Solidarisch mit der libyschen Revolution ?

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Die Kampagne gegen das Gaddafi-Regime kann im kollektiven Gedächtnis den Erinnerungskomplex abrufen, der mit der jahrzehntelangen Hetze gegen Libyen aufgebaut worden ist. Sie richtete sich stets gegen ein Regime, das zu den fortschrittlichsten im arabischen Raum gehörte und das an sozialen Massnahmen und einer Hebung des Lebensstandards auch noch festhielt, als die fortschrittlichen Regimes in Ägypten und Algerien und im Südjemen schon längst durch west-hörige Regierungen ersetzt oder sich im Irak Saddam Husseins reaktionär gewendet hatten.

 

Gaddafi - der unberechenbare Verrückte, das Ölland Libyen als Finanzier von Terror - das ist das Bild, das jetzt abgerufen wird. So einer wie Gaddafi lässt natürlich oppositionelle Demonstrationszüge - von denen man übrigens in den TV-Bildern so gut wie nichts gesehen hat - mit Überschall-Jets beschiessen, ungeachtet dessen, dass das technisch gar nicht möglich ist. So einer lässt die eigenen Städte zerbomben, auch wenn es sich in Wirklichkeit um Waffen- und Munitionsdepots handelt, die seinen Gegner in einem Bürgerkrieg in die Hände gefallen sind. Irgendwo liegen zwanzig Leute, Gesicht nach unten, die Hände auf den Rücken gefesselt, auf der Strasse, man sieht nicht, ob sie tot sind oder leben, kein Mensch kann sagen, wer sie in diese Lage gebracht hat, es könnten ebensogut Anhänger Gaddafis sein, die von seinen Gegnern exekutiert worden sind  - aber  das ist Gaddafi Die "friedlichen Demnonstranten", die ihr Recht auf Meinungsfreiheit gegen den Diktator geltend machen, können mit erbeuteten Panzern und Granatwerfern und Maschinengewehren vor den Kameras posieren. Macht nichts, unverhältnismmässige Gewaltanwendung ist verboten, erklärt Obama - während seine Soldateska in Afghanistan und Pakistan jeden Tag genau das tut - , während deutsche und britische Kriegsschiffe in die libyschen Hoheitsgewässer eindringen und das Publikum auf das "Eingreifen" britischer und US-Spezialtruppen vorbereitet wird. 

 

Mit dem ganzen Standardarsenal aus Gräuelpropaganda und Menschenrechtssülze werden  Breitseiten auf die Hirne der westlichen Medienkonsumenten geschossen, damit diese über Befreiung delirieren, während in Wirklichkeit die Besetzung Libyens und die Installierung einer vom Westen abhängigen Marionettenregierung (oder, im Fall der Zertrümmerung des jungen, noch ungefestigten Staates, auch mehrer solcher) vorbereitet und schon per Bürgerkrieg betrieben werden.

 

Gaddafi ist ein verrückter Clown ? Wohl eher nicht. Ein Verrükter, der sich 42 Jahre an der Macht gehalten hat - das ist äusserst unwahrscheinlich. Gaddafi lebt in Saus und Braus ? Wahrscheinlich schon, aber der Lebensstandard in Libyen ist fünfmal höher als in Tunesien - war fünfmal so hoch, wird man sagen müssen, wenn der Kronprinz aus London voneinem  britischen Militärflugzeug eingeflogen und die Flaage dieses eigenartigen Königshauses, die man jetzt überall als Flagge der Aufständischen sieht, wieder die Flagge Libyens werden sollte.

 

Wird es den Libyern besser gehen, wenn die Ölförderung, die bis jetzt trotz grosser Zugeständnisse an die westlichen Ölkonzerne noch unter staatlicher Kontrolle ist, in der Hand eben dieser Konzerne sein wird ? Werden die auch ein kostenloses Schulwesen und eine medizinische Versorgung auf dem Niveau Westeuropas finanzieren ? Werden sie Wohnungen bauen, die die Libyer zu kleinen Preisen erwerben können ?

 

Den Teufel werden sie tun. Es geht doch gerade darum, solche unnötigen Kosten, solchen Sozialfirlefanz abzuschaffen, die doch nur unnötigerweise die Renditen belasten. Darum geht es im Moment in Libyen. Wenn von Demokratie die Rede ist, ist vom freien Zugriff auf die libyschen Ressourcen die Rede. Wenn von unverhältnismässiger Gewalt die Rede ist, ist von kampfloser Kapitulation vor  den westlichen Imperialisten die Rede. Wenn gefordert wird, dass Gaddafi weg muss, ist gemeint, dass die libysche Souveränität weg muss.

 

Darum geht es in Libyen. Und wer sich mit der Sorte Revolution solidarisiert, die da gerade stattfindet, ist entweder ein Ölmanager oder ein deutscher General oder ein britischer Minister oder Usamerikanischer Präsident - oder er ist schief gewickelt.

 

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update:

 

Chavez zu Libyen auf Twitter:

http://twitter.com/chavezcandanga/status/40943330179284992

 

 

 

 

Veröffentlicht in Afrika

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M
<br /> <br /> Fragt sich nur, warum dann Tausende gegen dieses achso fortschrittliche Regime aufgestanden sind? Und ein Revolutionsführer der für die EU afrikanische Flüchtlinge in Lager sperrt und dafür Geld<br /> kassiert, scheint nicht gerade ein Freund der Massen zu sein. Aber gut, der Mann erklärt ja auch, "es gibt keine Demonstationen gegen mich." Und dass Al Qaida hinter allem stecke. Die Rede davor<br /> war es übrigens eine tunesisch-ägyptische Verschwörung mit Israel als Drahtzieher. - Oh Mann: Der Feind meines Feinde ist mein Freund. Das ist nun mal knallharte "marxistische Analyse", die ich<br /> langsam nur noch zum Kotzen finde.<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Mir ging es in dem Beitrag gar nicht um eine Beurteilung des Gaddafi-Regimes, sondern darum, dass andere Staaten die Souveränität Libyens zu achten haben, wie es die UNO-Charta vorschreibt. Die<br /> Anmassung, über diese und jene Regierung oder Aufstandsbewegung zu urteilen und daraus ein "Recht",ja sogar die "moralische Pflicht" abzuleiten, die eine oder andere zu "unterstützen" ist doch<br /> gerade der propagandistische Trick, mit dem das Publikum für immer neue Kriege kirre gemacht werden soll. DAFÜR wird der jewils ins Auge gefasste Gegner nach einem wirklich inzwischen<br /> langwweiligen Schema verteufelt. Den Dreck, den die CIA in solchen Kampagnen auskotzt wie eine vollautomatische Kotzmaschine weiss man immer schon einen Tag voraus, wenn man das ein paarmal<br /> beobachtet hat. Abgesehen von der Niedertracht habe ichjedenfalls keine Lust, mich verarschen zu lassen und agitiere ein wenig dafür, dass andere das auch nicht mit sich machen lassen.<br /> <br /> <br /> Wer mit "knallharte marxistische Analyse" angesprochen ist, ist mir nicht klar. Falls Gaddafi gemeint ist: Der ist wohl eher kein Marxist. Er ist (oder war ?) ein pan-arabischer Nationalist, in<br /> seinen jungen Jahren beeinflusst von Nasser und der Baath.<br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> ich werde Deinen Artikel als Grundlage nehmen, um in meinen Umfeld gegen die<br /> <br /> <br /> Konterrevolution in Libyen zu agitieren.<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Ahoi<br /> <br /> <br /> bawitab<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Freut mich, wenn es zu was nützlich ist.<br /> <br /> <br /> <br />
B
<br /> <br /> "Und was Simon Bolivar für die Venezolaner war, ist Gaddafi für die Lybier"... http://www.youtube.com/watch?v=2Ki-vWsDh48, http://www.youtube.com/watch?v=iyMLcM5Q3Z8&feature=related, der alte Männerfreund... http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-65085-8.html<br /> <br /> <br /> <br />
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K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> ich bin nicht überstreng, ich verlange nur von der Linken, ob marxistisch oder haste nicht gesehen, das sie ihre Hausaufgaben machen.<br /> <br /> <br /> Sie müssen sich klar für die Verteidigung der sozialen Errungenschaften der Arbeiterklase und der unterdrückten Völker positionieren und in diesem Fall<br /> <br /> <br /> Gaddafi und das libysche Volk unterstützen.<br /> <br /> <br /> Das Warten auf Besserung ihrer Einstellung nützt nur den Imperialisten.<br /> <br /> <br /> Ahoi<br /> <br /> <br /> bawitab<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Ich warte ja nicht. Ich tu was dafür.<br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> Hallo Sepp, vielen Dank für diese brillante Analyse über die Ursachen und Hintergründe der libyschen Konterrevolution. Die gesamte deutsche Linke aller Strömungen stellt sich hinter die<br /> Konterrevolution und damit auf die Seite des Imperialismus. Wenn es darauf ankommt, revolutionäre und soziale Errungenschaften der Arbeiterklasse und der um Befreiung vom Imperialismus kämpfenden<br /> Völker zu verteidigen, wie im Fall Libyens,versagt sie und der Hauptfeind steht nie im eigenen Land. Dafür ein Dankeschön für solch eine, für das Proletariat überflüssige Linke, für diese grandiose<br /> Selbstentlarvung!!!! Ahoi bawitab<br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Sei nicht überstreng. Im ersten Moment sind halt einige überfordert und geben dem Propagandagetrommel halb nach. Ich denke, sie werden schnell kapieren, was da vor sich geht und sich auf die<br /> richtige Seite stellen.<br /> <br /> <br /> <br />