Freie soziale Marktwirtschaft: Griechenland versinkt in Armut
So schnell kann das gehen - innerhalb zwei, drei Jahren sinkt der Lebensstandard der griechischen Kolleginnen und Kollegen von einem annähernd westeuropäischen Stand auf den eines "Entwicklungslandes" herab. Über ein paar Jahrzehnte schien es so, als könnten sie sich aus Armut und Not herausarbeiten. Jetzt versinken sie wieder darin, so rasend schnell, dass es viele noch gar nicht recht glauben können. Den spanischen, portugiesischen, irischen, italienischen Arbeitern geht es ähnlich. Und die meisten osteuropäischen sind aus dem nach der Konerrrevolution um sich greifenden Elend nie herausgekommen. Aber vor zehn Jahren hätten sich die meisten unter den jetzt um die fünfzehn Millionen Armen in Deutschland auch nicht träumen lassen, in welche Umstände sie die "soziale Marktwirtschaft" wieder bringen würde.
Hier über die Erfahrungen der griechischen Kolleginnen und Kollegen:
Das Leben danach: Griechische Kollegen nach dem sozialen Bankrott
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von Griechenland-Solidaritäts-Komitee Köln Die griechische Gesellschaft ist mit aktiver EU-Hilfe in nur drei Jahren aller sozialen Errungenschaften beraubt und um Jahrzehnte zurückgeworfen worden. Während die dünne reiche Oberschicht massenhaft Gelder aus dem Land zieht, wird die Masse der Bevölkerung auf das Lebensniveau eines Entwicklungslandes herabgedrückt. Der Referent, BR-Kollege Matthias Grzegorzic berichtete lebendig von seinen Eindrücken als Teilnehmer einer Gewerkschafterdelegation, die sich in Griechenland bei den Kolleg/innen vor Ort über die aktuelle soziale Situation informierte. Die soziale Verwüstung betrifft alle Bereiche: Das bürgerliche Vertragsrecht gegenüber den Gewerkschaften: abgeschafft! - So kann nun nach den beschlossenen „Reformen“ der Arbeitgeberverband alle geschlossenen Tarifverträge durch einseitige Willenserklärung einfach für unwirksam erklären. So etwas kannten die Griechen bisher nur unter der Militärdiktatur in den 70er Jahren des vergangenen Jhdts. Der Mindestlohn wurde auf 586 Euro reduziert! Arbeitslosengeld beträgt 322 Euro (für 2 Jahre) Bei Massenentlassungen war bisher ein vorheriges Gesprächsangebot an die Gewerkschaften gesetzlich vorgeschrieben: abgeschafft! - so kommt es im ganzen Land nun zu Massenentlassungen, ohne dass die Gewerkschaften zuvor überhaupt informiert werden. Gesundheitssystem: abgeschafft! - Nachdem die Krankenkassen offiziell im Herbst ihren Bankrott erklärt hatten, sind dringend benötigte Medikamente zur Mangelware geworden. Der Kollege berichtete, daß sie mit einer entlassenen Oberschwester zur Apotheke „einkaufen“ gingen und diese ihnen berichtete, dass sie noch vor 2 Jahren niemals geglaubt hätte, dass sie mitten in Europa mit gesammelten Spendengeldern Medikamente für todkranke Menschen besorgen müsste. Er berichtete auch von einem ehemaligen Berliner Busfahrer, der noch vor zwei Jahren in Berlin ca.2000 Euro verdient hätte und nun die gleiche Arbeit unter schlechteren Bedingungen in Athen für 480 Euro verrichtet, wovon er auch noch Steuern abzuführen hätte. Nachdenklich meinte der Referent, dass sie auf ihrer Reise viele griechische Gewerkschaftskollegen vor Ort kennengelernt hätten, die noch unter Schockwirkung standen. Die griechischen Kollegen schilderten ihre Lage und wunderten sich selbst darüber, wie in nur drei Jahren mitten in Europa derartige Zustände möglich wurden. Lohnsenkungen von 30 bis 50 %, die Renten wurden um 15% gesenkt! Jugendliche unter 26 Jahren zu 60% arbeitslos! Eine massive Auswanderungswelle besonders qualifizierter Menschen hat begonnen und die Suizidrate ist sprunghaft angestiegen Überall beginnen die Menschen nun Netzwerke und Selbsthilfegruppen aufzubauen. Ganze Krankenhausbelegschaften arbeiten inzwischen trotz Schließungen weiter und sind dringend auf Spenden der Bevölkerung angewiesen. Über 40 Betriebe sind mittlerweile aus Notwehr von den Belegschaften in Eigenregie übernommen und arbeiten einfach ohne Bezahlung weiter. Die deutschen Kollegen wurden immer wieder darum gebeten, zu berichten, was in dem Land mit Hilfe der EU angerichtet werde. Solidarität sei bitter nötig, wurde immer wieder betont. In einem zweiten Teil der Veranstaltung zeigte das „Griechenland- Solidarität- Komitee Köln“ einen kurzen Film über die Metallkollegen des griechischen 'Viomet' Betriebes bei Thessaloniki. Seit einigen Monaten hat das Kölner Komitee zu den Kollegen vor Ort Kontakte entwickelt und unterstützt die Belegschaft ideell und materiell. Die griechischen Kollegen besetzten vor 18 Monaten ihren Betrieb, nachdem die Geschäftsleitung zuvor alle Gelder aus dem gut gehenden Werk raus geholt hatte und es platt machen wollte. In einer „Solidaritätskarawane“ zogen die Kollegen durch Nordgriechenland und machten den Skandal öffentlich. Sie beschlossen auf einer Vollversammlung nach einigen Monaten die Weiterführung des Betriebes in Eigenregie. Sie erarbeiteten einen eigenen Finanzvorschlag sowie einen künftigen Produktionsplan, den sie dem Athener Ministerium überreichten. Die Experten des Wirtschafts- und Finanzministeriums waren überrascht und bewerteten die Planungen sehr positiv. Seit Monaten reagierte das Ministerium jedoch nicht mehr und die Kollegen haben jetzt gezwungenermaßen die Produktion in Eigenregie wieder aufgenommen, da sie nicht mehr von eingehenden Spenden leben können und vom Hunger bedroht sind. Das Kölner Komitee hat eine kleine Broschüre über diese Belegschaft erstellt und vertreibt sie derzeit zu einem Solidaritätspreis. Die Einnahmen kommen der Belegschaft zugute.
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