Occupy - vorbei ?

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

Auf der Internet-Site der iL (interventionistische Linke) steht eine nüchtern-ernüchternde Erklärung über das Ergebnis der Blockupy-Kampagne:

Blockupy Frankfurt: Versprochen, gehalten?

Erklärung zum Abschluss der Europäischen Aktionstage

Dies ist eine nüchterne Bilanz, wir kennen unsere Grenzen. Wir wissen, dass sie enger gesteckt sind als wir uns das wünschen. Wir wollten mehr sein, wollten häufiger den entscheidenden Schritt voraus sein. Wir haben uns viel mehr Zelte auf den Plätzen gewünscht, für längere Zeit. Wir hatten eine Vielzahl von Versammlungen und Treffen vorbereitet, von Gelegenheiten zum freien Austausch und zur freien Debatte. Die Gewalt der Verbote und die Gewalt derer, die sie umsetzten, haben uns daran gehindert.
Blockupy Frankfurt war nur ein Anfang.
Ein Anfang aber ist das, was augenblicklich wiederholt werden kann, immer wieder neu. Darauf haben wir vertraut, daran haben wir geglaubt, mit vielen anderen. Das haben wir nun möglich gemacht.

Das haben Kapital, Staat und deren Gewaltapparat gewusst und mit ihren Mitteln verhindern wollen. This is what democracy looks like: ein doppeltes Antlitz. Ihres und unseres. Das haben alle gesehen. Aus dieser Erfahrung haben viele ihre Schlüsse gezogen, andere werden ihnen morgen folgen.

Kapital, Staat und deren Gewaltapparat werden auch morgen noch da sein. Wir auch. Wir kommen wieder. Wir sehen uns in Frankfurt, in Rom, in Athen, in Barcelona, in Tunis. Make capitalism history. Weltweit. Versprochen.

Danke an alle, die mit uns waren und sein werden.

Interventionistische Linke, 20. Mai 2012.

Quelle: dazwischengehen.org

Bei weit grösserer Massenbeteiligung hatten die Occupy-Bewegung in den USA, die Bewegung vom Syntagma-Platz in Griechenland und die Basta Ya!-Bewegung in Spanien ein ähnliches Ergebnis. Sie haben Protest zum Ausdruck gebracht, der in die bürgerlichen Medien Eingang fand und damit zum "öffentlichen Thema" wurde - für einige Tage Spitzenthema, für einige Wochen Nebenbei-Thema. Das war´s.

In der Blockupy-Erklärung steht die Hoffnung, dass das nur ein Anfang war. Dass immer wieder bei dieser und jener Gelegenheit spontaner Protest aufflammt, ist sogar nicht bloss eine Hoffnung, sondern sicher. Es ist aber zu fragen, wie weit man damit kommt. In der Erklärung steht: "Aus dieser Erfahrung haben viele ihre Schlüsse gezogen, andere werden ihnen morgen folgen." - Welche Schlüsse?

Der wichtigste Schluss wäre, dass spontane Bewegungen, gelegentliche Ad-hoc-Organisierung nicht ausreichen, um die Macht herauszufordern oder gar zu überwinden. Mit so etwas rechnen die Machthaber, stecken es weg, schüchtern da ein wenig ein, lassen die Polizei dort brutal zuschlagen, lenken die Diskussion mit ihren Medien in ungefährliche Richtungen ab und - ja, auch das - kaufen den einen oder die andere der Aktivisten.

Die lose Organisation und die unverbindliche inhaltliche Grundlage liessen von vorneherein nicht mehr zu, als die Wortradikalität - Okkupieren, Blockieren - nur symbolisch einzulösen. Okkupiert wurden ja nicht Banken, Konzernzentralen oder Ministerien, sondern Parks und öffentliche Plätze. Solche symbolische Aktionen sind zweischneidig. Einerseits können sie die Richtung angeben, auf das Ziel wirklicher Okkupation und Blockade an den wirklichen Schauplätzen, um die es eigentlich geht, orientieren. Andererseits drücken sie auch aus: Zu mehr, als so zu tun als ob, sind wir (noch) nicht in der Lage.

Spontane Organisierung reicht nicht. Es ist nicht so, dass diese Organisationsform "in unseren (post)modernen Zeiten" die passende ist und die  "traditionellen" festen und verbindlichen Organisationsformen damit nach vorne überwunden wären. Spontaneität ist auch heute, was sie immer war: der unmittelbare Ausdruck von Unzufriedenheit und Zorn; die embryonale Form wirklichen ernsthaften Widerstands. Dieser wird ernsthaft in dem Mass, in dem die Illusionen über Spontaneität und Unverbindlichkeit überwunden werden - in den Köpfen und praktisch dadurch, dass sich die Protestierenden in festen Organisationen zusammenschliessen und für den Kampf gegen die Macht eine kluge Strategie und Taktik entwickeln.

Vorläufig ist es aber so, dass selbst die Leute, die das eigentlich wissen, sich von der Überschätzung der Spontaneität anstecken lassen oder ihr opportunistisch nachlaufen. So waren bei der Blockupy-Kampagne in Frankfurt auch Kommunisten dabei, unter ihnen auch die DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen. Das ist sehr gut. Nicht gut ist, wenn man von dieser Seite nur aufbauend Moralisches, aber keinen Piep über die Grenzen der Spontaneität und die Notwendigkeit hört, deren begrenzte Wirkungsmöglichkleiten zu überwinden - in jeder spontanen Bewegung immer wieder neu, ohne Besserwisserei, geduldig, aber hartnäckig und entschieden.

Veröffentlicht in Kultur und Gesellschaft

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