Ein möglicher Hintergrund für die Stimmenthaltung Chinas zur UN-Resolution 1973 (Libyen)

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Das Abstimmungsverhalten Chinas bei der UN-Resolution 1973, die als "Legitimierung" des NATO-Angriffs auf Libyen dienen sollte, habe ich nicht verstanden. Das ging nichtnur mir so. Wie konnte China, das selbst im Visier der Imperialisten ist, diesen Völkerrechtsbruch unter UN-Mantel im UN-Sicherheitsrat passieren lassen, wo es die Möglichkeit gehabt hätte, ihn mit seinem Veto zu vereiteln (wie es das jetzt im Fall Syrien, gemeinsam mit Russland, ja auch getan hat) ?

 

Vielleicht ist der folgende Text ein Erklärung. ( Aber wenn er es wäre, hat China m. E. trotzdem einen Fehler gemacht.) 

 

 

China in Afrika – ein Gegengewicht zum Westen

 

Jean-Paul Pougala - http://antikrieg.com/aktuell/2011_10_06_china.htm

 

„Warum legten China und Russland kein Veto ein, als der Westen im UN-Sicherheitsrat die Sanktionen gegen Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) und Libyen beantragte, machen aber das Gegenteil, wenn es um Syrien geht? Wie 2008 beim Veto gegen Sanktionen gegen Zimbabwe?“ Diese Frage stellte mir Eric Atangana aus Yaounde, Kamerun, auf meiner Facebook-Seite.

 

1) Côte d'Ivoire unter Präsident Laurent Gbagbo und Premierminister Guillaume Soro hatten die meisten Verträge mit China gekündigt, um sich Frankreich anzunähern, nachdem der Hafen von Abidjan kurz vor den Wahlen von Bolloré (französischer Großkonzern) übernommen worden war, in der Hoffnung, dass dieser Schritt Paris beruhigen würde. Mit dieser Geste lieferte Laurent Gbagbo den Beweis, dass er die Anweisung aus Paris befolgte, nichts mit den Chinesen zu unternehmen (außer es läuft über Frankreich), wodurch die Forderung nach einem chinesischen oder russischen Veto illusorisch wurde.

 

2) Im Fall Libyen ist es noch schlimmer. 2006 schloss Gaddafi mit der Bush-Administration ein Abkommen, mit dem er seinen Geheimdienst der CIA unterstellte. Unter diesem Abkommen war es der amerikanische Geheimdienst, der die Vorgänge in Libyen stark beeinflusste. Das bedeutet, dass Libyen auf das Pferd der Vereinigten Staaten von Amerika gesetzt hatte gegen das Tandem China/Russland. Als sich dann die Gelegenheit ergab, präsentierten Peking und Moskau Gaddafi und Gbagbo die Rechnung für diese strategischen Fehler. In Peking nennt man das Lernen durch Erfahrung.

 

Die Lektion, dass wir uns für eine Seite entscheiden müssen, wird jetzt in vielen afrikanischen Hauptstädten gut verstanden. Schon lange wurde sie verstanden in Harare und Khartoum, und seit kurzem in Yaoundé, wo man sich offen für China entschieden hat. In Kamerun zum Beispiel werden sechs ranghohe Mitglieder der Armee in China ausgebildet, auch die neuen Waffen, mit denen die Armee ausgerüstet wird, kommen aus China, obwohl Paris darüber verärgert ist. Indem es so handelt, weiß Yaoundé, dass es das Szenario von Côte d'Ivoire vermeidet, da es mit einer großen Macht verlinkt ist, die in der Lage ist, es vor Paris und Washington zu schützen in Krisen aller Art, die die wahrscheinliche Beteiligung der Vereinten Nationen hervorrufen würden, die ja immer auf der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika und des Westens stehen.

 

3) Was die westliche Propaganda mit den Rohstoffen betrifft, so hat China mit Russland ein Abkommen über die Konstruktion von Erdölleitungen geschlossen, das den hauptsächlichen Bedarf der Chinesen an Erdöl und Erdgas für die kommenden 30 Jahre decken soll. Dafür hat China eine Anzahlung von $25 Milliarden geleistet und wird dadurch zum größten Kunden Russlands. China ist die größte Bergbaunation der Welt und produziert 95% der Seltenen Erden. Mit oder ohne Afrika, China lässt den Westen wissen, dass er sich keine übertriebenen Vorstellungen zu machen braucht.

 

Schlussfolgerung: China ist in Afrika nicht nur wegen der Rohstoffe, sondern um den Einfluss der Europäer zu schwächen, wo diese sich noch sicherer fühlen. Es ist klar, dass China durch die Veränderungen in den afrikanischen Städten wie Nairobi, Maputo, Luanda, Yaoundé, Kinshasa und Kampala Afrika dazu bringt, die vielen Lügen des Westens über es selbst und seine Nicht-Entwicklung in Frage zu stellen, wo ja seine Ressourcen Jahrhunderte lang von diesem ganz skrupellos ausgebeutet worden sind. Vor Jahren kündigte der Westen den Bankrott Zimbabwes aufgrund der EU-Sanktionen an, aber dank der finanziellen Unterstützung durch China konnte das Land dem Vereinigten Königreich die kalte Schulter zeigen. Tony Blair schreibt in seinen Memoiren, dass er ein Kommando senden wollte, um Mugabe zu stürzen und eine interne Rebellion anzuzetteln. Aber er hatte Angst vor der chinesischen Reaktion. Für uns stellt sich heute die Frage, wie sich Afrika den Zustand von Verwirrung und Krise zunutze machen kann, in den China den Westen erfolgreich hineinmanövriert hat?

 

Erschienen auf Jean-Paul Pougalas Website www.pougala.org. Jean-Paul Pougala ist Professor an der Geneva School of Diplomacy in Genf. 

 

Quelle:  www.antikrieg.com

 

 

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G
<br /> <br /> Was? Unglaubliche Antwort. Nein, ich glaube es natürlich, aber bin sehr verwundert...<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Das Bild von den Kommunisten, das Sie im Kopf haben (und wahrscheinlich auch mit zahlreichen Beispielen belegen können), ist ein anderes als meins. Für mich sind ordentliche Kommunisten Leute,<br /> die aufgrund ihres Wissens und ihrer Kampferfahrung jederzeit zu selbständigen Einschätzungen und Urteilen in der Lage sind und dazu auch stehen (und Selbstkritik üben, wenn sie sich getäuscht<br /> haben, das gehört allerdings auch dazu). Allerdings gehört zu einem ordentlichen Kommunisten in meiner Sicht auch die Organisationsdisziplin. Wir sind kein Debattierklub, sondern eine kämpfende<br /> Organisation.<br /> <br /> <br /> Ich weiss auch, dass dieses "Ideal" nicht immer und von jedem realisiert wird. Ich kenne genug ehemalige SED-Funktionäre, die nachgebetet haben und deshalb auch prompt umgefallen sind, als es<br /> darauf ankam. Solche mögen Sie im Auge haben. Das ist ein Problem, das auftaucht, sobald eine Partei an der Macht ist. Dann wird sie attraktiv für Opportunisten. Das Problem ist wahrscheinlich<br /> nicht zu beseitigen, sondern kann jeweils nur konkret bekämpft werden.<br /> <br /> <br /> <br />
G
<br /> <br /> Ganz einfach: Mein Kopf ist groß genug, ich brauche nicht die anderen zum denken. Aber das wird Ihnen nicht genügen, mit Ihrem Fachvokabular kann ich nicht dienen. Mich interessieren die vielen<br /> Strömungen nur soweit, dass ich sie kritisieren kann, sonst lande ich ja selbst in einem Topf. Und Denkschablonen sind mir zuwider. Genau das habe ich mit dem über den Tellerrand blicken schon<br /> geschrieben...<br /> <br /> <br /> Von Bürokraten geführte zentralistische Systeme werden wegen des Zentralismus und wegen der Bürokratie scheitern, sie scheitern aber schon an den Protagonisten selber. Denn Bürokraten haben ja<br /> auch einen Beruf erlernt, der wenig Offenheit im Denken zulässt. Die Auswendig-Lerner sind mir suspekt, daran wird sich auch nichts ändern. Ein guter Kommunist muss auch ein Künstler sein, er<br /> muss gestalten können, muss kreativ sein. Deshalb ist die Kunst und Kultur auch so wichtig, weil sie zur Persönlichkeitsentwicklung beträgt und das Denken ungemein bereichert.<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> "Die Auswendig-Lerner sind mir suspekt, daran wird sich auch nichts ändern." Zumindest in dem Punkt teile ich Ihre Haltung. Was Sie über Kunst und Kultur schreiben, halte ich auch für richtig.<br /> <br /> <br /> <br />
G
<br /> <br /> Die "Finanzindustrie" ist ein leerer Sack, weil der spekulative Anteil sehr hoch<br /> geworden ist, aber grundsätzlich werden da Milliarden umgesetzt. Dennoch, Chinas Weg ist kapitalistisch, es ist also ein Zufall, dass man Einsicht zeigt. Das heißt aber auch, dass sich China wohl<br /> andere Wege und Mittel suchen wird und die werden eben kapitalistischer Natur sein. Ich denke das...<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Übrigens: Wenn ich früher etwas rabiat war, dann hat das nichts mit Ihnen zu tun,<br /> sondern mit der Geschichte der s. bzw. k. Bewegung in der Welt.<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> "rabiat": Das vermute ich schon die ganze Zeit. Ich bin bloss noch nicht drauf gekommen, aus welchem Blkickwinkel die geistige Abrechnung erfolgt.<br /> <br /> <br /> Milliardenumsatz der "Finanzindustrie": Allerdings, ein Vielfaches des Warenhandels. Aber jeder Zins oder Spekulationsgewinn, der im Zug des millionenfachen Händewechsels in der Zirkulation<br /> zustande kommt, ist "leer". In der Zirkulationssphäre entsteht nicht ein Cent Wert.<br /> <br /> <br /> <br />
G
<br /> <br /> "Also nicht imperialistischer einseitiger Vorteilsnahme, verbunden mit<br /> imperialistischem Druck und Setzen auf einheimische Komradoren-Bourgeoisien in den schwach entwickleten Staaten"? Letzteres vielleicht nicht, aber Correa hat sich über die aggressive<br /> Wirtschaftspolitik seitens China beschwert und verglich es mit dem IWF.<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Ja, hab ich gelesen. Ich will auch gar nicht alles verteidigen, was aus China kommt. Correa wird schon wissen, wovon er redet, und ich glaube, dass der ein ehrlicher Mann ist. Es gibt in China<br /> die Bewunderer des Westens, einschliesslich der "neoliberalen" (besser: neokolonialen) Rücksichtslosigkeiten gegenüber den schwächeren Staaten, die im Verständnis dieser Leute "Sachzwang" im<br /> "globalen Wettbewerb" sind. Und da diese Leute Einfluss und Machtpositionen haben, setzt sich das auch in praktische (Wirtschafts-)Politik um. Nach allem, was ich lese, wird diese Strömung zur<br /> Zeit schwächer, weil die Krise zeigt, dass die "Finanzindustrie" ein leerer Sack ist.<br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> <br /> Ja Sepp,<br /> <br /> <br /> sollten unsere Differenzen in Sachen China nun vielleicht doch nicht so groß sein?<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Glücklicherweise sheinen wir keine zwei Fraktionen aufmachen zu müssen  ...<br /> <br /> <br /> <br />