Patrik Köbele: EU, EL und Kommunisten

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

 

 

Reform, Revolution - die EU, die EL und die DKP

 

Patrik Köbele

 (Patrik Köbele ist stellvertretender Vorsitzender der DKP)

 

In: Marxistische Blätter 1 / 10

 

 

1.

Im Parteiprogramm der DKP heißt es: „Zu den beherrschenden Kapitalien auf dem Weltmarkt und zu einer strukturbestimmenden Form des Kapitalverhältnisses in der gegenwärtigen Entwicklungsetappe des monopolistischen Kapitalismus wurden die Transnationalen Konzerne und Transnationalen Finanzgruppen." Ich meine, die Begrifflichkeit „Transnational" verwirrt, sie suggeriert, dass diese Konzerne über bzw. jenseits der Nationen stünden, nicht mehr von diesen und deren Bedingungen tangiert würden. Besser wäre der Begriff „multinational agierend", da diese Konzerne natürlich Nationalstaaten erpressen, Arbeiterklassen gegeneinander ausspielen, ihre unterschiedlich starke Macht in den verschiedenen Nationalstaaten in ihren Konkurrenzkämpfen für sich ausnützen. Die Formulierung, dass die TNK zu einer strukturbestimmenden Form des Kapitalverhältnisses wurden, suggeriert eine Wesensänderung im Verhältnis zum international agierenden Monopolkapital, diese sehe ich nicht und sie ist auch nicht belegt.

 

2.

Ich sehe kein vom Wesen her neues Klassensubjekt. Deshalb sehe ich keine Tendenz, die die Konstituierung der EU als neuen Nationalstaat oder, wie es etwas umschreibender ausgedrückt wird, „als Teil der Interna-tionalisierung der Überbauverhältnisse, resultierend aus der Produktivkraftentwicklung", sehen lässt. Generell halte ich Tendenzen in diese Richtung in der Zukunft für möglich, sehe sie aber als Ergebnis des politischen Willens der dominierenden Kapitalkreise und nicht als objektives Ergebnis der Produktivkraftentwicklung. Sich hier heute aber festzulegen ist reine Spekulation, warum, werde ich in These 4 begründen.

 

3.

Die Gründung der EU bzw. der Vorgänger der EU war die Bildung eines imperialistischen Staatenbündnisses gegen den europäischen Sozialismus und als Juniorpartner der USA. Es war notwendig einen Marktplatz für die ruhigere Austragung innerer Widersprüche zu bilden und die Kräfte zu bündeln, da in der Frontstellung gegen den Sozialismus ein übergeordnetes Ziel existierte. Dieser Inhalt hat sich heute geändert. Gemeinsame Ziele sind heute:

  • Die Konkurrenz zum US-Imperialismus -aber diese Gemeinsamkeit wird permanent in Frage gestellt, da immer wieder starke EU-Mitglieder ihre Interessen innerhalb der EU dadurch befördern wollen, dass sie die US-amerikanische Karte spielen.
  • Die Konkurrenz mit Russland und anderen aufstrebenden kapitalistischen Ländern -aber auch diese Gemeinsamkeit wird permanent durch unterschiedliche Interessen in der gegenseitigen Konkurrenz in Frage gestellt.
  • Die Zementierung der internationalen Ausbeutungsverhältnisse
  • Die gemeinsame Intervention, falls es in einem oder mehreren EU-Ländern zu Ausbruchsversuchen aus dem Kapitalismus oder gar zu sozialistischen Weichenstellungen kommen sollte.

4.

Es mag Faktoren geben, die dafür sprechen oder scheinbar dafür sprechen, dass die vereinigenden Tendenzen perspektivisch ein Übergewicht bekommen und deswegen politisch vom ökonomisch dominierenden Monopolkapital die Vereinigten Staaten von Europa gewünscht werden. Vorstellbar scheint dies z. B. als Ergebnis der Verschärfung der Konkurrenz mit dem US-Imperialismus. Als Gegenfaktor dürfen aber nicht unterschätzt werden:

  • Die nach wie vor bestehende Unterschiedlichkeit in der Entwicklung des Kapitalismus in den verschiedenen Mitgliedsländern der EU, die immer wieder zum Aufreißen neuer Rivalitäten und Konkurrenzen führen wird.
  • Die unterschiedliche Tiefe und Bedeutung der Verankerung multinational agierender Konzerne in den verschiedenen Nationalstaaten der EU.
  • Der unterschiedliche Einfluss von Non-EU-Kapital (inkl. US-Kapital) auf multinational agierende Konzerne

5.

Wenn die EU heute kein neuer Nationalstaat, sondern ein imperialistisches Staatenbündnis ist und auf absehbare Zeit auch bleiben wird. dann erfordern die Entwicklungen Internationalismus, eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Arbeiterklassen der unterschiedlichen Nationalstaaten, aber der wesentliche Rahmen des Klassenkampfs bleibt der Nationalstaat. Die Losung, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, hat weder an Richtigkeit noch an Aktualität verloren -dies stand historisch und steht auch heute nicht im Widerspruch zum proletarischen Internationalismus.

 

6.

Dafür spricht auch, dass Klassenstruktur, dass die Struktur, die Identität, das Bewusstsein und die Kampfformen der Gewerkschaften, also der „Schulen des Klassenkampfs", dass das Bewusstsein der Arbeiterklasse im Allgemeinen, die Lebens- und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse von solcher Unterschiedlichkeit sind, dass eine Ersetzung des notwendigen und derzeit unterentwickelten Internationalismus durch „transnationale Vereinheitlichung" sich zwar nett anhört, aber aus meiner Sicht nichts anderes als Voluntarismus ist.

 

7.

Aus diesen Gründen halte ich auch Überlegungen, Theorien oder Konzeptionen der Bildung einer Europäischen Kommunistischen Partei für voluntaristisch. Die maximale Intensivierung der Zusammenarbeit der KPen hingegen ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig und überfällig. Sie scheitert aber derzeit (leider) zwingend an ideologischen Unterschieden bzw. grundsätzlichen Unterschieden in der Analyse. Dazu gehören:

  • Die Imperialismusanalyse
  • Die Bewertung der EU
  • Die Frage der Aktualität der Herangehensweise der Leninschen Imperialismusanalyse
  • Die Anerkennung der Gesetzmäßigkeit von der unterschiedlichen Entwicklung des Kapitalismus
  • Die Bewertung der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt
  • Die Anerkennung der Notwendigkeit der autonomen Organisation der kommunistischen Partei als Trägerin der wissenschaftlichen Weltanschauung, der Ideen von Marx, Engels und Lenin

8.

Noch nicht einmal die Intensivierung der Zusammenarbeit der KPen, die als ihre ideologische Grundlage die Ideen von Marx, Engels, Lenin, den Marxismus-Leninismus sehen ist gegeben. Das ist ein Fehler.

 

9.

Das alles spricht nicht gegen die Zusammenarbeit mit Reformisten oder mit Kräften, die sich als Kommunisten sehen, bei denen sich aber die Dialektik von Reform und Revolution zur Reform verschoben hat. Diese Ak-lionseinheitspolitik ist sogar unverzichtbar. Ihr fehlt aber eine Grundlage, wenn die unverzichtbare, trennscharfe Profilierung der risenen Identität unterbleibt.

 

10.

Aktionseinheitspolitik erfordert durchaus den Eintritt und die aktive Mitarbeit in den Gewerkschaften, den Schulen des Klassenkampfs, selbst wenn diese reformistisch dominiert sind. Sie erfordert aber nur unter ganz außergewöhnlichen historischen Umständen den Eintritt in eine reformistische Partei. Diese Umstände haben wir nicht.

 

11.

Die Europäische Linkspartei ist eine reformistische Organisation, die EU ist nicht der gegenwärtige Boden des Klassenkampfs, sondern der Boden der internationalen Zusammenarbeit. Darum ist die als De-facto Vollmitgliedschaft ausgeübte beobachtende Mitgliedschaft der DKP in der Europäischen Linkspartei falsch. Sie verwischt national wie international unsere Unterscheidbarkeit zum Reformismus und unsere Autonomie haben wir auch nicht aufrecht erhalten, wie der Wahlkampf zur EU-Wahl zeigt.

 

12.

Zumindest für absehbare Zeiträume (10-20 Jahre) halte ich Ausbruchsversuche in Richtung Sozialismus nicht in der Gesamt-EU, sondern in einzelnen Ländern oder Teilen der EU für realistisch. Im Moment sehe ich die Wahrscheinlichkeit eher in der Peripherie, den schwächer entwickelten Ländern, denn in den Zentren. Trifft dies zu, werden sie sofort die EU verlassen müssen und die Arbeiterklassen der anderen Ländern werden für das Recht dieser Länder auf souveräne Entscheidungen kämpfen und internationale Solidarität gegen konterrevolutionäre Aktionen der EU entwickeln müssen.

 

13.

Die Skepsis, die Ablehnung, die große Teile der Arbeiterklasse der EU entgegen bringen, ist völlig gerechtfertigt. Die EU ist nicht vergleichbar mit dem Prozess der Herausbildung des deutschen Nationalstaates und der Überwindung des feudalen Überbleibsels der Kleinstaaterei. Die Arbeiterklasse spürt im Wesentlichen die gemeinsame Tendenz der unterschiedlichen Imperialismen, sich bei der Unterdrückung und der Aufrechterhaltung der Ausbeutung der Arbeiterklasse zu helfen. Dass diese Skepsis leider vielfach den Rechten und damit zum Entfachen oder Verstärken von Nationalismus überlassen wurde, ist ein strategischer Fehler und eine Schwäche der Linken.

 

14.

Natürlich zwingt die EU derzeit den deutschen Imperialismus, seine europäischen Vormachtansprüche zivilisierter auszutragen. Dabei sollten wir aber auch Ausnahmen, die letztlich zum völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien führten, nicht vergessen. Daraus aber die Hoffnung auf eine fortschrittliche, gar sozialistische Umgestaltungsmöglichkeit der EU abzuleiten, hat heute keinerlei materielle und realistische Grundlage und wird dies auch in der näheren Zukunft nicht haben. Vor allem wäre eine zentrale Voraussetzung dafür eine völlige Umkehr des Kräfteverhältnisses in der BRD und dies in einer hohen Parallelität mit den Prozessen in anderen Machtzentren der EU. Unterbleibt diese Parallelität, bleibt auch der BRD nur der Austritt und die Verteidigung gegen konterrevolutionäre Ambitionen der EU.

 

via http://www.triller-online.de/k0360.htm

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