Menschen ist das äusserst Vorstellbare, auf die Linkspartei Hoffnungen zu setzen. Eine "äusserst linke" sozialdemokratische Partei mit kommunistischen Einsprengseln ist gewöhnlich die Grenze einer Linksorientierung. Die Kommunisten sind so klein gemacht worden, dass sie bis heute nur für einen kleinen Teil der Unzufriedenen als Ausweg erscheinen, obwohl sich z.B. das politische Programm der Linkspartei mit dem der DKP nicht messen kann.

 

Auch das ist eine Auswirkung des KPD-Verbots, auch wenn es dafür noch andere Gründe gibt. Das ist in Krisenzeiten wie den heutigen für die Herrschenden äusserst nützlich. "Äusserst linke" sozialdemokratische Parteien kann man mit weit grösserer Aussicht auf Erfolg im Notfall auseinandersprengen als eine kommunistische Partei, indem man ihren "gemässigten Flügel" mit Minister- und sonstigen Pöstchen besticht.

 

5.

Die Illegalisierung der KPD hat es möglich gemacht, dass alle möglichen Leute "kommunistische Parteien" aufmachten, die mit der verbotenen KPD nichts zu tun hatten, aber ungestraft ihren Namen missbrauchen konnten. Die heutige organisatorische Zerplitterheit der Kommunisten in Deutschland rührt nicht zuletzt vom KPD-Verbot her.

 

 

Deutschland ist heute das einzige Land in Westeuropa, das sich leistet, ein Parteiverbot für Kommunisten aufrecht zu erhalten. Das stellt die bürgerliche Demokratei selbst unter einen Vorbehalt und ist nicht nur eine Bedrohung für die Kommunisten, sondern für alle, die nicht im Mainstream mitschwimmen wollen. Während dieser Text geschrieben und bald im Blog hoffentlich auch gelésen wird, findet das jährliche Fest der spanischen kommunistischen Partei in Madrid statt, im Parque Dolores Ibarruri. Die Vorsitzenden der beiden grossen Gewerkschaftsverbände UGT und CCOO treten dort als Gesprächspartner des Vorsitzenden der Vereinigten Linken und des Vorsitzenden kommunistischen Partei auf. - Die DKP hält auch alle zwei jahre ein solches Fest ab. Es ist das grösste Fest der Linken in Deutschland. Aber ein DGB-Vorsitzender Sommer dort mit einem Vorsitzenden der Linkspartei im Gespräch mit dem DKP-Parteivorsitzenden, und das in einem Thälmann-Park - undenkbar.

 

Das Schandurteil des KPD-Verbots, ein Akt antidemokratischer politischer Willkür tut seine Wirkung. Die Herausgabe der Prozessakten würde offenbar machen, das es sich um ein von Anbfang an unbegründetes, gegen die Regeln der büergerlichen Justiz verstossendes, illegales Urteil handelt. Die Prozessakten würden beweisen, dass das KPD-Verbot aufgehoben werden muss. Genau deshalb werden die Akten unter Verschluss gehalten. Denn die BDR ist kein Rechtsstaat. Sie ist ein Rechts-Staat.

 

 

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