Zu den Differenzen in der DKP: DKP und Linkspartei

Veröffentlicht auf von Sepp Aigner

 

Der nachfolgende Artikl erscheint kommende Woche in der Zeitschrift Theorie + Praxis:

 

 

DKP und Linkspartei:

Den kommunistischen Charakter der Partei verteidigen

 

Die Linkspartei hat gegenwaertig, im Jahr 2010, 80 000 Mitglieder, 5 Millionen Waehler, Hunderte Mandate auf allen Ebenen von Wahlfunktionen, eine Fraktion im Bundestag. Sie verfuegt ueber einen hauptamtlichen Apparat und die finanziellen Mittel, einen solchen und diverse wissenschaftliche und mediale Zuarbeit zu bezahlen.

 

Die DKP hat weniger als 5 000 Mitglieder und, abgesehen von einigen Kommunen, sehr wenig Waehlereinfluss, nahezu keinen hauptamtlichen Apparat, sehr wenig Geld und ist z. B. schlecht in der Lage, die wissenschaftliche Arbeit zu leisten, die fuer die Ableitung einer wissenschaftlich begruendeten Politik notwendig ist.

 

Beide Parteien nehmen fuer sich in Anspruch, den Kapitalismus ueberwinden zu wollen. Wenn Menschen als Mitglied einer Partei dafuer arbeiten wollen - warum sollten sie sich fuer die kleine und schwache DKP entscheiden, wenn es eine um so viel groessere und staerkere Linkspartei gibt ?

 

Die Frage steht noch schaerfer: Wenn die Linkspartei wirklich eine Partei ist, die den Sozialismus erkaempfen will, sind die Kommunisten selbst vor die Frage gestellt, warum sie sich eigenstaendig organisieren. Ein Teil der Kommunisten hat diese Frage ja auch schon damit beantwortet, dass sie sich als Plattform innerhalb der Linkspartei organisieren. Warum sollten die uebrigen das nicht auch tun - und damit auch das Gewicht der Kommunisten in der Linkspartei erhoehen ?

 

Darauf muss die DKP Argumente liefern, die ueberzeugen koennen. Gibt es gute Argumente dafuer, sich nicht in der Linkspartei, sondern in der DKP zu organisieren ? Ja, die gibt es.

 

- Die Linkspartei ist keine Partei, die den Kapitalismus ueberwinden und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen will. Was sie so nennt, ist falsch benannt. Sie will, zum Teil weitgehende, Reformen, inklusive einer Einschraenkung des Eigentums an den grossen Produktionsmitteln. Ihre weitestgehenden Positionen entsprechen in etwa denen, die wir im DKP-Programm Wende zum demokratischen Fortschritt nennen, also einer Etappe, die an den Kampf um die Macht heranfuehren soll. Das Wesen auch des neuen Linkspartei-Programmentwurfs ist, dass dies ihre weitestgehenden Vorstellungen sind. Von einem "Sozialismus" darueber hinaus weiss die Linkspartei nichts, auch wenn es in ihr Stroemungen gibt, die darueber hinaus wollen.

 

- Die Linkspartei ist weder ihrem eigenen Anspruch nach noch praktisch - etwa hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft und ihres Waehleranhangs - eine Partei der Arbeiterklasse. "Wir laden alle ein, die eine andere Politik und eine bessere Welt wollen ...", heisst es in ihrem Programmentwurf.

 

- Die Linkspartei ist weltanschaulich "pliuralistisch". Sie stuetzt sich bei der Analyse der Gesellschaft und den politischen Ableitungen daraus nicht auf Marx/Engels und Lenin, sondern ist offen fuer buergerliche Theorien, namentlich linkskeynesianistische und reformistische "Ansaetze".

 

Die komplizierte Lage der DKP als einer schwachen kommunistischen Partei neben einer viel einflussreicheren sozialistischen Partei erfordert eine flexible und zugleich prinzipienfeste Politik. Die engstmoegliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei muss verbunden werden mit der Kritik ihrer Irrtuemer, ihrer reformistischen Zuege und der Schaerfung des Profils der DKP als revolutionaerer Partei, in der sich diejenigen Menschen, vor allem aus der Arbeiterklasse, sammeln, die am entschiedensten fuer die Ueberwindung der kaptalistischen Gesellschaftsordnung und die Errichtung einer sozialistischen eintreten.

 

Die Verbindung der Zusammenarbeit mit der Linkspartei mit der Kritik ihrer reformistischen Illusionen ist eine Existenzfrage fuer die DKP.  Die Mehrheit der gegenwaertigen Parteifuehrung traegt dem nicht Rechnung. Im Gegenteil: Die Thesen des Parteivorstands sind eine Aufweichung des kommunistischen Profils der DKP, ein opportunistisches Nachgeben gegenueber linkskeynesianistischen Einfluessen, die nicht zuletzt aus dem isw - eines ausserhalb der Partei stehenden Instituts - kommen, gegenueber Modestroemungen, die in den sozialen Bewegungen Anhang haben, gegenueber "Erneuerer"-Ideen, die die kommunistische Bewegung in Westeuropa an den Rand des Abgrunds gefuehrt haben.

Es kommt zu so "seltsamen" Erscheinungen wie der, dass Mitglieder der DKP zugleich Mitglied der Linkspartei sind, dass sich selbst fuehrende Genossen auf eigene Faust um die Mitgliedschaft in der Linkspartei bewerben (und sich auch noch der Demuetigung einer Abweisung aussetzen), dass Funktionaere der Partei "sang- und klanglos" in die Linkspartei ueberwechseln, ohne dass die Parteifuehrung dies zum Gegenstand einer Debatte macht.

 

In dem Zusammenhang ist zu vergegenwaertigen, dass es in der Geschichte der kommunistischen Bewegung bisher nur in ganz seltenen Ausnahmesituationen vorgekommen ist, dass die Kommunisten in andere Parteien eintreten, ohne die eigene aufzugeben. Wo das geschehen ist, geschah das ausnahmslos auf der Basis entsprechender Parteibeschluesse - niemals in der Form, dass die Mitglieder als einzelne dies persoenlich fuer sich entschieden.

Wir kennen diese Erscheinung aber aus anderen Zusammenhaengen. Es handelt sich um eine uebliche Taktik von Trotzkisten, die von diesen unter dem Begriff Entrismus angewandt wird. Es handelt sich dabei um eine Taktik, die unsolidarisch auch gegenueber der zu "entrierenden" Partei, im gegebenen Fall der Linkspartei, ist.

 

Das naheliegende Argument "Aber es gibt doch in der Linkspartei Plattformen, z, B, die KPF" traegt nicht. Die KPF tritt innerhalb der Linkspartei offen als Fraktion oder Stroemung auf. Eine Plattform von DKP-Mitgliedern gibt es nicht. Sie wuerde von der Linkspartei auch nicht geduldet werden.

 

Das sind gefaehrliche Erscheinungen. Es geht um den Fortbestand der DKP. Beteuerungen, man wolle ja mit einer gewissen Oeffnung im Gegenteil die Staerkung der Partei, man arbeite am Profil der Partei, setzen die Gefahr nicht ausser Kraft. Auch das kennen wir von anderen Parteien. Das waren die Beteuerungen der Bertinottis und Hues, und in Italien und Frankreich ist das Ergebnis zu besichtigen. Der Unterschied ist aber, dass dort grosse kommunistische Massenparteien "nur" stark geschwaecht worden sind, aber immerhin weiterhin existieren. Fuer die kleine DKP, die bereits jetzt am untersten Rand der praktischen Moeglichkeit operiert, ueberhaupt als Partei zu funktionieren, bedeutet ein solcher Kurs den Untergang. Es handelt sich um einen liquidatorischen Kurs.

 

Es gibt in unserer Partei viele Genossinnen und Genossen, die von den gegenwaertigen Auseinandersetzung am liebsten nichts wissen wollen und diejenigen, die um den Erhalt des kommunistischen Charakters der Partei kaempfen, eher als Stoerenfriede ansehen, die unnoetigen Zwist herbeifuehren. Darum handelt es sich nicht, Genossinnen und Genossen. Es handelt sich um die Existenz der Partei. Es handelt sich darum, ob wir eine kommunistische Partei bleiben, oder zum Anhaengsel einer anderen Partei werden - sei es ausserhalb oder innerhalb der Linkspartei.

 

Die Entwicklung ist an einem Punkt angelangt, an dem ueber das Schicksal der DKP entschieden wird. Die Dinge treiben zu lassen, ist auch eine Entscheidung. Sich in dieser Lage unentschieden oder "zentristisch" zu verhalten, bedeutet, die Dinge treiben zu lassen. Besser waere, wir wuerden bewusst und kollektiv eine Entscheidung treffen: Zurueck zum Parteiprogramnm, Entfernung der Thesen des Parteivorstands aus der Parteidiskussion, Wahl einer Fuehrung, die die Partei auf eine Politik der Aktionseinheit und der Buendnisse orientiert und gleichzeitig gegen die Erscheinungen der Ausweichung und Zersetzung ankaempft.

Die Delegierten fuer den kommenden Parteitag tragen eine hohe Verantwortung. - Ueberlegt gut, Genossinnen und Genossen ! Es geht um die Existenz der Partei !

  

 

Sepp Aigner

September 2010 

 

 

 

 

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K
<br /> <br /> Danke und erledigt!<br /> <br /> <br /> <br />
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K
<br /> <br /> Hallo Sepp,<br /> <br /> <br /> ist die Lunte angezündet,<br /> <br /> <br /> brennt und glimmt so vor sich hin,<br /> <br /> <br /> freut sich auf des Korpus krachen,<br /> <br /> <br /> ist ne menge Zündstoff drin!<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> Interessante, interessant, wenn Du es gestattest, würde ich diesen Text gern hierhin<br /> übernehmen.<br /> <br /> <br /> Gruß<br /> <br /> <br /> <br />
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S
<br /> <br /> Text übernehmen: Klar, gern.<br /> <br /> <br /> <br />