Nachlass eines V-Mannes
Nachlaß eines V-Mannes
Nach dem Tod eines vermeintlichen Mitstreiters mußten linke Aktivisten aus München feststellen, daß er sie und ihre Bündnispartner viele Jahre bespitzelt hatte
Von Claudia Wangerin ![]() Von Anarchos bis zur FDP: Eine breite Protestfront war Objekt geheimdienstlichen Interesses Foto: dpa |
Der Nachruf vom 17.März 2011 wirkt angesichts neuer Erkenntnisse über den Toten unfreiwillig ironisch: »Kein Mann, der sich gerne in den Vordergrund gestellt hat«, sei Günter K. gewesen, der Ende Februar mit 64 Jahren starb. »Er war jedoch ein fester Bestandteil im notwendigen Kampf gegen Krieg, Faschismus und Unterdrückung in München. Wann immer Kundgebungen und Veranstaltungen stattfanden, konnte man sicher sein, sein Gesicht in der Menge irgendwann zu finden. Er war schlicht immer da.« Jahrzehnte lang hatte Günter K. auch einen Großteil seiner Sozialkontakte in der linken Szene Münchens. Ernst Antoni von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hielt eine Trauerrede für das langjährige Mitglied seines Kreisvorstandes. »Vielfältige und wichtige Leistungen« habe Günter K. »zumeist im Hintergrund erbracht«. Oft habe er Gäste der Organisation vom Bahnhof oder vom Flughafen abgeholt. Als Kassenwart des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus hatte er einen Job übernommen, um den sich die Aktivisten nicht gerade geprügelt hätten. Er galt als freundlich und hilfsbereit.
»Niemand hatte einen Verdacht«, sagt Claus Schreer, der Günter K. seit Jahrzehnten aus der Bündnisarbeit kannte. »Er hat auch nie mitgeschrieben.« In seinem Nachlaß fanden sich allerdings Tonträger, die er kurz nach den Sitzungen besprochen haben muß. Darin bezeichnet sich Günter K. selbst als »Quelle«, führt die Tagesordnung auf, faßt Redebeiträge zusammen, nennt die Teilnehmer, die er kennt, namentlich und liefert Personenbeschreibungen von weiteren. Wie zur Abschrift für eine Bürokraft des Landesamtes Verfassungsschutz. Weder dieses noch das bayerische Innenministerium sind allerdings zu einer Stellungnahme bereit.
In der linken Szene und der Friedensbewegung Münchens war Günter K. seit den 70er Jahren bekannt. Die Tondokumente, die der Rechtsanwältin Angelika Lex vorliegen, sind alle deutlich jüngeren Datums. Ob er bereits vor Jahrzehnten »eingeschleust« oder erst später als Informant angeworben wurde? »Wir tappen völlig im dunkeln«, sagt Claus Schreer.
Die letzte Lebensgefährtin von Günter K. soll eher unpolitisch gewesen sein, begleitete ihn aber ab und zu auf Veranstaltungen. Nach Einschätzung der Betroffenen hat die inzwischen auch verstorbene Frau nichts von seiner Spitzeltätigkeit gewußt. Seine Auftraggeber scherten sich offenbar nicht um die psychischen Folgen eines solchen Doppellebens. Daß der mutmaßliche V-Mann das Rentenalter nicht erreichte und auch keine Spuren mehr verwischen konnte, führen seine Zielpersonen zum Teil auf ein Suchtproblem zurück, das sich in den letzten Jahren verschärft haben soll. Trotzdem galt er bis zuletzt als zuverlässig und fiel nicht durch schlechtes Benehmen auf.
Günter K. und seine Auftraggeber waren offenbar weniger am engen Kreis der linksradikalen Szene interessiert als an den Schnittstellen der Bündnisarbeit von außerparlamentarischen Linken mit wählbaren Parteien und Gewerkschaften. Am Rande geriet sogar der Bürgerrechtsflügel der FDP in den Fokus der Ausspähung, als die heutige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Mai 2008 als Rednerin für eine Kundgebung gegen das bayerische Versammlungsgesetz gewonnen werden sollte. Das Gesetz, das damals eine derart breite Protestfront auf den Plan gerufen hatte, wurde später vom Bundesverfassungsgericht gekippt. In diesem Zusammenhang nahm Günter K. viele Namen prominenter Bürgerrechtler in sein Tonbandprotokoll auf– so auch den des früheren Münchner SPD-Bürgermeisters und bayerischen Verfassungsrichters Klaus Hahnzog. Auch Anwältin Angelika Lex und ihr Ehemann, der Grünen-Stadtrat Siegfried Benker, sind namentlich erwähnt. Von Interesse waren offenbar nicht nur die Vorbereitungstreffen zu Protestaktionen gegen das Versammlungsgesetz oder die alljährliche »Münchner Sicherheitskonferenz«, sondern auch die persönliche Lebenssituation einzelner Aktivisten – wie in einem Fall permanente Geldnöte. Über die eigene finanzielle Lage und den Informantenlohn von Günter K., der hauptberuflich Versicherungen verkauft haben soll, ist nichts näheres bekannt.
»Niemand hatte einen Verdacht«, sagt Claus Schreer, der Günter K. seit Jahrzehnten aus der Bündnisarbeit kannte. »Er hat auch nie mitgeschrieben.« In seinem Nachlaß fanden sich allerdings Tonträger, die er kurz nach den Sitzungen besprochen haben muß. Darin bezeichnet sich Günter K. selbst als »Quelle«, führt die Tagesordnung auf, faßt Redebeiträge zusammen, nennt die Teilnehmer, die er kennt, namentlich und liefert Personenbeschreibungen von weiteren. Wie zur Abschrift für eine Bürokraft des Landesamtes Verfassungsschutz. Weder dieses noch das bayerische Innenministerium sind allerdings zu einer Stellungnahme bereit.
In der linken Szene und der Friedensbewegung Münchens war Günter K. seit den 70er Jahren bekannt. Die Tondokumente, die der Rechtsanwältin Angelika Lex vorliegen, sind alle deutlich jüngeren Datums. Ob er bereits vor Jahrzehnten »eingeschleust« oder erst später als Informant angeworben wurde? »Wir tappen völlig im dunkeln«, sagt Claus Schreer.
Die letzte Lebensgefährtin von Günter K. soll eher unpolitisch gewesen sein, begleitete ihn aber ab und zu auf Veranstaltungen. Nach Einschätzung der Betroffenen hat die inzwischen auch verstorbene Frau nichts von seiner Spitzeltätigkeit gewußt. Seine Auftraggeber scherten sich offenbar nicht um die psychischen Folgen eines solchen Doppellebens. Daß der mutmaßliche V-Mann das Rentenalter nicht erreichte und auch keine Spuren mehr verwischen konnte, führen seine Zielpersonen zum Teil auf ein Suchtproblem zurück, das sich in den letzten Jahren verschärft haben soll. Trotzdem galt er bis zuletzt als zuverlässig und fiel nicht durch schlechtes Benehmen auf.
Günter K. und seine Auftraggeber waren offenbar weniger am engen Kreis der linksradikalen Szene interessiert als an den Schnittstellen der Bündnisarbeit von außerparlamentarischen Linken mit wählbaren Parteien und Gewerkschaften. Am Rande geriet sogar der Bürgerrechtsflügel der FDP in den Fokus der Ausspähung, als die heutige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Mai 2008 als Rednerin für eine Kundgebung gegen das bayerische Versammlungsgesetz gewonnen werden sollte. Das Gesetz, das damals eine derart breite Protestfront auf den Plan gerufen hatte, wurde später vom Bundesverfassungsgericht gekippt. In diesem Zusammenhang nahm Günter K. viele Namen prominenter Bürgerrechtler in sein Tonbandprotokoll auf– so auch den des früheren Münchner SPD-Bürgermeisters und bayerischen Verfassungsrichters Klaus Hahnzog. Auch Anwältin Angelika Lex und ihr Ehemann, der Grünen-Stadtrat Siegfried Benker, sind namentlich erwähnt. Von Interesse waren offenbar nicht nur die Vorbereitungstreffen zu Protestaktionen gegen das Versammlungsgesetz oder die alljährliche »Münchner Sicherheitskonferenz«, sondern auch die persönliche Lebenssituation einzelner Aktivisten – wie in einem Fall permanente Geldnöte. Über die eigene finanzielle Lage und den Informantenlohn von Günter K., der hauptberuflich Versicherungen verkauft haben soll, ist nichts näheres bekannt.