"Marktdemokratie" siegt in Griechenland
Übernommen von Unsere Zeit http://www.dkp-online.de/uz/aktuell/ :
"Marktdemokratie" siegt in Griechenland Nach der Wahl kann die Memorandumpolitik fortgesetzt werden |
Griechenland hat Merkel gewählt. Auf diese Formel lässt sich das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag verkürzen. Steht die deutsche Kanzlerin schließlich in allen Kaffeehausdiskussionen, in den Gesprächen beim Bäcker, Friseur oder Gemüsehändler als Synonym für alle Schlechtigkeiten, die als Folge der polit-ökonomischen Krise das Leben der Menschen bedrücken. Frau Merkel ist Persona non grata, und nun hat die Mehrheit der Wähler/innen mit Antonis Samaras genau ihren griechischen Kronprinzen gewählt. Mit knapp 30 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt seine Nea Dimokratia in den Genuss der 50 Bonussitze, benötigt für die erforderliche Regierungsbildung von 151 nur 22 Mandate hinzu, die ihr die sozialdemokratische PASOK - mittlerweile auf unter 13 Prozent abgesackt - konfliktfrei liefert. Mit 172 Parlamentssitzen werden diese beiden Parteien eine Mehrheit herstellen, die konsequent die "deutsche" EU-Linie umzusetzen plant. Schließlich hatten Samaras und Venizelos bereits im März der EU-Kommission ihre unerschütterliche Haltung zur finanzkapitalistischen Plünderung des Landes und zum rigorosen Sozialabbau schriftlich zugesagt. Gleichwohl vertreten beide Parteien magere 26 Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger. In diesem Viertel der Wahlberechtigten konzentriert sich der Bevölkerungsteil, der mit der Umsetzung der Memoranden eigene Vorteile verbindet. So funktioniert parlamentarische Demokratie in Griechenland, was für die Kanzlerin Marktdemokratie heißt. Syriza heißt der zweite Gewinner der Wahl. Dieses Wahlbündnis, von der Synaspismos dominiert, hatte sich nach der Wahl vom 6. Mai zur Partei konstituiert und hoffte nun nach dem sprunghaften Anstieg des Stimmenanteiles als stärkste Partei die 50 Bonussitze zu kassieren, um die Regierungsverantwortung übernehmen zu können. Mit 27 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde das Ziel nur knapp verfehlt. Wie stets bei Wahlen in Griechenland seit Ende der Junta 1974 gelang es der herrschenden Politik und den Massenmedien, die öffentliche Diskussion auf Bipolarität zu fokussieren. Konzentrierte sich früher die öffentliche Wahldebatte auf ND und PASOK, so jetzt auf auf ND und Syriza. Einerseits schürte ND die Angst vor Chaos, andererseits band Syriza die Wut der abhängig Arbeitenden, der Jugend und Rentner mit Versprechungen eines Endes der Memoranden in neuen Hoffnungen: Beide, ND und Syriza, haben sich in ihrer Programmatik auf die EU- und NATO-Systematik verpflichtet. Auf dieser Basis machten die Vorsitzenden beider Parteien ihre Versprechungen. Samaras als Vorsitzender der ND präsentierte ein 18 Punkte-Programm zur Überwindung der Krise. Renten und Kindergeld wolle er erhöhen, die Auszahlung von Arbeitslosengeld von einem auf zwei Jahre verlängern, gegen die weitere Absenkung von Löhnen im Privatsektor vorgehen und innerhalb eines Jahres mindestens 150 000 Arbeitsplätze schaffen. Wie er ein solches Prosperitätsprogramm mit seiner Austeritätsverpflichtung vereinbaren will, dazu schwieg er. Alexis Tsipras, Spitzenkandidat von Syriza, verkündete ein wahres Feuerwerk an Wahlversprechen - er wolle das mit den Gläubigern ausgehandelte Memorandum zurücknehmen, Mindestlohn und Arbeitslosengeld erhöhen, Steuererhöhungen abschaffen, Vetternwirtschaft und Steuerhinterziehung bekämpfen und eine schrittweise Kontrolle über Banken und die Schlüsselindustrie einführen. Gleichzeitig versicherte er, die Mitgliedschaft in der Eurozone und in der EU nicht anzutasten, ebenso selbstverständlich die militärische Sicherheit Griechenlands. Dass dies mit den bestehenden NATO-Strukturen verbunden ist, erwähnte er nicht. Mit Tsipras und Samaras als Kontrahenten im Kopf-an-Kopf-Rennen boten ND und Syriza die medienwirksame Vorlage, um ihre politischen Positionen in den Fokus der öffentlichen Debatte zu stellen. Insbesondere Alexis Tsipras als Hoffnungsträger vieler Linker wurde hierzulande zum "Schreckgespenst des Kommunismus" stilisiert. In den griechischen Massenmedien wird er gehätschelt, um ihm möglichst viele potentielle Wähler der KKE in die Arme zu spielen. Denn die Mächtigen haben vor allem Angst vor wachsendem Einfluss der Kommunistischen Partei Griechenlands. Ihr Blick richtete sich seit Jahren bei jeder neuen Wahl auf die steigenden Ergebnisse der KKE. Sie klein zu halten, sie zu denunzieren, ihr den "richtigen" Weg vorzuschlagen, war und ist Kernziel bürgerlicher Medien und Politik. Weder die neue sozialdemokratische Abspaltung "Demokratische Linke" vor einigen Monaten noch die konservativen "Unabhängige Griechen" erfüllte die bürgerlichen Erwartungen. Die KKE konnte am 6. Mai noch ein wenig höheres, wenn auch keineswegs befriedigendes Stimmenergebnis erzielen. Der smarte Tsipras mit der als linksradikal bezeichneten Syriza, die das brave Bürgertum insbesondere im EU-Ausland aufschreckte, errang den Spitzenplatz im Antikommunismus. Ob es ein Pyrrhussieg war, werden die nächsten Monate oder auch erst Jahre zeigen. Die KKE jedenfalls mit 4,5 Prozent der abgegebenen Stimmen und nur mehr 267 000 gegenüber noch 529 000 Stimmen am 6. Mai hat eine herbe Wahlniederlage einstecken müssen. Die Partei hat offenbar vielen Wählern/innen nicht hinreichend deutlich erklären können, warum ein Zusammengehen mit Syriza die Preisgabe kommunistischer Basispolitik bedeutet hätte. Auch die Zuspitzung der Debatten auf die SpitzenkandidatInnen drängte die KKE in die Defensive. Nichts gebe es zu beschönigen, erklärte Aleka Papariga, die Vorsitzende der KKE, unmittelbar nach der Wahl im Fernsehsender NET. Keines der die Nation drückenden Probleme sei durch diese Wahl gelöst. Sie sprach von einem negativen Wahlergebnis für das Volk:
Die griechischen Wähler/innen haben sich am 17. Juni für vorgeblich einfache Lösungen entschieden. Sie als Illusionen zu erklären, als Sackgasse weiterer Ausplünderung und Angriffe auf die Existenzrechte der großen Mehrheit des griechischen Volkes, hat die KKE vergeblich versucht. Auch die, die den Weg der Illusionen gewählt hätten, wissen: Auch nach dem 17. Juni werde die KKE für sie da sein! "Es kann kein ´Abwarten und Tee trinken´ geben, denn die negativen Entwicklungen werden sich schnell zeigen. Die KKE geht davon aus, dass die Basis für den Gegenangriff des Volkes die Arbeitsstätten sein müssen, die Branchen und die Stadtviertel. Und über allem steht, was am wichtigsten ist, die Neugründung der Arbeiter- und Volksbewegung, das gesellschaftliche Bündnis, das sowohl gegen die unmittelbaren und drängenden Probleme kämpfen, aber auch Kräfte für den notwendigen radikalen Umsturz sammeln wird." Udo Paulus |