Nordkorea: "Thronfolger" ?
Wenn es nach den Mainstream-Medien geht, wird in Nordkorea gerade die Machtfolge dynastisch geregelt - Übertragung vom Vater Kim Jong Il auf den Sohn Kim Jong-un. So steht heute in der FAZ:
"Kim Jong-un
Augerechnet in der Schweiz scheint der designierte neue Führer auf die Schule gegangen zu sein
28. September 2010
Millionen Drucke seines Porträts, gemalt von den besten Künstlern des Landes, sind schon lange fertig. Und auch die kleinen Anstecknadeln mit dem Bild des jungen Mannes neben seinem Großvater und Vater sind bereits in Auftrag gegeben. Nun ist der 27 Jahre alte Kim Jong-un zum General befördert und als Vizevorsitzender in die zentrale Militärkommission der regierenden Arbeiterpartei berufen worden, und die nordkoreanische Bevölkerung liest zum ersten Mal seinen Namen. Doch die wahre Bedeutung der Beförderung bleibt unausgesprochen: Kim Jong-un ist, da sind sich die Nordkorea-Beobachter in Südkorea sicher, zum Nachfolger seines Vaters an der Staatsspitze vorgesehen."
I
Die Gerüchteküche der büergerlichen Medien und der Desinformationsabteilungen der Geheimdienste bietet für jeden missliebigen Staat ein üppiges Büffet. Im Fall Nordkoreas ist das Angebot besonders reichhaltig, weil die Informationspolitik der DVRK so spartanisch ist, dass den Kolportagen und Vermutungen nicht viel entgegengesetzt wird.
Bei der nordkoreanischen Nachrichtenagentur ist, was Kim Jong-un betrifft, das Folgende zu lesen:
Nach einem Befehl Nr. 0051 des Generalsekretärs der Partei der Arbeit Kim Jong Il ist eine grössere Zahl von Offizieren befördert worden.
- Sechs wurden zu Generälen ernannt. Drei davon werden namentlich genannt, in dieser Reihenfolge: Kim Kyong Hui, Kim Jong Un und Choe Ryong Hae.
- Zu Generalobersten wurden sechs Offiziere befördert, drei davon werden namentlich genannt.
- Weitere sechs wurden zum Generalleutnant befördert, davon werden drei namentlich genannt.
- 24 Offiziere erhielten den Rang eines Generalmajors, drei davon werden namentlich genannt.
In einer gesonderten Meldung wird mitgeteilt, dass Ri Yong Ho zum Vize-Marschall ernannt worden ist - dieser nicht von Kim Jong Il, sondern nach einem Befehl Nr. 07 der Nationalen Verteidigungskommission.
Falls es sich bei dem unter den neuernannten Generälen genannten Kim Jong Un um einen Sohn des Partei- und Staatsführers handelt (Der Name Kim ist in Korea häufiger als der Name Müller in Deutschland.), wäre die Beförderung allerdings erstaunlich. Mit 26 oder 27 Jahren - so jedenfalls die Altersangaben in den bürgerlichen Medien - wird man gewöhnlich in keiner Armee der Welt General. In der nordkoreanischen Meldung steht kein Hinweis darauf, dass es sich bei Kim Jong Un um den Sohn des Staatschefs handelt.
Dass nicht nur ein Kim Jong Un zum General ernannt wurde, sondern insgesamt 42 Offiziere, dazu ein Marschall, habe ich in keiner Meldung aus westlichen Quellen gelesen. Irgendwo stand, dass ausser Kim Jong Un auch noch eine Schwester des Staatschefs Generalin geworden sei. Was die Information über Fakten betrifft, sind also auch die Westmedien spartanisch drauf. Dafür ist die Nouvelle Cuisine in der Abteilung Gerüchte um so kreativer.
Ich verfolge die Meldungen der Nachrichtenagentur der DVRK ziemlich regelmässig. In den letzten Wochen ist mir aufgefallen, dass viel häufiger als sonst über die Aktivitäten verschiedener hoher Staatsfunktionäre berichtet wird und der Name Kim Jong Il weniger häufig vorkommt als gewöhnlich. Mein Eindruck ist, dass die nordkoreanische Informationspolitik einem genauen, gewissermassen byzantinischen Regelwerk folgt, bei dem das "Lesen zwischen den Zeilen" ein wichtiger Teil der Informationsgewinnung ist... Aber ich will nicht auch noch mit Spekulieren anfangen. Die offenbar gegenwärtig in Gang befindliche Konferenz der Partei der Arbeit wird vermutlich in den nächsten Tagen Infos produzieren, die zeigen werden, was an den westlichen Gerüchten dran ist.